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José GarcÃa Foto: FilmKinoText Zu den immer wiederkehrenden Sujets des Kinos gehört die Schilderung von Menschen, die zwischen den Kulturen leben. Dieses Thema hat die gebürtige Israelin, seit zehn Jahren in Berlin lebende Ester Amrami für ihr Spielfilmdebüt âAnderswoâ gewählt, das bei der Berlinale 2014 seine Premiere feierte, auf mehreren Filmfestivals ausgezeichnet wurde, so etwa mit dem Studio Hamburg Nachwuchs-Preis, dem âForum of Independentsâ-Award des Internationalen Filmfestivals Karlovy Vari und dem FIPRESCI - Preis der deutschsprachigen Filmkritik auf dem Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern, und nun im regulären Filmprogramm startet. Noa (Neta Riskin) studiert und lebt in Berlin seit acht Jahren. Bald wird sie 30 und möchte endlich ihr Studium abschlieÃen. Für ihre Abschlussarbeit hat sich die junge Frau ein ausgefallenes Thema ausgesucht: Sie möchte ein Wörterbuch unübersetzbarer Wörter aus verschiedenen Sprachen zusammenstellen, etwa âSaudadeâ auf Portugiesisch, wofür sie Berliner mit unterschiedlichem Migrationshintergrund befragt hat. Das dafür erforderliche Stipendium wird ihr jedoch nicht bewilligt. Als darüber hinaus ihr Freund Jörg (Golo Euler), mit dem Noa erst vor kurzem zusammengezogen ist, sich um eine Arbeitsstelle in Stuttgart bewirbt, entschlieÃt sie sich spontan, nach Israel, ânach Hauseâ, zu fliegen. Statt der erhofften Ruhe und Geborgenheit findet sie dort jedoch eine chaotische Familie vor, in der jeder mit sich selbst so sehr beschäftigt ist, dass sich Noa bald fehl am Platz vorkommt. Ihre Mutter Rachel (Hana Laszlo) krittelt auch nur an ihr herum, und für den Bruder ist Noa lediglich Zielscheibe für allerlei SpäÃe. Sonne hat sie zwar mehr als genug, aber für Entspannung ist zu Hause kein Platz, erst recht als Noas Freund Jörg â ausgerechnet am israelischen Nationalfeiertag â auf einmal vor der Tür steht und nach einer Klärung ihres Verhältnisses sucht. Plötzlich wird Noas Oma krank und muss ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ein Grund für Noa, die inzwischen schleunigst nach Berlin zurück wollte, doch noch etwas länger in Israel zu bleiben. Regisseurin Ester Amrami und ihr Mitdrehbuchautor (und Ehemann) Momme Peters setzen die âunübersetzbaren Wörterâ als wiederkehrendes Stilmittel ein. Die Regisseurin streut immer wieder kurze Interviews in die Handlung von âAnderswoâ ein, die zu Noas Studienprojekt gehören und in denen Gesprächspartner aus unterschiedlichen Ländern ihre Lieblingsausdrücke erklären, für die sie keine Entsprechung im Deutschen finden. âWir wollten mit den unübersetzbaren Wörtern zwei Dinge erreichenâ, erklärt Regisseurin Amrami dazu. âZum einen sollten sie das Gefühl der Heimatlosigkeit unterstreichen, denn die Protagonisten sprechen ja davon, dass ihnen diese Wörter im Alltag in Deutschland fehlen. Zum anderen wollten wir dadurch Noas Erfahrung der Heimatlosigkeit aus ihrem persönlichen Bezugsrahmen herausheben und sozusagen die globale Komponente zeigen.â Auch wenn diese Aufnahmen viel zu professionell anmuten, um aus Amateurvideos zu stammen, ist dies eine schöne Idee, um dem allzu bekannten Filmsujet visuell etwas Neues hinzuzufügen. Dramaturgisch hemmen sie keineswegs den Fortgang der Handlung. Die entsprechenden Leerstellen drücken vielmehr auf sinnlich wahrnehmbarer Ebene Noas widerstrebende Empfindungen aus. Die ansprechende Kameraführung von Johannes Praus, die von einem wirksamen Soundtrack (Fabricio Tentoni) unterstützt wird, und der schöne Schnitt von Osnat Michaeli â so etwa in der Szene, in der Noa in ein Taxi in Berlin ein- und in Tel Aviv aussteigt â vervollständigen den gelungenen Eindruck des Spielfilmdebüts von Ester Amrami, das gleichzeitig ihr Abschlussfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen HFF âKonrad Wolfâ in Babelsberg ist. Noa befindet sich in einem Schwebezustand zwischen den zwei Lebensgefühlen, was Regisseurin Ester Amrami Heimatlosigkeit nennt: âDas Thema, das mich interessiert hat, ist Heimatlosigkeit. Und zwar in dem Sinn, dass du nach langer Zeit nach Hause kommst und dann feststellst, dass du nicht das findest, was du erwartest. Oder vielleicht stellst du fest, dass du dich verändert hast. Heimat ist für mich etwas, das einem fehlt, wenn man es wagt, seine Geborgenheit zu verlassen.â Auch Noa fühlt sich âzu Hauseâ auf einmal entfremdet, nicht nur, weil sie sich in ihre Familie nicht mehr einzufügen scheint. Auch diverse Dinge in ihrem Heimatland â so etwa die Gedenkfeierlichkeiten für die gefallenen Soldaten am Nationalfeiertag â kommen ihr auf einmal fremd vor. An Jörgs Seite wird Noa der Zusammenprall der zwei verschiedenen Kulturen besonders deutlich. Mit der Metapher der unübersetzbaren Wörter gelingt Ester Amrami darüber hinaus, die zusätzlichen Schwierigkeiten auf der Suche einer nicht mehr ganz jungen Frau nach ihrem Platz im Leben zu verdeutlichen. Was vermisst sie in Berlin und was in Israel? Wo soll sie auf Dauer leben? Dies alles schildert Ester Amrami mit einem groÃen Gespür für Wortwitz und skurrilen Humor, vor allem seitens von Noas verschrobener Familie, der trotzdem Platz für Nachdenklichkeit lässt. Ob Noa autobiografische Züge der Regisseurin trägt, sei dahingestellt. Denn der Schwebezustand zwischen zwei Kulturen, den âAnderswoâ schildert, ist nicht auf das deutsch-israelische Verhältnis beschränkt. Er hat vielmehr universellen Charakter. |
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