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José García Foto: Piffl Medien ![]() In einem Hochsicherheitsgefängnis in Wisconsin ist die säuberliche Trennung von Opfern und Tätern aufgehoben. Hier initiierte eine pensionierte Richterin eine Gesprächsrunde, an der zweimal im Jahr sowohl die einen als auch die anderen teilnehmen. Hier lernt der Zuschauer Leola und Lisa kennen. Sie wohnen in der New Yorker Bronx, wo ihr damals 16-jähriger Sohn und Bruder erschossen wurde. Seit mittlerweile elf Jahren warten Mutter und Tochter darauf, dass der zu 40 Jahren Gefängnis verurteilte, damals 21-jährige Sean die Tat zugibt. In Norwegen hatte ein Jugendlicher seine Jugendliebe getötet: Stiva erschoss seine 16-jährige Freundin Ingrid-Elisabeth aus Eifersucht. Nach sechs Jahren wird Stiva aus dem Gefängnis entlassen. Für Ingrid-Elisabeths Vater Erik ist es aber unerträglich, dass er ihm begegnen könnte. Deshalb ist Erik sogar mit seiner Familie in einen anderen Teil der Stadt gezogen. Obwohl er sehr beherrscht von seinem Verlust spricht, könnte sich der Vater des Opfers ein Wiedersehen mit Stiva schlicht nicht vorstellen. Ganz anders Patrick von Braunmühl in Berlin. Sein Vater Gero von Braunmühl wurde als hoher Beamter im Außenministerium von der Roten Armee Fraktion getötet. Zwar wurde ein Bekennerschreiben gefunden, aber die genauen Täter blieben unbekannt an der Weigerung, die konkreten Täter für einzelne Mordaktionen preiszugeben, halten die RAF-Mitglieder bis heute fest. In Beyond Punishment erzählt Patrick von Braunmühl von der Begegnung mit Birgit Hogefeld im Jahre 1996, als dieses RAF-Mitglied noch im Gefängnis saß (leider gibt es offenkundig keine Bilder von diesem Treffen). Obwohl Patrick auf eine neue Begegnung nach Hogefelds Entlassung gehofft hatte, war sie jedoch zu keiner weiteren Begegnung bereit. Nun erhofft sich der Sohn des Ermordeten von einem anderen RAF-Mitglied Aufklärung: Manfred Grashof (geb. 1946), eins der wenigen lebenden Gründungsmitglieder der RAF, der auch im Namen der RAF getötet hat, stellt sich für ein Treffen zur Verfügung. Regisseur Hubertus Siegert führt Interviews mit Betroffenen, aber auch mit Tätern. Dennoch bleibt er immer auf Distanz. Die Kamera des auf Dokumentarfilme spezialisierten Marcus Winterbauer nimmt stets eine beobachtende Position ein. Hubertus Siegert fügt einige wenige Kommentare ein, verzichtet jedoch auf den Einsatz von Musik. Dadurch stehen die Figuren selbst im Mittelpunkt von Beyond Punishment. Dennoch stehen sie hier nicht so sehr in ihrer Individualität, sondern eher als Sinnbild für die unterschiedlichen Reaktionen der Opfer: Für die Position, auf das Eingeständnis des Täters zu warten und zu hoffen, stehen Leola und Lisa. Für die Befürchtung, durch die erneute Begegnung mit dem Mörder seiner Tochter alles Leid wieder einmal zu durchleben, steht Erik. Und für das Streben danach, durch mehr Wissen eine sinnlose Tat besser zu verstehen, steht Patrick von Braunmühl. Obwohl dadurch etwas typisiert, bringt Hubertus Siegert dem Zuschauer die Sicht, den Schmerz der Angehörigen näher. Wenn auch in geringerem Maß zeigt sein Film aber auch, dass ebenfalls auf der Seite der Täter mit dem Gerichtsurteil und dem Strafvollzug keineswegs die Angelegenheit erledigt ist. So sagt etwa in Beyond Punishment ein Täter: Das Gefängnis ist keine Strafe. Die wahre Strafe ist, was Du mit Dir selbst machst. Kann über die Bestrafung der Täter hinaus Bewegung in dieses System kommen? Das eingangs erwähnte Beispiel des Hochsicherheitsgefängnisses Green Bay in Wisconsin verdeutlicht, dass ein Reden miteinander möglich ist. Zwar treffen auch hier nicht die Täter auf die Angehörigen der Opfer ihrer eigenen Tat, aber in einem größeren Kreis von etwa 30 Häftlingen und einer ebenso starken Gruppe von Betroffenen kommen sie ins Gespräch. Dadurch erfährt der Zuschauer, dass nicht nur die Angehörigen der Opfer, sondern auch die Täter unter den Auswirkungen ihrer Taten leiden: Ich leide jeden Tag unter dem Wissen, dass ich meine Tat nicht rückgängig machen kann, heißt es etwa seitens eines der Täter. Durch diese Annäherung, durch die gemeinsame Verarbeitung der Tat stößt Beyond Punishment denn auch auf seinen Kern: Was bedeutet eigentlich vergeben? Große Versöhnungsgesten darf der Zuschauer in Siegerts Film zwar nicht erwarten. Aber ein Wille, das Geschehene besser zu verstehen, die Suche nach Verarbeitung des Schmerzes und dadurch auch nach Versöhnung das macht Beyond Punishment schon deutlich. |
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