HECTORS REISE ODER DIE SUCHE NACH DEM GLÜCK | Hector and the Search for Happiness
Filmische Qualität:   
Regie: Peter Chelsom
Darsteller: Simon Pegg, Rosamunde Pike, Toni Collette, Christopher Plummer, Stellan Skarsgard, Jean Reno, Veronica Ferres
Land, Jahr: Deutschland / Kanada 2012
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: S, D
im Kino: 8/2014
Auf DVD: 1/2015


José García
Foto: Wild Bunch

Ähnlich Hayao Miyazakis „Wie der Wind sich hebt“ (siehe Filmarchiv) beginnt Peter Chelsoms Spielfilm „Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“ („Hector and the Search for Happiness“) mit einem Traum in einem Doppeldecker. Anders aber als bei Miyazakis Film ist der Träumende kein künftiger Flugzeugbauer, sondern ein Psychiater. Der in London mit Blick auf die Themse lebende Hector (Simon Pegg) liebt geregelte Abläufe, wozu seine Freundin Clara (Rosamunde Pike) etwa dadurch beiträgt, dass sie ihm die Krawatte bindet und sonst auch für Ordnung in seinem Leben sorgt. Obwohl er seinen Patienten geduldig zuhört, gelingt es Hector irgendwie nicht, sie glücklich zu machen.

Bei einer Betriebsfeier von Claras Firma begegnet der Psychiater einer mit französischem Akzent sprechenden älteren Frau, die ihn auf den Gedanken bringt: Wie finde ich das Glück? Die Bücher von Sigmund Freud oder C.G. Jung, die sich in Hectors Bücherregal befinden, haben ihm offenbar nicht weitergeholfen. Rat könnte eher von den „Tim und Struppi“-Bänden kommen, die Hectors Büchersammlung ebenfalls enthält. Wie Hergés Comic-Figuren geht auch der Psychologe auf Reisen, allerdings um das Geheimnis des menschlichen Glücks zu ergründen.

Auf dem Weg zu seiner ersten Reisestation Shanghai lernt er den superreichen Investmentbanker Edward (Stellan Skarsgard) kennen, dessen Glücksbegriff sich in sehr materiellen Dingen erschöpft. Von Shanghai führt Hectors Reise zu einem im ländlichen China gelegenen buddhistischen Kloster, dessen Mönch ihm weitere Erkenntnisse zum Glück liefert. Von dort fliegt Hector nach Afrika weiter, wo er seinem Freund Michael (Barry Atsma) bei der medizinischen Versorgung der ländlichen Bevölkerung hilft. Eher zufällig macht er dort die Bekanntschaft des kolumbianischen Drogendealers Diego (Jean Reno) und wird auch noch von Kriminellen gekidnappt. Nachdem auch dieses lebensgefährliche Abenteuer überstanden ist, kann Hector nach Los Angeles fliegen, wo er seine erste Liebe Agnes (Toni Collette), die inzwischen glücklich verheiratet ist und zwei Kinder hat, nach Jahren wiedertrifft. Auf dem Flug dorthin erhält der Psychiater auf der Glücksfindungsreise jedoch eine weitere wichtige Lektion, als er im Flugzeug einer sterbenskranken jungen Frau beisteht, die dem Tod guten Mutes entgegensieht. Die Suche nach dem Glück endet für Hector beim berühmten Glücksforscher und Psychologie-Professor Coreman (Christopher Plummer), bei dem Agnes arbeitet.

Basierend auf François Lelords weitverbreitetem, gleichnamigem Buch „Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück“ entwerfen Regisseur Peter Chelsom und seine Drehbuch-Mitautorinnen Maria von Heland und Tinker Lindsay eine phantastische Reise rund um den Globus, die sich allerdings nicht in Panoramabildern ergötzt. Der deutsche Kameramann Kolja Brandt setzt vielmehr auf den Fortgang der Handlung und die Entwicklung der Hauptfigur. Darin unterscheidet sich „Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“ von Ben Stillers „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ (siehe Filmarchiv), mit dem er einige Gemeinsamkeiten in der Bildsprache hat. Denn ähnlich Ben Stiller setzt auch Peter Chelsom eine Mischung aus realistischen und fantastischen Bildern ein, etwa in der ersten Traumsequenz oder auch in Zeichnungen, in die Realbilder übergehen – und umgekehrt. Eine weitere Möglichkeit, bildlich beide Ebenen miteinander zu verknüpfen, liefert auch der immer wiederkehrende Blick in Hectors Notizbuch.

In diesem Notizbuch, das Hector überallhin begleitet, hält der Psychiater in Text und Zeichnung die Dinge fest, die er auf seiner Suche nach dem Glück lernt – darunter fünfzehn Sentenzen wie „Vergleiche anstellen kann einem das Glück vermiesen“ oder „Unglück vermeiden ist nicht der Weg zum Glück“. Die meisten lesen sich wie Lebensweisheiten aus einem der vielen Selbstfindungsbücher. Dennoch: Menschen, denen Hector auf seiner Reise begegnen, lehren ihn tiefgründigere Dinge, so etwa die Prostituierte, die auf eine Gruppe einfacher Frauen hinweist, die als Putzfrauen arbeiten und zum Essen auf dem Boden Platz nehmen müssen: „Der Unterschied zwischen ihnen und mir ist, dass sie sich nicht dafür zu schämen brauchen, was sie tun“. Von der Sterbenden im Flugzeug lernt er ebenfalls: „Menschen, die Angst vor dem Tod haben, haben auch Angst vor dem Leben.“

Als eine Komödie mit Slapstickeinlagen, aber ebenso mit ernsten Untertönen – was für ein Glück in der einfachen Aussage „Ich lebe“ steckt, erfährt etwa der Psychiater, nachdem er einer Todesgefahr entronnen ist – nimmt sich Peter Chelsoms Film nicht frei von Klischees in der Auswahl seines Personals aus: Dazu gehören sowohl die depressive Patientin Jane (Tracy Ann Oberman) als auch der buddhistische Mönch, die naive Prostituierte mit Herz, in die sich Hector verliebt, oder der unvermeidliche Schwule. Klischeehaft mag auch die Aussage klingen, dass die ganze Reise eigentlich dazu dient, zu sich selbst und nach Hause, zu seiner Freundin, die er endlich heiraten will, zu kommen („Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah“). „Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“ kann jedoch auch mit subtileren und gehaltvolleren Bekenntnissen aufwarten, so etwa wenn Chelsoms Film dazu aufruft, nicht das Glück an sich zu suchen. Denn es stelle sich vielmehr als Nebeneffekt ein, wenn man sich nicht zu sehr mit sich selbst beschäftige.
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