BIG EYES | Big Eyes
Filmische Qualität:   
Regie: Tim Burton
Darsteller: Amy Adams, Christoph Waltz, Danny Huston, Krysten Ritter, Jason Schwartzman, Terence Stamp, Jon Polito
Land, Jahr: USA 2014
Laufzeit: 108 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2015
Auf DVD: 8/2015


José García
Foto: Studiocanal

Tim Burtons Filmbiografie „Big Eyes“ ist ein Zitat von Andy Warhol vorangestellt, das die Bedeutung der 1927 geborenen Malerin Margaret Keane unterstreichen soll. In den 1960er Jahren wurden ihre Bilder von traurigen Kindern mit großen Augen als Drucke, Poster und Postkarten millionenfach verkauft. Doch die Erfolgsgeschichte hatte einen Haken: Ihr Mann Walter Keane gab die lediglich mit „Keane“ firmierten Bilder als seine eigenen aus.

Auf einem Flohmarkt lernen sich die geschiedene, alleinerziehende Margaret (Amy Adams) und der eloquente und charmante Walter Keane (Christoph Waltz) kennen. Bereits an diesem Tag überzeugt er Margaret, dass sie ihre Bilder von Kindern mit großen Augen – wofür ihre kleine Tochter Modell steht – viel zu billig verkaufe. Walter selbst stellt am Nachbarstand Straßenansichten von Paris aus, die nach seiner Aussage einem Studienaufenthalt in der französischen Hauptstadt entstammen. Aber Walter ist genauso wenig Berufsmaler wie Margaret. Im Hauptberuf arbeitet er als Immobilienmakler. Bald beginnt ihr gemeinsames Leben und auch ihre „Zusammenarbeit“: Sie malt unermüdlich hinter verschlossenen Gardinen, er verkauft die Bilder sehr geschickt zunächst in Clubs, dann in immer größeren Druckauflagen, wobei eine Druckerpresse am Anfang des Filmes die Vervielfältigung der Werke verdeutlicht. Warum er die Bilder als seine eigenen verkauft, habe Vermarktungsgründe, erläutert Walter seiner inzwischen angetrauten Ehefrau. Margaret verwundert dies, aber sie fügt sich.

Ein Jahrzehnt lang geht es so weiter, wobei die „Big Eyes“-Bilder immer populärer werden. Den Höhepunkt ihrer Bekanntheit erreichen sie, als Margaret ein Bild für die Weltausstellung 1964 in New York malen soll: Auf „Tomorrow Forever“ sind einhundert großäugige Kinder zu sehen, die hintereinander in einer langen Reihe stehen, die bis zum Horizont reicht. In der „New York Times“ urteilt jedoch Kunstkritiker John Canaday lapidar: „Das ist keine Kunst.“ Daraufhin hängen die Organisatoren der Weltausstellung das Gemälde wieder ab. Als sich John Canaday (Terence Stamp) und Walter Keane auf einer Party begegnen, liefern sie sich ein Wortduell. Der angebliche Maler greift den Kritiker an: „Kritiker werden Kritiker, weil sie nicht selbst kreativ sind“, worauf Canaday kontert: „Mein Gott, die alte Leier.“

Dennoch machen Walter und Margaret Keane weiter. Walter hat sich eine Geschichte zurechtgelegt, wie er angeblich die Inspiration für die Bilder erhalten habe: Er habe 1946 auf einer Europareise in Berlin Kinder gesehen, die sich mit großen Augen um Essensreste aus Mülltonnen streiten. Er habe sie gezeichnet: „Das war der Punkt, an dem mein Leben als Maler ernsthaft begann.“ Aber irgendwann einmal kann Margaret nicht mehr mit der Lüge leben. Sie beschließt, die Wahrheit ans Licht zu bringen, woraufhin Walter sie kurzum zur Verrückten erklärt. Margaret lässt es sich jedoch nicht bieten. Es kommt zu einem aufsehenerregenden Urheberrechtsprozess.

Die Drehbuchautoren Scott Alexander und Larry Karaszewski, die bereits eine lange Erfahrung in Filmbiografien („Ed Wood“, „Larry Flynt“, „Der Mondmann“) besitzen, verdichten die Lebensgeschichte von Margaret und Walter Keane auf die Dauer eines abendfüllenden Spielfilms, bleiben aber den Fakten weitestgehend treu. „Das Leben imitiert die Kunst“, sagt denn auch an einer Stelle die von Amy Adams verkörperte Margaret.

Obwohl Tim Burton als exzentrischer Regisseur bekannt ist, der in seinen Filmen einem Fantasy-Feuerwerk freien Lauf lässt, nimmt sich die Inszenierung von „Big Eyes“ eher konventionell aus. Dazu gehört auch die Verortung in der Zeit, in der „Big Eyes“ spielt. So ist beispielsweise einmal die bekannte Fernsehserie „Perry Mason“ mit Raymond Burr in der Hauptrolle zu sehen, die in den Jahren 1957–1966 in den Vereinigten Staaten sehr populär wurde. Regisseur Tim Burton baut etwa auch Originalbilder der Weltausstellung 1964 in die Spielhandlung ein. Als typisch für die Zeit darf etwa auch die Aussage eines Beichtvaters gegenüber Margaret (der Mann sei „das Oberhaupt der Familie“) gewertet werden. Für die Handschrift von Tim Burton sprechen die sehr bunten Bilder sowie eine Sequenz, bei der Menschen mit großen Augen auf der Leinwand zu sehen sind. Dies ist jedoch eher die Ausnahme, im Vergleich beispielsweise mit den wie verzaubert aussehenden Bildern in Burtons „Big Fish – Der Zauber, der ein Leben zur Legende macht“ (2003).

Christoph Waltz gestaltet Walter Keane mit derselben einlullenden Redegewandtheit, die er zuletzt in Quentin Tarantinos „Django unchained“ (2012) an den Tag gelegt hatte. Nur dass der österreichische Mime hier eindeutig über die Grenze des Chargierens hinausgeht, insbesondere in der Gerichtsszene, als er sich selbst verteidigen will. Demgegenüber verkörpert Amy Adams Margaret als sensible, allzu gefügige Ehefrau. Erst als sie die Lebenslüge nicht länger ertragen will und sich zur Enthüllung der Wahrheit entschließt, gibt Amy Adams der Figur die entscheidende Energie, damit sie aus dem langjährigen Schattendasein heraustreten kann. Damit verhindert die amerikanische Schauspielerin, dass – in erschreckender Parallelität zu den im Film dargestellten Ereignissen – Christoph Waltz sie aus der Mitte von „Big Eyes“ hinausdrängt. Auch wenn es lange Zeit anders ausgesehen hatte, am Ende gelingt es Amy Adams zu verdeutlichen, dass „Big Eyes“ ihr Film ist.
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