WUNDER VON BERN, DAS | Das Wunder von Bern
Filmische Qualität:   
Regie: Sönke Wortmann
Darsteller: Louis Klamroth, Peter Lohmeyer, Sascha Göpel, Peter Franke, Knut Hartwig, Johanna Gastdorf, Mirko Lang, Birthe Wolter
Land, Jahr: Deutschland 2003
Laufzeit: 118 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ohne Altersbeschränkung
Einschränkungen: -


JOSÉ GARCÍA
Foto: Senator

Am 4. Juli 1954 geschah ein Ereignis, das die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig beeinflusste und das der ganzen Nation ein neues Selbstbewusstsein verlieh: der überraschende Gewinn der Fußballweltmeisterschaft. Nachdem am Anfang dieses Jahres der Kinofilm „Good Bye, Lenin“ das Ende der DDR – und damit auch der „alten“ Bundesrepublik – thematisierte, kommt nun in die Kinos Sönke Wortmanns Spielfilm „Das Wunder von Bern“, der den „Gründungsmythos“ der Bundesrepublik nachstellt: Deutschlands WM-Sieg 1954.

Weil der Gewinn der Fußball-WM kein rein sportliches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Ereignis darstellte („Wir sind wieder wer“), erweist sich Wortmanns Entscheidung als richtig, die Chronik des WM-Siegs mit dem im Jahre 1954 relevantesten gesellschaftlichen Phänomen zu verknüpfen: die Heimkehr aus russischer Gefangenschaft. Die Figuren, die beide Erzählstränge miteinander verbinden, sind der Torschütze zum entscheidenden 3:2 im Endspiel, Helmut Rahn, und dessen „Masköttchen“, der elfjährige Matthias, dessen Vater Richard Lubanski gerade nach Hause heimkehrt. Einen dritten Erzählfaden fügt der Film in der Person des Sportreporters Paul Ackermann hinzu, der statt die geplante Hochzeitsreise anzutreten, mit seiner frisch vermählten Frau Annette nun zur Weltmeisterschaft in die Schweiz fährt. Zwar bringt diese dritte Geschichte in „Das Wunder von Bern“ eine gewisse Überfrachtung. Doch ist damit schon auch der größte Vorwurf ausgesprochen, der dem Regisseur gemacht werden kann.

Kritisieren ließen sich sicherlich auch einige technische Unvollkommenheiten, von denen das computererzeugte Publikum im Stadion am meisten stört. Ein Anachronismus wie eine Autoreise von Essen nach Bern über Nacht im Jahre 1954 und manche Ausleuchtungsfehler sollten jedoch nicht allzu eng gesehen werden.

Denn Sönke Wortmann hat meisterhaft sämtliche Klippen beim Nacherzählen eines solchen „Mythos“ umschifft, den jeder in allen Einzelheiten zu kennen glaubt, selbst wenn er damals noch nicht geboren war. Wortmanns Entscheidung, die Figuren der Nationalspieler nicht mit Schauspielern, sondern mit „richtigen“, wenn auch Amateure-Fußballern zu besetzen, erlaubte ihm, ganze Spielzüge nachspielen zu lassen. Allerdings mussten die Laiendarsteller außerhalb des Fußballfeldes im Hintergrund bleiben. Lediglich zwei Akteure ragen aus dem Kollektiv der Nationalmannschaft heraus: Helmut Rahn und Kapitän Fritz Walter, dank der doppelten Erfahrung sowohl auf dem Rasen als auch auf der Bühne der beiden Darsteller Sascha Göpel und Knut Hartwig. Als absoluter Glücksgriff indes erweist sich die Darstellung des legendären Trainers Sepp Herberger durch Peter Franke. Für die authentische Atmosphäre in der Vorbereitungsphase und während der WM sorgt die ausgiebige Beratung durch einen der „Helden von Bern“, Horst Eckel.

Sönke Wortmann entspricht den Erwartungen der Zuschauer, nicht nur wenn er Spielzüge – darunter das Tor Rahns –, sondern etwa auch die berühmteste Radioreportage der Nachkriegsgeschichte nachstellt. Auch wenn jeder Zuschauer sie genau zu dem Zeitpunkt erwartet, gehören die Worte Herbert Zimmermanns „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt! Tor! Tor! Tor! Tor! Tor für Deutschland!“ sowie „Aus! Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister, schlägt Ungarn mit drei zu zwei im Finale in Bern!“ zu den schönsten Augenblicken des Filmes.

Derer hat aber „Das Wunder von Bern“ gleich mehrfach zu bieten. Denn das Kino als fiktive Nacherzählung spielt in solchen „magischen“ Momenten seine eigentliche Stärke aus, etwa bei einem Gespräch zwischen einer Schweizer Putzfrau und Sepp Herberger, nach dem der Zuschauer den Ursprung vom berühmtesten Satz Herbergers endlich „erfährt“. Oder die wunderschöne Montage des Radiokommentars vom Halbfinale Deutschland-Österreich mit den Bildern eines Fußballspiels unter Kindern.

Die Geschichte der Familie Lubanski berührt, ohne ins Sentimentale abzugleiten: Der Heimkehrer ist nach so vielen Jahren in seiner eigenen Familie ein Fremder geworden; den Zugang zu ihr findet er erst, nachdem er das Selbstmitleid ablegt und sich – nach dem Ratschlag des Pfarrers – öffnet. In diesem Zusammenhang gehört die Szene beim Kartoffelschälen zu den ganz starken Augenblicken des Films; sie markiert den Beginn einer „wunderbaren Freundschaft“ zwischen Vater und Sohn. Vielleicht bedeutet „Das Wunder von Bern“ ebenfalls den Beginn einer Schauspielkarriere für den eigentlichen Hauptdarsteller des Filmes, den elfjährigen Louis Klamroth, der eine famose schauspielerische Leistung liefert.
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