HIN UND WEG | Hin und Weg
Filmische Qualität:   
Regie: Christian Zübert
Darsteller: Florian David Fitz, Julia Koschitz, Jürgen Vogel, Miriam Stein, Volker Bruch, Victoria Mayer, Johannes Allmayer, Hannelore Elsner
Land, Jahr: Deutschland 2014
Laufzeit: 95 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: U, S, X
im Kino: 10/2014
Auf DVD: 3/2015


José García
Foto: Majestic

Mit der Neuregelung der Sterbehilfe will sich der Bundestag bis Herbst 2015 Zeit lassen. Bislang ist aktive Sterbehilfe – also Tötung auf Verlangen – in Deutschland verboten, die Beihilfe zum Suizid jedoch erlaubt. Die Debatte hat bereits im Parlament begonnen, denn Abgeordnete ohne Fraktionszwang sollen verschiedene Gruppenanträge erstellen, über die dann der Bundestag abstimmt. In der Gesellschaft gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Eine Widerspiegelung dieser Tendenzen findet sich auch im Film – einem Medium, das auf den Zuschauer einen bedeutenden emotionalen Einfluss ausübt. Im Gegensatz etwa zum mit dem Oscar 2005 für den „Besten nicht-englischsprachigen Film“ ausgezeichneten „Das Meer in mir“ von Alejandro Amenábar, der auf sehr manipulative Art für Sterbehilfe eintrat, gingen zuletzt deutsche Filme auf Distanz zum assistierten Selbstmord. So etwa der Kinofilm „Ruhm“ (Isabel Kleefeld, 2011): Hier sucht eine unheilbar Kranke einen Schweizer Sterbehilfeverein auf, entscheidet sich aber im letzten Augenblick fürs Weiterleben. Der Fernseh-Spielfilm „Komm schöner Tod“ (Friedemann Fromm, April 2012) veranschaulicht den fließenden Prozess von der sterbenswillige Einzelperson zur Kommerzialisierung des Sterbens.

Nun startet ein deutscher Spielfilm im Kino, der sich als ein Plädoyer für den ärztlich assistierten Suizid ausnimmt. Der etwa dreißigjährige Hannes (Florian David Fitz) müht sich in seiner Frankfurter Wohnung auf dem Hometrainer ab. Obwohl ihm die Kraftanstrengung deutlich anzumerken ist, lässt er nicht davon ab. Denn er will unbedingt die jährliche Fahrradtour mit seinem Freundeskreis und seinem Bruder Finn (Volker Bruch) unbedingt mitmachen. Was nur seine Frau Kiki (Julia Koschitz), aber weder Finn noch Hannes’ Freunde wissen: Der junge Mann leidet schon seit einiger Zeit an der unheilbaren Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Am nächsten Morgen stehen schon die Freunde da: der notorische Frauenheld Michael (Jürgen Vogel) sowie das Ehepaar Mareike (Victoria Mayer) und Dominik (Johannes Allmeyer). Als endlich Finn mit seinem alten Drahtesel dazu stößt, kann die Reise endlich beginnen.

Auf Hannes’ Wunsch geht es dieses Jahr nach Belgien. Die anderen wundern sich zwar über die Wahl des Reiseziels. Den eigentlichen Grund erfahren sie aber erst, als die Gruppe bei Jens einkehrt. Auch er fährt jedes Jahr mit. Diesmal muss er passen, da er sich ein Bein gebrochen hat. Überraschenderweise ist dort auch Hannes’ und Finns Mutter Irene (Hannelore Elsner) zu Besuch. Als sie beim Abendessen plötzlich in Tränen ausbricht, bleibt Hannes nichts anderes übrig, als sein Schweigen zu brechen. Die Ärzte geben ihm noch drei bis fünf Jahre, er wolle aber nicht so lange warten, denn seit einem halben Jahr hätten seine Kräfte merklich nachgelassen. In Ostende hat er einen Arzt kontaktiert, der ihm seinen Wunsch erfüllen will.

Drehbuchautorin Ariane Schröder und Regisseur Christian Zübert stellen zwar die Handlung um Hannes’ Wunsch nach assistierter Selbsttötung in den Mittelpunkt. Um dieses dramatische Sujet herum schaffen sie einige Nebenstränge, die sich insbesondere um die Freundschaft dreht und selbstverständlich viele komische Elemente enthält, so dass ihr Film „Hin und Weg“ als Tragikomödie bezeichnet werden kann. Dies zeigt sich etwa in einer ausgelassenen Schlammschlacht, vor allem aber in dem Brauch der Clique, während der Jahresfahrradtour Aufgaben zu erfüllen: Jeder teilt seinem Sitznachbarn auf einem Bierdeckel eine Aufgabe oder Mutprobe zu, die nur die beiden kennen. Dabei fallen die Figuren ziemlich stereotyp aus, wenn auch die guten Schauspieler sie mit Leben füllen.

Zu den emotionalen Szenen – insbesondere Hannes’ Abschied von seiner Mutter und von seiner Frau Kiki, aber etwa auch Finns Wutausbruch – kommen Sequenzen hinzu, in denen die übrigen Gruppenmitglieder ihre Probleme zu bewältigen haben, sowie typische „Roadmovie“-Szenen, in denen Kameramann Ngo The Chau die Herbstlandschaft zur Geltung bringt. Durch das gemeinsam erlebte Vergnügen, insbesondere aber durch das von Hannes’ Erkrankung ausgelöste Bewusstsein, wie schnell ein Leben vorbei sein kann, kommen sich Mareike und Dominik wieder näher – wenigstens vorerst.

Über alle Nebenstränge hinaus konzentriert sich „Hin und Weg“ jedoch auf das Sujet aktive Sterbehilfe. Wenn Hannes’ Freunde zunächst einmal gegen seinen Plan rebellieren, dann weil sie ihm nicht einfach beim Sterben zusehen wollen. Lediglich sein Bruder Finn („Ey, Du hast aufgegeben, bevor es überhaupt losgegangen ist“) und vor allem seine Mutter Irene versuchen, Hannes von seinem Vorhaben abzubringen. Die letzten Jahre ihres ebenfalls an ALS verstorbenen Mannes findet die Mutter trotz Krankheit lebenswert: „Ja, es war es wert. Jede Sekunde. Und es war schön.“ Aber Hannes lässt sich nicht umstimmen. Gerade das, was sein Vater damals durchmachte, möchte er nicht erleben. Sein Entschluss ist schon gefasst. Eine weitere Diskussion lässt er einfach nicht zu. Dadurch, dass „Hin und Weg“ die Nebenhandlugen, die Freundschaft und sonstige lebensbejahende Aspekte betont, entziehen sich Drehbuchautorin und Regisseur einer Erörterung der Problematik um die aktive Sterbehilfe. Weil ethische Aspekte ohnehin unberücksichtigt bleiben, stellen sie Hannes’ Entscheidung als bloß subjektiven, gefühlsmäßigen Entschluss dar.
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