HERR DER RINGE - DIE GEFÄHRTEN, DER | The Lord of the Rings– The Fellowship of the Ring
Filmische Qualität:   
Regie: Peter Jackson
Darsteller: Elijah Wood, Ian McKellen, Liv Tyler, Viggo Mortensen, Sean Astin, Cate Blanchett, John Rhys-Davies, Billy Boyd, Dominic Monaghan
Land, Jahr: USA/Neuseeland 2001
Laufzeit: 165 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G


JOSÉ GARCÍA
Foto: Warner Bros

Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.

Diese zwei Zeilen werden aus den elbischen Buchstaben gebildet, die um den Einen Ring herumlaufen, der einst von Sauron, dem abgrundtief bösen Herrn von Mordor, geschmiedet wurde, um ganz Mittelerde zu beherrschen und ihre Völker zu versklaven. Doch der Ring ging verloren und blieb Jahrhunderte lang verschollen. Nachdem jedoch „Der Eine“ wiedergefunden wurde, begehrt ihn „Der Herr der Ringe“ erneut, um uneingeschränkte Macht über die Welt zu erlangen. Das Böse kann nur durch die Zerstörung des Ringes besiegt werden – ein schier wahnwitziges Unterfangen, muss doch dazu der Ring in die Tiefen des Orodruin, des Feurigen Berges, in die Schicksalsklüfte geworfen werden, wo ihn Sauron einst goss. Zu diesem Unternehmen wird der Hobbit Frodo Beutlin auserkoren. Mit seinen treuen Gefährten, der „Gemeinschaft des Ringes“, macht er sich auf eine Reise, die tief durch Feindesgebiet führt, wo der Dunkle Herrscher auf dem Dunklen Thron regiert und Armeen von abstoßenden Kreaturen um sich schart. Die Gefährten müssen sich nicht nur mit dem Bösen von außen, sondern auch mit dem zersetzenden Einfluss des Ringes selbst auseinander setzen. Die gesamte Zukunft der freien Völker bleibt mit dem Schicksal des Ringträgers untrennbar verbunden.

Davon handelt „Die Gefährten“ („The Fellowship of the Ring“), der erste Band des dreiteiligen Epos „Der Herr der Ringe“, der im Jahre 1954 von John Ronald Reuel Tolkien (1982–1973) veröffentlicht und seitdem über 50 Millionen Mal verkauft wurde. Es hinterließ einen nachhaltigen Eindruck bei Generationen von Lesern, die ihn zum „Buch des zwanzigsten Jahrhunderts“ wählten – so etwa beim Theologen John S. Dunne, der auf die Frage, welches Buch ihn neben der Heiligen Schrift und der Summe des Thomas von Aquin am meisten beeindruckt habe, Tolkiens „Der Herr der Ringe“ nennt (DT vom 13. Oktober). Ähnlich äußert sich auch Joseph Pearce, Autor des Buches „Tolkien: Man and Myth“ (Zenit vom 19. November). Für den Katholiken J.R.R. Tolkien habe die Aufgabe der Mythologie darin bestanden, auf ihre eigene Weise transzendente Wahrheiten zu vermitteln. Pearce: „In den Wesen von ‘Der Herr der Ringe’ sind die Werte des Evangeliums symbolisiert. Der Hobbit steht für die Demut. Der Zauberer Gandalf tritt als Patriarch auf, der sein Leben für seine Freunde hingibt. Die Macht, die der Ring ausübt, versinnbildlicht die Macht der Sünde über den Menschen. Der Opfergang Frodos nimmt Züge der Kreuztragung an“. Tolkiens Epos gehört zu den herausragenden Werken christlicher Literatur.

Lange galt Tolkiens Epos als nicht verfilmbar. Im Jahre 1978 kam eine wenig überzeugende Zeichentrickfilm-Version heraus, wenn sie auch nun als „ernsthafte Annäherung an Tolkien gewürdigt“ wird (F.A.Z. vom 13. Dezember). Die für 1982 vorgesehene Fortsetzung wurde nie gedreht. Erst mit Hilfe der digitalen Filmbearbeitung konnte ein Realfilmprojekt in Angriff genommen werden. Allein für die Drehbuch-Trilogie arbeitete der Regisseur Peter Jackson zusammen mit den Skript-Autorinnen Fran Walsh und Philippa Boyens drei Jahre lang. Im Oktober 1999 begannen dann in Neuseeland die 18-monatigen Dreharbeiten, die vom Anfang an auf über zwanzig Websites im Internet verfolgt werden konnten. Im April 2000 stellte die Homepage „www.lordoftherings.net“ den ersten Trailer ins Netz; prompt wurde er am ersten Tag 1,7 Millionen Mal heruntergeladen. Und als am 14. Januar 2001 die „Teaser-Premiere“ im Kino lief, veranstalteten „Tolkienguild“-Webseiten Fantreffen vor den Filmtheatern in New York und Los Angeles. Es bildeten sich die üblichen Schlagen – nur dass kein Film, sondern lediglich ein Zusammenschnitt von ein paar Minuten Länge uraufgeführt wurde. Im Mai 2001 schließlich wurde ein Szenenmix von „Der Herr der Ringe – Die Gefährten“ zu einem der Höhepunkte des Filmfestivals von Cannes: „Ganze 23 Minuten reichen aus, um dem Wettbewerb fast die Show zu stehlen“ (DT vom 15. Mai). Nach der Weltpremiere am 10. Dezember in London wurde „Der Herr der Ringe – Die Gefährten“ mit Lob überschüttet. Sogar von „einem Meilenstein der Filmgeschichte“ war die Rede. Mit großer Spannung wurde also der Start erwartet, der – auch dies etwas Ein- oder wenigstens Erstmaliges – weltweit synchron am 19. Dezember läuft.

