LIEBE SEINES LEBENS, DIE | The Railway Man
Filmische Qualität:   
Regie: Jonathan Teplitzky
Darsteller: Colin Firth, Nicole Kidman, Jeremy Irvine, Stellan Skarsgård, Hiroyuki Sanada, Sam Reid, Tanroh Ishida
Land, Jahr: Australien/Großbritannien 2013
Laufzeit: 106 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 6/2015


José García
Foto: Studiocanal

In einem Veteranenclub in England treffen sich im Jahre 1980 ehemalige britische Soldaten, die – wie sich herausstellen wird – während des Zweiten Weltkriegs in japanische Gefangenschaft gerieten. Wenig später lernt einer dieser Veteranen, Eric Lomax (Colin Firth), bei einer Zugfahrt die ehemalige Krankenschwester Patti (Nicole Kidman) kennen. Sie kommen ins Gespräch, wobei er sich als „Eisenbahn-Enthusiast“ vorstellt. Bald darauf heiraten sie. Aber „Die Liebe seines Lebens“ ist trotz des unglücklich gewählten deutschen Verleihtitels kein Liebesfilm. Denn noch in der Hochzeitsnacht wird Eric von Albträumen geplagt: Ein japanischer Offizier zerrt ihn ins Grauen der Vergangenheit. Das im Krieg Erlittene ist Jahrzehnte später für Eric immer noch nicht abgeschlossen. Der auf der 1996 erschienenen Autobiografie „The Railway Man“ von Eric Lomax basierende Spielfilm von Jonathan Teplitzky handelt eigentlich von der Verarbeitung einer traumatischen Vergangenheit sowie vom Prozess der Vergebung und Versöhnung.

Weil Patti ihren sich immer mehr verschließenden Ehemann nicht wiedererkennt, versucht sie herauszufinden, woher diese Qualen kommen. Sie wendet sich an Erics besten Freund, seinen ehemaligen Offizier Finlay (Stellan Skarsgaard), den Eric „Onkel“ nennt. Nach anfänglichem Zögern, weil zwischen den ehemaligen Kriegsgefangenen eine Art Schweigegesetz gilt, erzählt ihr Finley doch noch von der japanischen Kriegsgefangenschaft. Nun zeigt der Film in einer langen Rückblende diese Zeit des Leidens: Im Jahre 1942 muss Eric als junger Mann (nun gespielt von Jeremy Irvine) zusammen mit Finley und anderen britischen Soldaten als Kriegsgefangener beim Bau der großen Eisenbahnstrecke von Thailand nach Burma am legendären Kwai-Fluss mithelfen. „Wir werden Zeugen des Untergangs des Britischen Empires“, bemerkt einer der Soldaten. Eric weiß zwar: „Die größten Eisenbahnstrecken wurden von Migranten gebaut. In den Vereinigten Staaten waren es chinesische Einwanderer, in Großbritannien irische Streckenarbeiter“. Dennoch empfindet er die Arbeiten an dieser Eisenbahnstrecke, bei denen Zehntausende von britischen, niederländischen und US-amerikanischen Kriegsgefangenen, aber auch von koreanischen und japanischen Zwangsarbeitern starben, als ein Akt der Unmenschlichkeit und Grausamkeit.

Besonders traumatisch wird die Kriegsgefangenschaft für Eric, als er dabei ertappt wird, ein heimlich gebautes Radio zu benutzen. Der junge Funker wird zwei Jahre lang vom japanischen Offizier Nagase (Tanroh Ishida) gefoltert. Diese Erlebnisse hat vierzig Jahre später Eric Lomax noch immer nicht vergessen. Nun, da er in Rente ist, möchte Lomax an ihrem einstigen Peiniger endlich Rache nehmen. Finley hat einen japanischen Zeitungsartikel übersetzen lassen, der von Nagase handelt. Eric entschließt sich, nach Thailand zu fliegen und Nagase (nun von Hiroyuki Sanada dargestellt) zur Rede zu stellen.

Basierend auf der Autobiografie von Eric Lomax verknüpft Jonathan Teplitzky Gegenwart und Vergangenheit miteinander. Allerdings wirkt das Wechseln von der einen in die andere Zeitebene häufig willkürlich, ja die Erzählung mäandert oft. Sie stößt erst spät zum Kern vor, um dann die eigentliche Vergebung schnell in Szene zu setzen und den Rest der Geschichte, die ja bis zum Tod von Nagase (2011) und Lomax (2012) weiterging, dem Nachspann mit den Fotos der echten Takashi Nagase und Eric Lomax zu überlassen. Eine schwer nachvollziehbare dramaturgische Entscheidung für einen Film, der von Vergebung und Versöhnung erzählen soll. An den Bildern und am Schauspiel insbesondere des Hauptdarstellers Colin Firth liegt es indessen nicht, dass „Die Liebe seines Lebens“ beim Zuschauer das zwiespältige Gefühl hervorruft, dass Jonathan Teplitzky eigentlich eine emotional berührende, allgemein gültige Geschichte erzählt, die mit einigen Ausnahmen jedoch nicht zu berühren vermag. Die von Kameramann Garry Phillips eingefangenen Bilder besitzen eine teils epische Anmutung: In der in der Gegenwart angesiedelten Zeit dominieren eher gedämpfte Töne, während die Aufnahmen in Thailand während des Krieges kräftige Farben aufweisen. Darüber hinaus nimmt sich die Kamera bei der Inszenierung von Grausamkeiten glücklicherweise zurück. Dennoch lässt ein Vergleich mit dem thematisch verwandten Klassiker „Die Brücke am Kwai“ (David Lean, 1957) erkennen, dass „Die Liebe seines Lebens“ nicht dessen dramaturgische Dichte erreicht.

Teplitzkys Film lebt größtenteils von der schauspielerischen Leistung von Colin Firth. Unabhängig davon, dass er für diese Rolle zu jung erscheint – der 1919 geborene Eric Lomax war 1980, als der Film ansetzt, bereits über 60 Jahre alt –, gelingt es dem britischen Mimen, wie bereits etwa in „The Kings Speech“ (Tom Hooper, 2010), mit minimalen mimischen Mitteln seinen Seelenzustand auszudrücken. Trotz oder gerade wegen der wenigen Emotionen macht Firth die Qualen deutlich, die Eric Lomax Jahrzehnte nach seiner Kriegsgefangenschaft noch immer heimsuchen.

Trotz dieser positiven Seiten bleibt der Nachgeschmack, dass die Liebes-Rahmenhandlung, die ja im deutschen Verleihtitel zum Ausdruck kommt, das eigentliche Sujet von Teplitzkys Film zu sehr in den Hintergrund drängt. Die „Liebe seines Lebens“ nimmt viel zu viel Filmzeit in Anspruch, um dem Thema der Versöhnung zwischen Tätern und Opfern genügend Platz zur Entfaltung zu lassen. Dennoch regt Teplitzkys Films teilweise zum Nachdenken an, besonders mit dessen Schlusswort: „Irgendwann einmal muss der Hass ein Ende haben“.
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