SELMA | Selma
Filmische Qualität:   
Regie: Ava DuVernay
Darsteller: David Oyelowo, Tom Wilkinson, Tim Roth, Cuba Gooding, Jr., Carmen Ejogo, Lorraine Toussaint, Oprah Winfrey, Alessandro Nivola, Tessa Thompson, Martin Sheen
Land, Jahr: USA 2014
Laufzeit: 128 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 2/2015
Auf DVD: 6/2015


José García
Foto: Studiocanal

Martin Luther King gehört zu den bekanntesten Verfechtern der Überwindung von Rassentrennungen. Geboren im Jahre 1929 in Atlanta, Georgia, trat der Baptistenpastor für einen gewaltlosen politischen Ungehorsam ein, der insbesondere auf die Durchsetzung des Wahlrechts für die schwarze Bevölkerung in den Südstaaten abzielte. Sein Einsatz an der Spitze der Bürgerrechtsbewegung brachte ihm im Jahre 1964 den Friedensnobelpreis ein. Mit Martin Luther Kings Rede bei der Verleihung des Preises beginnt denn auch der Spielfilm „Selma“ von Paul Webb (Drehbuch) und Ava DuVernay (Regie), der für zwei Oscars – darunter als „Bester Film“ – nominiert wurde und nun im regulären Kinoprogramm startet. „Selma“ beschränkt sich im Wesentlichen auf den Marsch von der Kleinstadt Selma in Alabama in die Bundesstaats-Hauptstadt Montgomery im Frühjahr 1965, um für die Eintragung der schwarzen Bevölkerung in die Wählerlisten zu demonstrieren.

Regisseurin Ava DuVernay verdeutlicht den Widerstand der Behörden in den Südstaaten, entgegen dem eigentlich verbrieften Recht, die Schwarzen in die Wählerlisten einzutragen, an der Figur der Krankenschwester Annie Lou Cooper (Oprah Winfrey, die auch den Film mitproduziert): Ihr Versuch, sich ins Wahlregister eintragen zu lassen, wird mit fadenscheinigen bis absurden Fragen seitens eines Beamten immer wieder verunmöglicht. Später wird die 54-Jährige während einer Demonstration sogar von Sheriff Jim Clark (Stan Houston) regelrecht niedergeschlagen. Die Gewalt gegen die schwarze Bevölkerung veranschaulicht der Film an einem feigen und brutalen Attentat, als vier schwarze junge Mädchen von einer Bombe in einer Baptisten-Sonntagsschule in den Tod gerissen werden.

Drehbuchautor Paul Webb und Regisseurin Ava DuVernay verdichten die Auseinandersetzung um die Anerkennung des Wahlrechts der schwarzen Bevölkerung in der Konfrontation zwischen Martin Luther King und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Lyndon B. Johnson (Tom Wilkinson). In einem dieser Gespräche erläutert Dr. King dem Präsidenten – und damit auch dem Zuschauer – die Bedeutung der Eintragung ins Wahlregister für die Anerkennung der Bürgerrechte im Allgemeinen. Das halbherzige Engagement des Präsidenten für die Rechte der schwarzen Bevölkerung wird einerseits durch die vielen anderen politischen Probleme während seiner Präsidentschaft – der Vietnamkrieg ist noch in vollem Gange –, andererseits durch die Beteiligung weiterer politischer Kräfte beleuchtet: Alabama-Gouverneur George Wallace (Tim Roth) will als unnachgiebiger Streiter der Rassentrennung mit allen Mitteln den Demonstrationsmarsch nach Montgomery verhindern. FBI-Chef J. Edgar Hoover (Dylan Baker) schaltet sich außerdem immer wieder ein, um Martin Luther King zu verdächtigen. Die Einblendung von FBI-Meldungen über Kings Bewegung geben dem Zuschauer eine Orientierung über die Ereignisse. Dennoch wird es in „Selma“ auch deutlich, dass Johnson lieber den gewaltlosen King als den radikalen Malcolm X an der Spitze der Bürgerrechtsbewegung gegen die Rassentrennung sieht.

Regisseurin DuVernay gelingt insbesondere auch die mediale Dimension des Marsches nach Montgomery aufzuzeigen. Beim ersten Versuch, über die Selmaer Edmund Pettus Brücke hinauszukommen, werden die Demonstranten von der Polizei brutal zusammengeschlagen. „Selma“ verknüpft dabei die Zeitlupe-Live-Bilder mit einem berichterstattenden Journalisten, der übers Telefon seine Meldung der Redaktion diktiert, sowie mit den Fernsehbildern und der Reaktion der Fernsehzuschauer. Gerade die Fernsehbilder entfachen eine landesweite Empörung, die Scharen von schwarzen und weißen Unterstützern nach Selma reisen lässt, darunter auch Prominente wie Joan Baez oder Harry Belafonte.

Bemerkenswert ist es dabei, dass Martin Luther King gerade Kleriker und Ordensleute aufruft, an einem weiteren Marsch von Selma nach Montgomery teilzunehmen. So reihen sich in die Demonstration Ordensleute und Kleriker verschiedener Konfessionen ein, etwa auch ein orthodoxer Geistlicher. Denn das Christentum spielte bei der Bewegung, die vom der „Southern Christian Leadership Conference“ ausging, eine zentrale Bedeutung. Die Kirchen gelten als Zufluchtsort für die Bürgerrechtler. In einer Schlüsselszene von „Selma“ kniet King nieder, um zu beten, als die Polizei bereits den Weg freigegeben hatte. Daraufhin bewegt er seine Anhänger umzukehren, weil er eine Falle wittert. Die starke Verankerung im Glauben von Martin Luther King wird ebenso deutlich in DuVernays Film, als der Friedensnobelpreisträger von Zweifeln geplagt mitten in der Nacht eine Gospelsängerin anruft, damit sie ihm ein Lied vorsingt, in dem Martin Luther King „die Stimme des Herrn“ vernehmen kann.

Bei der Vielzahl von Figuren bleiben etwa die Weggefährten von Martin Luther King ziemlich blass. Schwerer ins Gewicht fällt allerdings, dass von Martin Luther King keine Schattenseiten gezeigt werden. Es ist beispielsweise bekannt, dass seine außerehelichen Affären seine Ehe schwer belasteten. In „Selma“ wird zwar auf die Probleme mit seiner Frau Coretta Scott King (Carmen Enojo) hingewiesen. Diese werden aber lediglich behauptet, ohne dass es dem Zuschauer deren Grund ersichtlich wird.

Dennoch: David Oyelowo verkörpert Martin Luther King auf sehr intensive Weise. In Oyelowos Darstellung wirken authentisch insbesondere die Sprechweise des Bürgerrechtlers und sein Charisma gegenüber Anhängern wie Gegnern.
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