AM SONNTAG BIST DU TOT | Calvary
Filmische Qualität:   
Regie: John Michael McDonagh
Darsteller: Brendan Gleeson, Chris O’Dowd, Kelly Reilly, Aidan Gillen, Dylan Moran, M. Emmet Walsh, Marie-Josée Croze, Isaach De Bankolé
Land, Jahr: Irland 2013
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 10/2014
Auf DVD: 3/2015


José García
Foto: Ascot Elite

Ein katholischer Priester sitzt im Beichtstuhl. Der Zuschauer sieht den Beichtenden genauso wenig wie Pfarrer James Lavelle (Brendan Gleeson). Er kann nur hören, wie der Mann offenbar mittleren Alters davon erzählt, dass er als Kind von einem Priester missbraucht worden sei. Einen schlechten Priester zu töten, bringe allerdings nichts. Abgesehen davon sei dieser Geistliche schon gestorben. Deshalb wolle er einen guten Priester umbringen. „Ich werde Sie am nächsten Sonntag töten.“ Wer hinter der Drohung steckt und wie ernst sie zu nehmen ist, kann der Pfarrer nicht wissen. Weil ihn das Beichtgeheimnis daran hindert, die Polizei einzuschalten, beginnt Father Lavelle auf eigene Faust zu ermitteln, wer der anonyme potenzielle Mörder sein könnte. Für ihn fängt ein regelrechter Kreuzweg an – der Originaltitel des Filmes lautet zutreffend „Calvary“. Nur dass nicht die Stationen des Kreuzweges, sondern die jeweiligen Tage auf der Leinwand eingeblendet werden, was dem Zuschauer immer wieder vor Augen führt, dass dem Pfarrer sehr wenig Zeit bleibt.

Lavelle ist ein Spätberufener. Er wurde Priester, nachdem seine Frau starb und er sein Alkoholproblem überwunden hatte. Aus der Ehe hat er eine erwachsene Tochter: Die psychisch labile Fiona (Kelly Reilly) kommt nach einem gescheiterten Selbstmordversuch ausgerechnet diese Woche zu Besuch. Im Laufe dieser einen Woche wird der Pfarrer feststellen, dass in der kleinen Dorfgemeinde an der irischen Küste nicht nur viele zerrissene Menschen, sondern auch ganz schön viele Atheisten und Antiklerikale leben. Da ist beispielsweise der Metzger Jack Brennan (Chris O’Dowd), der von seiner Frau Veronica (Orla O’Rourke) betrogen wird und deshalb am Glauben zweifelt. Der Automechaniker afrikanischer Abstammung Simon Asamoah (Isaach de Bankolé) hält sich für einen guten Katholiken. Allerdings soll sich die Kirche in sein Leben – sprich in sein Liebesleben – nicht einmischen. Der Arzt Dr. Harte (Aidan Gillen) verschanzt sich hinter einem Zynismus, der ihn an gar nichts glauben lässt. Der junge Milo Herlihy (Killian Scott) scheint einer der wenigen Männer ohne finstere Züge in der kleinen Gemeinde zu sein. Aber seine Verzweiflung, weil keine Frau etwas von ihm will, macht ihn unberechenbar. Obwohl der reiche Geschäftsmann Michael Fitzgerald (Dylan Moran) auf Gott vertraut, ist er verbittert, seit seine Frau ihn verlassen hat. Lediglich die Witwe Teresa Robert (Marie-Josée Croze) feindet den Priester nicht an. Nachdem sie ihren Mann bei einem Verkehrsunfall verloren hat, ist sie dem Glauben näher gekommen. Mit engelsgleicher Geduld geht Father Lavelle auf all diese Menschen zu.

Drehbuchautor und Regisseur McDonagh verknüpft das Bemühen des Priesters um seine schwarzen Schafe mit einer gut getimten Spannung, denn auch die feindselige Haltung der Dorfbewohner dem Pfarrer gegenüber nimmt merklich zu: Wer von ihnen mag sein potentieller Mörder sein? Mit einem getragenen Erzähltempo, zu dem die schönen Landschaftsaufnahmen des Kameramanns Larry Smith sowie die stimmungsvolle gälische Musik samt Chorälen wunderbar passen, verfolgt Drehbuchautor und Regisseur John Michael McDonagh den Kreuzgang Father Lavelles. Zum Filmsujet führt McDonagh aus: „Ich will immer alles anders machen als die große Mehrheit. Weil ich wusste, dass damals viele Drehbücher über Kirche und Missbrauch geschrieben wurden, wollte ich umso mehr die Geschichte eines guten und schuldlosen Priester erzählen.“ So nimmt sich „Am Sonntag bist du tot“ als eine schwarze Schuld-und-Sühne-Komödie über einen guten Priester aus, der stellvertretend für andere sterben soll.

Als Kontrast zu Pfarrer Lavelle stellt ihm der Regisseur den jungen Priester Timothy Leary (David Wilmot) zur Seite, der alle Klischees über unbeholfene, weltfremde Geistliche erfüllt. Ebenso holzschnittartig wird Bischof Montgomery (David McSavage) gezeichnet, der lediglich Konflikte zu vermeiden sucht. Obwohl Father Lavelle ziemlich geerdet und keineswegs fehlerlos wirkt, geht er seinen Weg auch in einer zynisch gewordenen Welt unbeirrt weiter, die allein seine bloße Existenz als ein Ärgernis ansehen muss, weil er der post-christlichen Gesellschaft ständig vor Augen führt, dass sie mit dem Glauben auch das Vertrauen in die Menschen verloren hat. So ist es geradezu folgerichtig, dass Pfarrer James Lavelle die Schuld der anderen auf sich nimmt.

Zu „Am Sonntag bist du tot“ erklärt Hauptdarsteller Brendan Gleeson: „Wir leben in einer seltsamen Zeit. Heute fällt es den Leuten schwer, an Helden zu glauben. Ich habe als Schauspieler schon viele Anti-Helden verkörpert. Die kommen beim Publikum gut an, was nicht weiter verwundert, weil viele Zuschauer ja selbst desillusioniert sind. ‚Am Sonntag bist du tot’ schwimmt gegen den Strom. Es ist fast schon revolutionär, einen unbescholtenen Priester, der nur Gutes tun will, ins Zentrum zu rücken.“ Dennoch: Sowohl in Irland als auch bei der letzten Berlinale wurde „Am Sonntag bist du tot“ zu einem großen Publikumserfolg. Offensichtlich sind die Zuschauer sehr wohl auch bereit, sich mit positiven Filmfiguren zu beschäftigen, wenn die Geschichten stimmig erzählt und die Charaktere glaubwürdig dargestellt werden.
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