KEIN ORT OHNE DICH | The Longest Ride
Filmische Qualität:   
Regie: George Tillman Jr.
Darsteller: Scott Eastwood, Britt Robertson, Alan Alda, Jack Huston, Oona Chaplin, Melissa Benoist, Amber Chaney, Lolita Davidovich, Elea Oberon, Kate Forbes
Land, Jahr: USA 2015
Laufzeit: 127 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 4/2015
Auf DVD: 8/2015


José García
Foto: Twentieth Century Fox

Ein Bullenreiten-Rodeo in Las Vegas. Der junge, aufstrebende Luke Collins (Scott Eastwood) erleidet auf dem Rücken eines scheinbar unbezwingbaren Bullen namens Rango einen schweren Unfall. Erst ein Jahr später kann er wieder an einem Rodeo, diesmal in North Carolina, teilnehmen. Die Studentin Sophia (Britt Robertson), die kurz vor ihrem Studienabschluss steht und bald darauf ein Traumpraktikum bei einer angesagten Kunstgalerie in New York beginnen wird, besucht die Veranstaltung lediglich auf Drängen ihrer Freundin Marcia (Melissa Benoist). Irgendwann einmal treffen sich jedoch Sophias und Lukes Blicke. Er händigt ihr sogar seinen Cowboyhut aus. Sie verabreden sich, wobei sich Luke als Gentleman alter Schule herausstellt, der Sophia zur Belustigung ihrer Mitbewohnerinnen im Studentenheim mit einem Blumenstrauß zu einem Abendessen in romantischer Lage am Seeufer abholt. Allerdings gesteht Sophia bei dieser Gelegenheit Luke, dass sie in zwei Monaten nach New York ziehen wird. Die romantische Liebesgeschichte scheint denn auch bereits zu Ende zu sein, ehe sie angefangen hat.

Eine zufällige Begegnung könnte aber einen Hoffnungsschimmer bringen: Auf dem Nachhauseweg retten Luke und Sophia aus einem verunfallten Auto den 91-jährigen Ira Levinson (Alan Alda) und bringen ihn ins Krankenhaus. Bei der Rettungsaktion kann der geschwächte Mann Sophia noch bitten, eine Kiste aus dem Auto herauszuholen. Die junge Frau findet dort eine große Anzahl Briefe, die Ira seiner geliebten, inzwischen verstorbenen Frau im Laufe der Jahrzehnte schrieb. Sie wird den alten Mann im Krankenhaus und später zu Hause häufig besuchen, um ihm die Briefe vorzulesen. So entsteht eine wunderbare Freundschaft, bei der Ira Sophia Einiges lehrt („Liebe verlangt Opfer – immer“). In Rückblenden, die immer wieder die Haupthandlung unterbrechen, erzählen Drehbuchautor Graig Bolton und Regisseur George Tillman Jr. in „Kein Ort ohne Dich“ („The Longest Ride“) basierend auf dem gleichnamigen Roman von Nicholas Sparks die Geschichte von Ira und Ruth, die eigentlich einen zweiten Film darstellt.

Ira (nun von Jack Huston dargestellt) lernte 1940 in einer kleinen Stadt in North Carolina die kaum 18-jährige Ruth (Oona Chaplin) kennen, die mit ihrer Familie noch rechtzeitig aus Wien emigriert war. Bald verlieben sich die beiden ineinander. Sie wollen nach Iras Kriegseinsatz heiraten, zu dem er sich gemeldet hat. Ruth wünscht sich eine große Familie, aber als Folge einer Kriegsverletzung kann Ira keine Kinder bekommen. Obwohl Ruths unerfüllter Wunsch einen Schatten auf ihre Ehe wirft, werden sie jahrzehntelang bis zu Ruths Tod zusammenbleiben. Ihr von seinen Pflegeeltern vernachlässigte Schüler Daniel wird fast adoptiert. Aber letztlich stellen sich die Verwandten dagegen. „Kein Ort ohne Dich“ wird Daniels Geschichte später doch noch nachreichen. Ruth wird ihre Energie als Lehrerin und insbesondere in den Aufbau einer umfangreichen und bedeutenden Sammlung moderner Kunst einsetzen. Den Anfang macht ein Bild, das Ira ihr in der Künstlerkolonie „Black Mountain College“ – wo für die amerikanische Kunst so wichtige Maler wie de Kooning und Rauschenberg arbeiteten – kauft.

Die beiden Handlungsstränge werden farblich und designtechnisch deutlich voneinander getrennt: „Als farbliche Basis von Sophias Welt entschied ich mich“, so Produktionsdesigner Mark Garner, „für ziemlich neutrale Töne, denn satte Farben sollten die gezeigten Kunstwerke einbringen. In Sophias Welt sollte die Kunst gegenüber dem neutral gehaltenen Hintergrund hervorstechen. Die Architektur sieht man überhaupt nicht. In der Welt, die die Vergangenheit zeigt, will man dagegen die Architektur, die Ziegelfarben, Mörteltöne und die Farben der Gehsteige sehen.“

Dennoch erweisen sich die Parallelen über die Generationen hinweg – Ira könnte ja Sophias oder Lukes Großvater sein – als verblüffend: Sowohl Ruth als auch Sophia kennen sich in der Kunst aus, während ihre jeweiligen Männer eher Kunstbanausen sind. Ira schaffte es, trotz seines kaum vorhandenen Kunstsinnes seine Frau in diesem Bereich zu unterstützen. Die sich im Laufe der Jahre vergrößernde Kunstsammlung „Ruth und Ira Levinson“ ist beredtes Beispiel für die Kompromisse (oder, wie Ira sie nennt, für die Opfer), die das gemeinsame Leben zweier so unterschiedlicher Menschen mit sich bringt. Wird Luke bereit sein, solche Kompromisse einzugehen? Zunächst einmal scheint dies nicht so zu sein. Als er beispielsweise eine von Sophia betreute Ausstellung besucht, lautet sein Kommentar: „Hier gibt es mehr Bullshit als in meinem Job“. Wird er auch aus Liebe zu Sophia seinen gefährlichen Job aufgeben? Wird Sophia ihrerseits bereit sein, ihre so golden scheinende Zukunft in New York aufzugeben? Die Rahmengeschichte – die Liebesbeziehung zwischen Sophia und Luke –, die anfangs eher oberflächlich, kitschig und durchschnittlich erscheint, erhält durch die Spiegelung in Iras und Ruths lebenslanger Ehe eine besondere Tiefe.

Neben der weitgehend unbekannten Oona Chaplin (Tochter von Geraldine Chaplin), die in der Darstellung einer Frau vom 17. bis zum 45. Lebensjahr große Verwandlungsfähigkeit zeigt, brilliert insbesondere der 79-jährige Alan Alda, der in den siebziger Jahren mit der Fernsehserie M*A*S*H sowie in den achtziger und neunziger Jahren in einer Reihe Woody Allen-Filmen bekannt wurde. Als Ira ist Alan Alda nicht nur die Schnittstelle zwischen den „beiden Filmen“, sondern auch die eigentliche Mitte von „Kein Ort ohne Dich“.
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