NUR EINE STUNDE RUHE! | Une heure de tranquillité
Filmische Qualität:   
Regie: Patrice Leconte
Darsteller: Christian Clavier, Carole Bouquet, Valérie Bonneton, Rossy de Palma, Stéphane De Groodt, Sébastien Castro, Christian Charmetant, Arnaud Henriet
Land, Jahr: Frankreich 2014
Laufzeit: 79 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2014
Auf DVD: 9/2015


José García
Foto: dcm

Gut gelaunt schlendert der etwa sechzigjährige Michel (Christian Clavier) durch den sonnig-frühlingshaften Samstagmorgen. Auf dem Flohmarkt entdeckt der Jazz-Kenner eine seltene Schallplatte: „Me, Myself and I“ eines gewissen Neil Youart. Diese Schallplatte hat er offensichtlich lange gesucht. Denn als Michel mit seiner Musiksammlung anfingt, hatte er sich gesagt: „An dem Tag, an dem Du Dir das in Ruhe anhören kannst, bist Du ein glücklicher Mensch.“ Als Michel gegenüber seiner Frau Nathalie (Carole Bouquet) diesen Satz spricht, ahnt schon der Zuschauer, dass sich die Handlung des neuen Spielfilms von Patrice Leconte „Eine Stunde Ruhe!“ („Une heure de tranquillité“) eben darum drehen wird, ob Michel dieses eine „Stündchen“ Ruhe wirklich finden wird, um die langersehnte Platte auf seiner Top-Anlage spielen zu können.

Im auf dem gleichnamigen Theaterstück von Florian Zeller basierenden Film, zu dem Zeller auch das Drehbuch verfasste, scheinen sich alle möglichen Menschen gegen Michel verschworen zu haben, nur damit er sich nicht diese Stunde Ruhe gönnen kann. Bereits auf dem Flohmarkt erhält er einen Anruf seiner Mutter. Auf dem Nachhauseweg wird der Zahnarzt von einem Patienten angehalten, der für seine Zahnprobleme sofort eine Lösung will. Direkt vor dem Hauseingang entdeckt Michel im gegenüberliegenden Café außerdem seine Geliebte Elsa (Valérie Bonneton), die offenkundig auf ihn wartet. Der Jazz-Fan kann zwar unerkannt ins Haus gelangen, und dann auch noch dem Gespräch mit seiner Frau Nathalie ausweichen, indem er ihr ein Bad einlässt. Aber da sind noch jede Menge Hindernisse zu nehmen, ehe Michel die Schallplatte in Ruhe auflegen kann, etwa der gutgelaunte polnische Nachbar Pavel (Stéphane de Groodt), der ihn zur Nachbarschaftsparty einlädt, der Schwarzarbeiter Léo (Arnaud Henriet), der mit seinem Kumpel noch die eine oder andere Wand einreißen soll, sowie sein etwa dreißigjähriger Sohn Sébastien (Sébastien Castro), der nach längerer Zeit Kontaktpause die dreckige Wäsche vorbeibringt und dann den Fernseher einschaltet. Zu allem Überfluss ist da noch die spanische Haushaltshilfe María (Rossy de Palma), die den hartnäckigen Dreck vom Teppich zu saugen versucht, den Léo hereinschleppt, und dann verkündet, der Schwarzarbeiter habe aus Versehen das Abwasserrohr getroffen. Aus der Stunde Ruhe scheint nichts zu werden.

Die Inszenierung nimmt sich schwungvoll, ja zuweilen hektisch aus. Drehbuchautor Florian Zeller und Regisseur Patrice Leconte setzen auf Slapstick, teilweise auf an Klamauk grenzende Situationskomik. Dass bei all der Rastlosigkeit auch ein lange gehütetes Familiengeheimnis zu Tage tritt, wäre in den Kapriolen der Handlung beinahe verlorengegangen. Zunächst einmal empfindet der Zuschauer Mitleid mit Michel, dem er sicherlich gerne dieses Stündchen Ruhe zugestehen würde. Je verbissener der Sechzigjährige an seinem Vorsatz festhält, und es dabei deutlich wird, dass ihm jegliche Empathie mit seinen Mitmenschen fehlt, umso erkennbarer wird es jedoch, dass es sich bei ihm um einen unverbesserlichen Egoisten handelt. Darauf weist bereits der Titel der (fiktiven) Schallplatte „Me, Myself and I“ des ebenso erfundenen Klarinettisten Neil Youart hin, die zu hören sich Michel so sehr wünscht: Alles dreht sich um ihn. Was um ihn herum geschieht, empfindet er lediglich als Ruhestörung.

Christian Clavier trägt zwar „Nur eine Stunde Ruhe!“ fast alleine. Aber der Film stellt ihm ein paar Charaktere zur Seite, die ihn bestens unterstützen. Es sind nicht so sehr die eher blassen Figuren der Ehefrau und der Geliebten, die in Erinnerung bleiben, sondern vielmehr die kleineren, aber wirkungsvollen Rollen, etwa die Nervensäge von einem Nachbarn, die von Stephane de Groodt mit unbeweglicher Miene und einer guten Portion Chuzpe verkörpert wird. Oder die mit ihrem markanten Gesicht und einiger Schnodderigkeit von Rossy de Palma gespielte spanische Haushaltshilfe. Zu der Bedeutung der „winzigen“ Rollen für den Film führt Regisseur Patrice Leconte in Bezug auf das kleine philippinische Mädchen, das mit großen Augen das Geschehen verfolgt, aus: „Eine sehr wichtige Figur. Sie ist die Einzige, die ihm (Michel) einen Spiegel vorhält, damit er sich wirklich erkennen kann.“

„Eine Stunde Ruhe!“ übt darüber hinaus in Form der üblichen Ausländerklischees Sozialkritik aus. Dazu gehören sowohl der schwarz arbeitende, angeblich polnische Klempner als auch die spanischen Putzhilfe und Concierge sowie die illegalen Einwanderer aus den Philippinen, die in großer Zahl in einem kleinen Zimmer hausen und kochen. Bei aller Schablonenhaftigkeit dieser Figuren: Irgendwie werden sie alle als sympathische Menschen gezeichnet, während die gutsituierten Franzosen ungleich schlechter wegkommen. Das gilt nicht nur für Michel, sondern ebenso beispielsweise für den namenlosen Nachbarn, der nur ein paar Mal im Film zu sehen ist – um stets eben die lärmenden Nachbarn um Ruhe zu bitten. Ganz zu schweigen von der lockeren Ehemoral der gutbürgerlichen Franzosen.

„Eine Stunde Ruhe!“ handelt allerdings insbesondere vom Egoismus des Kleinbürgers, der nur an sich selbst denkt und kein Interesse für die anderen zeigt. Wenn es am Ende zu einem Happy End kommt, ist dies jedoch nicht nur ein versöhnlicher Abschuss für den zuweilen hektischen und Klamauk nicht scheuenden Film. Denn Michel hat doch noch eine Läuterung erfahren und gelernt, worauf es im Leben ankommt.
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