THE GOOD LIE – DER PREIS DER FREIHEIT | The Good Lie
Filmische Qualität:   
Regie: Philippe Falardeau
Darsteller: Reese Witherspoon, Arnold Oceng, Ger Duany, Emmanuel Jal, Corey Stoll, Kuoth Wiel, Femi Oguns
Land, Jahr: USA 2014
Laufzeit: 106 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
Auf DVD: 5/2015


José García
Foto: filmracket

Die nicht enden wollenden Flüchtlingsströme vor dem Eindringen des „Islamischen Staats“ in Syrien und den Irak haben in letzter Zeit die Menschen aus den Schlagzeilen verdrängt, die in Afrika ebenfalls auf der Flucht sind. Noch heute fliehen Abertausende im nördlichen Nigeria und Kamerun vor der islamistischen Terrororganisation „Boku Haram“, in Zentralafrika vor den Rebellengruppen „Seleka“ sowie im Süd-Sudan und Eritrea vor den Unruhen zwischen einzelnen Rebellengruppen. So sind zurzeit laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR mehr als 560 000 Süd-Sudanesen auf der Flucht.

Im Süd-Sudan, das seit 2011 als eigenständiger Staat vom Sudan unabhängig wurde, wütete 1983 der Bürgerkrieg, nachdem Präsident an-Numairi im ganzen Land die Scharia einführte. Dies bildet den historischen Hintergrund für den US-amerikanischen Spielfilm „The Good Lie – Der Preis der Freiheit“, der gerade als DVD veröffentlicht wurde. Der Film von Margaret Nagle (Drehbuch) und Philippe Falardeau (Regie) beginnt denn auch mit der Schrifttafel „1983. Bürgerkrieg in Sudan. Ein Krieg um Religion und Bodenschätze.“ Zu den zahlreichen Dörfern, die von Regierungs-Streitkräften und Milizen zerstört werden, gehört auch Bahr al-Ghazal. Die ersten Filmbilder zeigen ein friedliches Dorf, in dem überall Kinder toben. Plötzlich greift ein Hubschrauber an, dem Reiter folgen. Das Dorf wird dem Boden gleichgemacht, dessen Bewohner getötet. Lediglich ein paar Kinder bleiben am Leben. Es handelt sich wohl um Christen. Denn zu den ganz wenigen Dingen, die sie noch besitzen, gehört eine Bibel.

„The Good Lie – Der Preis der Freiheit“ besteht aus zwei beinahe voneinander unabhängigen Teilen. In der ersten Hälfte folgt die Kamera dem unglaublichen Marsch einer Kindergruppe in Richtung Süden – bis ins 920 Kilometer entfernte Kenia. Überall sind die Verwüstungen des Krieges zu sehen. Zwischenzeitlich schließen sie sich einer langen Menschenkolonne in der Wüste an. Als sie als Einzige einen Fluss überqueren, retten sie sich vor den marodierenden Soldaten. Im Laufe ihres Gewaltmarsches verlieren sie immer wieder Begleiter, bis schließlich vier Kinder das Flüchtlingslager Kakuma in Kenia erreichen: Mamere und seine Schwester Abital, sowie Jeremiah und Paul. Mameres und Abitals Bruder Theo wird auf der Flucht gefangen genommen.

Im Flüchtlingslager verbringen die Vier die nächsten 13 Jahre in der Hoffnung, von einem westlichen Land aufgenommen zu werden – bis ihnen die Einreise in die Vereinigten Staaten gewährt wird. Sie gehören zu den 3 600 „Lost Boys aus dem Sudan“. Inzwischen sind aus den einstigen Kindern junge Erwachsene geworden, die einen ersten Schock verarbeiten müssen: Bei ihrer Ankunft werden sie getrennt. Die drei Männer – Mamere (Arnold Oceng), Jeremiah (Ger Duany) und Paul (Emmanuel Jal) – sollen nach Kansas City, während Abital (Kuoth Wiel) zu einer Familie nach Boston geschickt wird. Nun folgt der Kulturschock, beispielsweise im Umgang mit Carrie Davis (Reese Witherspoon), einer jungen Angestellten der Arbeitsvermittlung, die ihnen bei der Jobsuche helfen soll. Allerdings muss sie den drei Sudanesen auch noch Anderes beibringen, etwa wie ein Telefon bedient wird. Etwas schwieriger wird es, als sie den jungen Afrikanern zu erklären versucht, warum sie nicht verheiratet ist und eine Familie hat, sondern lieber ein unabhängiges Leben führen will.

Das Aufeinandertreffen der Kulturen veranlasst witzige, aber auch nachdenkliche Augenblicke, etwa als einer der drei jungen Männer den Drogen verfällt. Darüber hinaus bleibt der Trennungsschmerz von Abital, den Telefonate nicht überwinden können, sowie die Frage, die immer wieder insbesondere an Mamere nagt, ob sein auf der Flucht gefangen genommener Bruder Theo noch lebt. Dafür nimmt er sogar eine Reise in die Vergangenheit, ins Flüchtlingslager Kakuma, in Kauf. Aber auch Carrie verändert sich im Umgang mit den herzensguten, im Dschungel einer westlichen Stadt mitunter verlorenen jungen Sudanesen.

Reese Witherspoon, die 2005 für „Walk the Line“ den Oscar als Beste Hauptdarstellerin gewann und dieses Jahr für „Der große Trip – Wild“ nominiert wurde, nimmt sich angenehm zurück, so dass die eigentlichen Hauptfiguren Platz zur Entfaltung erhalten. Regisseur Philippe Falardeau setzt bei der Auswahl seiner Schauspieler auf Authentizität: Emmanuel Jal wurde in der Region Bahr al-Ghazal geboren, in der „The Good Lie – Der Preis der Freiheit“ beginnt. Er wurde zum Kindersoldat gezwungen, ehe er fliehen konnte. Emmanuel Jals Lebensweg vom Kindersoldaten in Sudan zum bekanntesten „Hip-Hop“-Star Afrikas erzählte der Dokumentarfilm „War Child“, der während der Berlinale 2008 gezeigt wurde. Der ebenfalls im Südsudan geborene Ger Duany wurde ebenso als Kindersoldat rekrutiert während des zweiten sudanesischen Bürgerkriegs. Und Kuoth Weils Mutter stammt ebenfalls aus Sudan. Ihr Vater starb während des Kriegs im Sudan im Jahre 1993, ehe sie 1998 in die Vereinigten Staaten auswandern konnte.

Regisseur Falardeau gelingt es darüber hinaus, trotz der vielen Momente, die dazu hätten verleiten können, seinen Film nicht ins Sentimentale kippen zu lassen. Gerade weil vieles trocken-nüchtern erzählt wird, wirken die Entwurzelung der jungen Sudanesen und das Unverständnis für den Werteverlust etwa des Familienzusammenhalts in den Vereinigten Staaten echt.
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