Die Umsetzung des Epos in bewegte Bilder

Peter Jackson wusste, dass er nicht jede Zeile des dreiteiligen Buches würde in Bilder fassen können. In den meisten Fällen sind die Verdichtungen von Buchstellen hervorragend gelungen, besonders in der Eingangssequenz, die das achtzeilige Gedicht, das Tolkiens Epos vorangestellt ist, in bewegte Bilder überträgt. In einer rasanten Bildfolge erfährt der Zuschauer, wie die Drei Ringe den Elbenkönigen „hoch im Licht“, die Sieben den Zwergenherrschern „in ihren Hallen aus Stein“ und die Neun den Sterblichen gegossen wurden, bevor der Dunkle Herrscher noch den Einen schmiedete, mit dem er die anderen Ringe der Macht zu beherrschen trachtete. Wir werden Zeugen der Schlacht am Fuße des Schicksalsbergs, als sich das letzte gemeinsame Bündnis aus Elben und Menschen dem Tyrannen entgegen stellte und der mächtige König Isildur den Einen Ring von der Hand Saurons abschnitt, aber alsbald verlor. Die Vorgeschichte macht sodann einen Sprung von zweieinhalb Tausend Jahre, bis der Ring zunächst an Gollum und dann an den Hobbit Bilbo gerät. Über eine dieser Landkarten, die Tolkien selbst seinem Epos beigab, leitet der Regisseur ins Auenland über. Dies alles ist konsequente Übertragung eines Romans in genuin filmische Sprache. Über die Auslassungen lässt sich naturgemäß streiten: Am schmerzlichsten wird das Weglassen Tom Bombadils empfungen, ist doch diese gar seltsame Figur das einzige Wesen, über das der Ring keine Macht besitzt und das schon immer da war – weswegen er als „alter ego“ Tolkiens selbst angesehen wird.

Jeder Leser wird wohl ihm lieb gewonnene Stellen, so etwa auch die eingestreuten Gedichte missen, die zum epischen Charakter der Erzählung beitragen. Da „Der Herr der Ringe“ ganz besonders von den unterschiedlichen Sprachen lebt – Tolkien war Professor für Sprachwissenschaft – hat Peter Jackson einige Dialoge in einer mit ihrem altertümlichen Akzent und den präzisen Kadenzen stark ans Keltische angelehnten „Elbensprache“ gedreht.

Für die Landschaften aus dem Reich der Phantasie bot Neuseeland hervorragende Voraussetzungen. Um sie jedoch in Mittelerde zu verwandeln, waren die Filmemacher auf die Hilfe des Computers angewiesen. Ob es sich nun um die düsteren Minen von Moria und die glühenden Schmieden von Isengart oder um die lieblichen Hügel des Auenlandes und die ätherischen Baumtürme Lóriens handelt – das Ergebnis ist atemberaubend. Zur alles in allem geglückten Mischung aus computeranimierten und natürlichen Bildern trägt wesentlich die außerordentliche Liebe zum Detail in der Ausstattung bei. Ebenfalls als gelungen ist das Spiel mit den unterschiedlichen Größen von Menschen, Elben, Hobbits und Zwergen zu bezeichnen.

Der epische Charakter des Romans bleibt bewahrt

Ein solch komplexer Kosmos wie der von Tolkien geschaffene erschöpft sich nicht in Abenteuern und Truppenbewegungen mit spektakulär inszenierten Schlachten. Dies alles bietet Jackson selbstverständlich in seinem Film – in teilweise recht schaurigen Szenen. Dem Regisseur hat aber auch die größte Herausforderung mit Bravour gemeistert: Tolkiens Werk atmosphärisch einzufangen. Dieselbe Mittelerde, die in der Phantasie des Lesers entsteht, lässt nun Peter Jackson mit filmischen Mitteln aufleben. Im Film wie im Buch ist die für „Der Herr der Ringe“ überaus bedeutsame Vorgeschichte unter der Oberfläche wirksam. In der Art klassischer Werke erlaubt der Streifen so mehrere Lesungen: Wer das Buch nicht kennt, wird genauso auf seine Kosten kommen wie die Tolkien-Experten, die nicht nur „Der Herr der Ringe“, sondern auch „Das Silmarillion“ kennen, das dem Ringkrieg ihren zustehenden Platz im Tolkien-Universum zuweist. Die angedeutete Liebesgeschichte zwischen Arwen und Aragorn kann beispielsweise als eine Prise Romantik in einem sonst recht düsteren Epos aufgefasst, aber auch als Nachklang der Legende um Beren und Lúthien, die erste Liebesverbindung zwischen einer Elbin und einem Menschen, gelesen werden.

