ABOUT A GIRL | About A Girl
Filmische Qualität:   
Regie: Mark Monheim
Darsteller: Jasna Fritzi Bauer, Heike Makatsch, Aurel Manthei, Simon Schwarz, Sandro Lohmann, Lauritz Greve, Dorothea Walda, Nikolaus Frei, Amelie Plaas-Link
Land, Jahr: Deutschland 2014
Laufzeit: 105 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 8/2015


José García
Foto: NFP

Die fast 16-jährige Charleen (Jasna Fritzi Bauer) hat an ihrem Leben schwer zu tragen. Der schöne Zeichentrick-Vorspann, in dem ihre Familie vorgestellt wird, gibt ihr Leben auf etwas verzerrende Sicht wieder, wie später zu erfahren sein wird. In der Schule ist Charleen eine Einzelgängerin. Ihre beste, oder vielmehr einzige Freundin Isa (Amelie Plaas-Link) beginnt nun daran zu leiden, dass sich die Jungs immer mehr für sie interessieren. Zu Hause zieht sich Charleen in ihr Zimmer zurück, wo nicht nur Poster von toten Rockstars hängen, sondern sie auch noch eine Polaroid-Sammlung von toten Vögeln und Insekten aufbewahrt. Der morbide Charakterzug führt auch dazu, dass sie ihr Schulpraktikum bei einem Bestattungsinstitut absolviert: „Tote Leute sehen glücklich und zufrieden aus.“ Bereits diese Aussage gibt den Ton des ebenfalls leicht morbiden Humors im Spielfilm „About A Girl“ an. „Wenn man jung stirbt, bleibt man für immer jung“, sagt Charleen irgendwann einmal. Worauf ihr geantwortet wird: „Und auch für immer tot“.

Mit ihrer Familie meint Charleen nichts gemeinsam zu haben („Ich kann nicht mit euch verwandt sein. Gebt endlich zu, dass ich adoptiert bin“). Kein Wunder: Ihre Mutter Sabine (Heike Makatsch) hat sich nach der Pleite ihres Buchladens zu einer hyperaktiven eBay-Verkäuferin mit einem gewissen Kontrollfimmel entwickelt. Der Vater Jeff (Aurel Manthei) verließ die Familie, wobei er seiner Tochter lediglich eine Gitarre hinterließ. Eigenartigerweise lebt er noch immer in einem Auto vor dem Haus der Familie, was zu einer eigenwilligen Patchwork-Situation führt. Denn immer, wenn es brenzlig wird, taucht Jeff selbstverständlich wieder auf – ungeachtet der Tatsache, dass Sabine nun einen „Neuen“ hat, Volker (Simon Schwarz), ausgerechnet Charleens Biologielehrer. Und da wäre noch Charleens Bruder Oscar (Lauritz Greve), der die ganze Zeit mit Computerspielen verbringt und langsam Nerd-Allüren annimmt. Einzig die fromme Oma Emmi (Dorothea Wanda) versteht die Teenagerin. Zu ihr flüchtet sich Charleen an besonders schlimmen, den von ihr sogenannten „Kakao-Tagen“.

Charleens Leben macht ihr so wenig Spaß, dass sie an einem besonders schlimmen Kakao-Tag beschließt, sich das Leben zu nehmen. Der Selbstmordversuch scheitert, und so landet sie mit einem gestauchten Halswirbel im Krankenhaus. Die Mutter verhindert zwar, dass eine Sozialarbeiterin Charleen in die geschlossene Abteilung schickt. Aber eine Therapie bei einem Kinder- und Jugendpsychologen (Nikolaus Frei) muss sie doch noch absolvieren. Der Therapeut stellt sich freilich als genauso kauzig heraus wie das ganze skurrile Figurenpanoptikum, das Regisseur Mark Monheim und Produzent Martin Rehbock in ihrem gemeinsam verfassten Drehbuch präsentieren. Dazu gehört noch, wie mittlerweile zu einer jeden deutschen Komödie, die „obligatorische“ lesbische Freundin.

Die sonst öden Besuche beim Therapeuten haben allerdings eine gute Seite. Denn hier trifft Charleen auf den Klassenstreber Linus (Sandro Lohmann), den sie bislang kaum wahrgenommen hatte. „Er ist irgendwie seltsam. Und ich finde seltsame Leute interessant“, sagt sie. Langsam entdecken die beiden eine gewisse Seelenverwandtschaft. Das Leben könnte also doch für die fast 16-Jährige lebenswert werden. Als so einfach erweist sich dies jedoch wiederum nicht.

Von Selbstmordphantasien einer Jugendlichen handelte auch Mona Achaches Spielfilmdebüt „Die Eleganz der Madame Michel“ (siehe Filmarchiv). Hier bewegt die wunderbare Freundschaft zur 54 Jahre alten verwitweten Concierge Renée Michel die 12-jährige Protagonistin dazu, ihre Selbstmordabsichten beiseitezuschieben. Eine regelrecht als poetisch zu bezeichnende Kameraarbeit, die zurückhaltende Musik, die tiefgründigen Dialoge sowie die Schauspielkunst der Hauptdarstellerinnen machen aus „Die Eleganz der Madame Michel“ einen Filmjuwel.

Ähnlich wie in „Die Eleganz der Madame Michel“ erzählt „About A Girl“ konsequent aus der Sicht der jugendlichen Protagonistin. Ihre Gedanken werden durch Charleens Handlungen visualisiert oder mit einer Off-Stimme kommentiert. Obwohl Jasna Fritzi Bauer und Sandro Lohmann ihre Rollen als verunsicherte Jugendliche glaubwürdig gestalten, wirken die Dialoge manchmal nicht nur altklug, sondern auch etwas gestelzt, gewollt witzig, womit sie die Tiefe der Gespräche in Mona Achaches nicht erreichen.

Regisseur Mark Monheim scheint auch nicht die richtige Balance zu finden zwischen dem Drama einer Jugendlichen, die gegen die eigene Familie, ja gegen das eigene Leben rebelliert, und der Komödie, die ihre Komik größtenteils aus einer Riege absonderlicher Figuren bezieht. Denn im Umkehrschluss erweckt dies den Eindruck, dass die Filmemacher ihre eigenen Figuren nicht sonderlich ernst nehmen. Mark Monheim und Martin Rehbock behandeln zwar tiefgründige Themen. Ihr Film hinterlässt jedoch den Beigeschmack, dass zugunsten einer oberflächlich-komödiantischen Leichtigkeit die beabsichtigte Tiefe auf der Strecke bleibt. Dass „About A Girl“ dennoch einen Nerv unserer Zeit trifft, zeigt sich an verschiedenen Auszeichnungen. Nicht nur die „Deutsche Film- und Medienbewertung Wiesbaden“ vergab dem Film das Prädikat „besonders wertvoll“. Darüber hinaus wurde „About A Girl“ mit dem Bernhard Wicki-Preis und dem NDR-Nachwuchspreis beim Internationalen Filmfest Emden-Norderney 2015 ausgezeichnet. Außerdem erhielt Jasna Fritzi Bauer für ihre Rolle den Bayerischen Filmpreis 2014 als beste Nachwuchsschauspielerin.
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