ACHTZEHN – WAGNIS LEBEN | Achtzehn - Wagnis Leben
Filmische Qualität:   
Regie: Cornelia Grünberg
Darsteller: (Mitwirkende): Laura Keller, Fabienne Renaud, Lisa Brown, Stephanie Schmolz
Land, Jahr: Deutschland 2014
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2014


José García
Foto: Kinostar

„Irgendwo bin ich noch ein Kind. Aber wenn mein Sohn im Krankenhaus liegt, bin ich kein Kind mehr. Ich bin die Mutter.“ Fabienne wurde mit 14 schwanger. Obwohl sie von allen zur Abtreibung gedrängt wurde, entschied sie sich für ihr Kind. Wenige Wochen später erfuhr sie bei einer Ultraschalluntersuchung, dass ihr Baby ein Loch in der Bauchdecke hatte, aus dem der Darm herauswuchs. Erneut rieten ihr alle, auch die Ärzte, abzutreiben. Ein zweites Mal entschied sich Fabienne für ihren Sohn Valentin. Drei Monate lang schwebte Valentin in Todesgefahr. Drei Monate, in denen Fabienne nicht von seinem Bettchen wich. Aus dem Kind wurde eine Mutter.

Von Fabienne sowie von den ebenfalls mit 14 schwanger gewordenen Mädchen Lisa, Laura und Steffi erzählte Dokumentarfilmerin Cornelia Grünberg in „Vierzehn – Erwachsen in 9 Monaten“ (siehe Filmarchiv). Für sie alle kam damals die Schwangerschaft unerwartet und auch ungewollt. Dennoch entschieden sie sich für ihr Kind. Cornelia Grünberg begleitete die vier Protagonistinnen etwa zwei Jahre lang. Von der Geburtsvorbereitung bis zu ihren „ersten Schritten“ als Mütter. Im Mittelpunkt stand insbesondere die Frage, wie sie es schaffen sollten. Regisseurin Grünberg verdeutlichte die Bedeutung der Unterstützung durch das familiäre Umfeld, aber auch die Freude über das Kind.


Die Fortsetzung des Langzeitprojektes von Cornelia Grünberg „Achtzehn – Wagnis Leben“, die nun im regulären Kinoprogramm startet, zeigt die vier jungen Mütter am Vorabend ihres 18. Geburtstags. In einem einfallsreichen Vorspann wird ihr Werdegang als „Facebook“-Chronik dargestellt. So erfährt der Zuschauer, dass Lisa inzwischen mit ihren Eltern nach Hawaii, wo ihr Vater bei der US-Armee arbeitet, gezogen ist. Ihre Tochter Leyla ist mittlerweile 3 Jahre alt – und hat nun zwei Geschwisterchen, Mosi (anderthalb) und Lani (ein halbes Jahr alt). Lisa wird 18 als dreifache Mutter. Steffi wartet ebenso sehnsüchtig auf ihren 18. Geburtstag. Dann kann sie endlich das Sorgerecht für ihren Sohn Jason beantragen, den ihr ihre eigene Mutter weggenommen hatte. Laura versucht mit Freund Steven ihre Tochter Stella großzuziehen. Sie will unbedingt Abitur machen – da wäre Stella schon vier. Unter der großen Belastung steht sie am Rande eines Nervenzusammenbruchs, vor allem nachdem die Beziehung zu Steven scheitert. Fabienne hat inzwischen einen neuen Freund, fürchtet aber, dass sich ihr Ex-Freund und dessen Mutter in ihr Leben einmischen. Außerdem geht sie gerne tanzen. Sie fiebert auch ihrem 18. Geburtstag entgegen. Dann hofft sie, dass die Ärzte und die Behörden sie als Erwachsene respektieren.

In „Achtzehn – Wagnis Leben“ bleibt die Kamera den Protagonistinnen sehr nah, wie bereits im Vorgängerfilm. Keine Off-Stimme tritt zwischen die jungen Frauen und den Zuschauer, so dass sich ein Gefühl großer Unmittelbarkeit einstellt. Der Nachteil: Einiges bleibt im Dunkeln, etwa als Laura und Ex-Freund Steven beim Jugendamt (oder ist das ein Familiengericht?) um das Sorgerecht beziehungsweise um die Regelung von Stevens Umgang mit Tochter Stella streiten. Überhaupt: Im aktuellen Dokumentarfilm von Cornelia Grünberg spielt das Sorgerecht für die Kinder die Hauptrolle. Nicht so sehr die Beziehung der jungen Mütter zu ihren Kindern steht im Mittelpunkt. Handelte „Vierzehn – Erwachsen in 9 Monaten“ vom Kampf der vier Jugendlichen, Mutter werden zu dürfen, so thematisiert „Achtzehn – Wagnis Leben“ deren Kampf, Mutter sein zu dürfen. Der Zuschauer erlebt aus nächster Nähe, wie Steffis Mutter ihre Tochter aus dem Haus wirft und den zweijährigen Jason bei sich behält, wie sich Lisa im Telefongespräch mit der Mutter ihres Exfreunds streitet, weil diese Lisas Tochter Leyla zurück nach Deutschland holen will, oder Fabienne immer wieder Angst bekommt, wenn der Vater ihres Sohnes Valentins in dessen Leben auftaucht. „Im Mittelpunkt der Kämpfe und Krisen steht dabei weniger das Ringen um eine Balance zwischen den Ansprüchen der Kinder und ihren eigenen Glücksbedürfnissen als die Abwehr des Zugriffs Dritter auf den Nachwuchs“, führt Autorin und Regisseurin Cornelia Grünberg dazu aus.

Die Nähe der Kamera zu den Protagonistinnen stellt jedoch keinen voyeuristischen Blick auf die jungen Frauen dar. Sie zeugt vielmehr vom großen Vertrauensverhältnis zwischen Cornelia Grünberg, die selbst mit 20 Mutter wurde, und den jungen Müttern. „Ich glaube, meine eigene Geschichte war der Schlüssel zum Vertrauen der Mädchen. Wir waren immer auf Augenhöhe und mir war eine wertfreie Sicht auf ihre Geschichten ein großes Anliegen. Ich habe sie und ihre Lebenssituation ernst genommen, respektiert und ich bin damit achtsam umgegangen. Und das haben die Mädchen von Anfang an gespürt“, sagt die Regisseurin.

Überwog in „Vierzehn – Erwachsen in 9 Monaten“ bei allen Schwierigkeiten, denen Steffi, Laura, Lisa und Fabienne während ihrer Schwangerschaft und vor allem nach der Geburt ihres Kindes begegneten, die schönen Augenblicke im Leben mit dem Baby, so macht sich in „Achtzehn – Wagnis Leben“ eine gewisse Desillusionierung breit. Denn nicht nur Beziehungen sind in die Brüche gegangen. Auch in den meisten Fällen – mit Ausnahme von Lisa – reagiert das eigene familiäre Umfeld nicht mit der Unterstützung, die diese jungen Mütter gebraucht hätten. Dennoch macht deren Zähigkeit Hoffnung, dass sie allen Widerständen zum Trotz Muttersein und Ausbildung miteinander vereinbaren können – wie etwa Lauras Abiturfeier eindrücklich unter Beweis stellt.
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