Die darstellerische Leistung in diesem Ensemblefilm wirkt allerdings uneinheitlich, wobei die „Altherrenriege“ aus Ian Holm als Bilbo, Christopher Lee als Saruman und Ian McKellen als Gandalf wahre Schauspielkunst bietet – etwa in den Bilbo-Gandalf-Dialogen zu Beginn – und auch die Hobbit-Darsteller schlagen sich eigentlich tapfer, wobei Sean Astin als Sam Gamdschie dem zwanzigjährigen Elijah Wood als Frodo beinahe die Schau gestohlen hätte. Trotzdem stellt Wood die inneren Kämpfe des Auserkorenen wider Willen recht glaubhaft dar. Auch die Besetzung der Elbenprinzessin Arwen mit Liv Tyler erweist sich als glücklicher Griff, hatte die junge Schauspielerin bereits in Martha Fiennes’ Filmadaption von Puschkins „Onegin“ diese Mischung aus anmutiger Kindfrau und edler aristokratischer Haltung verkörpert, die einer Elbenfürstin wohl eigen sein soll. Mit ihren Rehaugen erinnert sie überdies an die junge Audrey Hepburn, der ja ein „elfengleiches“ Aussehen nachgesagt wurde. Da ein Film mit lediglich Männern in den Hauptrollen die Zielgruppe eingeschränkt hätte, erweiterte der Regisseur die kleine Rolle Arwens: Statt im Hause ihres Vaters Elrond zum ersten Mal zu begegnen, rettet sie bereits vorher Frodo in einer rasanten Verfolgungsjagd zu Pferde vor den schauerlichen Ringgeistern, den Nazgûl. Frau Galadriel, die Herrin von Lothlórien, wird von der 32jährigen Cate Blanchett dargestellt, der allerdings die majestätische Haltung einer der edelsten Elbenköniginnen und Trägerin eines der „Drei Ringe“ nicht vollends gelingen mag; diese Rolle wäre vermutlich bei einer älteren Schauspielerin besser aufgehoben. Auch Viggo Mortensen als Aragorn und Hugo Weaving als Elrond glückt die Darstellung der erhabenen Würde eines Menschen- beziehungsweise Elbenfürsten nicht ganz. Ob Viggo Mortensen in der Lage sein wird, glaubhaft darzubieten, wie aus einem Waldläufer namens Streicher der König der Dúnedain und Herr des Westens hervorgeht, gehört zu den spannenden Fragen, deren Lösung den Fortsetzungen vorbehalten bleibt. Die Fortsetzungen indes sind schon fest eingeplant. Obwohl Jackson alle drei Filme auf einmal drehen ließ, werden sie erst im Jahresrhythmus ins Kino kommen: „Die zwei Türme“ vor Weihnachten 2002 und „Die Rückkehr des Königs“ im Dezember 2003. „Der Herr der Ringe“ soll schließlich auch in kommerzieller Hinsicht ein Erfolg werden.

Zu einem epochalen Film wie „Der Herr der Ringe – Die Gefährten“ hätte allerdings epochale Musik gehört, die sich etwa mit dem mittlerweile klassischen Soundtrack John Williams’ für „Krieg der Sterne“ hätte messen können. Dass die recht oberflächliche und ins Pathetische abgleitende Musik hochdramatischen Momenten einen kitschigen Geschmack beimischt, zählt zu den Enttäuschungen der Filmadaption.

Bald 50jähriges Jubiläum der Erstveröffentlichung

„Der Herr der Ringe – Die Gefährten“ macht Appetit auf mehr. Glücklicherweise jedoch nicht nur auf die Filmfortsetzungen, sondern ebenfalls auf die Bücher, wie das Neuaufflammen des Interesses an Tolkien im Vorfeld des Filmstarts zeigt: In Deutschland bescherte es in diesem Jahr dem Klett-Cotta-Verlag ein Zehnfaches der letztjährigen Absatzzahlen. Anfang Dezember rangierte die Taschenbuchausgabe in der „Spiegel“-Bestsellerliste auf Platz zwei, die dreimal so kostspielige gebundene Version auf Platz 14. Gebührender ließe sich das fünfzigjährige Jubiläum der Erstveröffentlichung von „Der Herr der Ringe“ im Jahre 2004 wohl kaum feiern – übertroffen werden könnte es nur noch durch die Bestätigung der Gerüchte, wonach nach „Der Herr der Ringe“ ebenfalls „Das Silmarillion“ gedreht werden soll. Diese mythologische Kosmologie J.R.R. Tolkiens könnte Jackson für wenigstens noch eine Filmtrilogie genügenden Stoff liefern.
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