ICH & KAMINSKI | Ich & Kaminski
Filmische Qualität:   
Regie: Wolfgang Becker
Darsteller: Daniel Brühl, Jesper Christensen, Amira Casar, Geraldine Chaplin, Dennis Lavant, Bruno Cathomas, Jördis Triebel
Land, Jahr: Deutschland/Belgien 2015
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S +
im Kino: 9/2015
Auf DVD: 2/2016


José García
Foto: X-Verleih

Der überaus selbstbewusste Kunstjournalist Sebastian Zöllner (Daniel Brühl) wird nicht gerade vom Glück verwöhnt. Seine Freundin Elke (Jördis Triebel) hat ihn aus ihrer Wohnung hinausgeworfen, und beruflich hat er noch nichts Nennenswertes zustande gebracht. Kurz vor der Jahrtausendwende möchte Zöllner aber endlich berühmt werden. Dazu ist ihm eine glänzende Idee gekommen: Er will eine Biografie über den (fiktiven) fast vergessenen Maler Manuel Kaminski (Jesper Christensen) schreiben, der einst mit Picasso und Matisse verkehrte. Für Kaminskis Bekanntheit spielte eine besondere Rolle, dass er erblindete und dann eine „Blinden-Serie“ schuf. Zwar nimmt die Öffentlichkeit den inzwischen zurückgezogen lebenden Maler kaum noch wahr. Wenn der Hochbetagte aber bald stirbt – so das Kalkül des skrupellosen Journalisten – wird wohl Kaminskis Biografie sehr gefragt sein. Sebastian Zöllner hat sich insbesondere vorgenommen herauszufinden, ob Kaminskis Blindheit echt oder nur vorgetäuscht ist, um sich mit der Aura des „blinden Malers“ zu umgeben und so den eigenen Marktwert zu erhöhen. Mit einer guten Portion Dreistigkeit verschafft sich Zöllner Zugang zu Kaminskis Chalet in der Schweiz. Dazu muss er mehrere Hindernisse überwinden und vor allem den Widerstand von Kaminskis Tochter Miriam (Amira Casar) brechen. Um mit Kaminski unter vier Augen sprechen zu können, besticht Zöllner die Haushälterin. Als er das ganze Haus durchsucht, findet der Journalist das geheim gehaltene Spätwerk des Künstlers sowie Kaminskis private Korrespondenz. Dadurch erfährt Zöllner von der großen Liebe und einstiger Muse des Malers, Therese (Geraldine Chaplin) und findet heraus, wo sie heute noch lebt. Weil Kaminski Therese unbedingt noch einmal sehen will, ergreift der Journalist die Gelegenheit, sich mit ihm auf eine Reise quer durch Europa zu begeben, bei der er dem Maler seine Geheimnisse entlocken will. Allerdings muss er bald feststellen, dass der Alte ihm in Sachen Manipulation in nichts nachsteht.

Mit „Ich & Kaminski“ adaptiert Drehbuchautor und Regisseur Wolfgang Becker, der mit „Good Bye, Lenin!“ (2003) international bekannt wurde, seitdem aber nicht mehr auf dem Regiestuhl Platz genommen hatte, Daniel Kehlmanns gleichnamigen Roman. Wolfgang Becker unterteilt seinen Film in acht Kapitel. Im Gespräch mit dem Rezensenten führt Becker dazu aus: „Die meisten Filme bauen auf einer Dreiaktigkeit auf. Bei der Adaption stellte ich jedoch fest, dass diese Konstruktion für dieses Projekt völlig untauglich ist. Daher entschied ich mich, den Film in Kapiteln zu erzählen, was aber nichts mit Buchkapiteln zu tun hat. Im Film sind es acht Kapitel, die acht Bögen der Geschichte bilden. Sie erlauben auch, zwischen ihnen die Tonart zu variieren. Jedes Kapitel besitzt eine Überschrift, ein Thema, was mit der Vielschichtigkeit der Thematik zu tun hat. Analog zum Roman ist der Film nicht monothematisch wie viele Mainstream-Filme, die oft um einen einzigen Konflikt kreisen. Der Film unterscheidet sich in vieler Beziehung von dem üblichen Schema der Konfliktstellung, Durchführung und Lösung. Es gibt am Ende nicht mal eine Katharsis.“ Zu den Kunstmitteln des Filmes gehören auch Rückblenden und imaginierte Passagen, in denen Filmbilder in Gemälde übergehen und umgekehrt.

„Ich & Kaminski“ zeichnet sich durch eine internationale Besetzung aus. Dazu gehören nicht nur der Däne Jesper Christensen, sondern auch der Franzose Denis Lavant, die in England geborene, aber ebenso in Frankreich arbeitende Amira Casar sowie die eigentlich in Kalifornien geborene Geraldine Chaplin, die freilich im Laufe ihrer fünfzigjährigen Schauspiel-Karriere in verschiedenen Sprachen gedreht hat. Überraschen mag es, dass die Rolle des hemmungslos sich überschätzenden Kunstjournalisten, der für eine Story über Leichen geht, mit Daniel Brühl besetzt wird, der eher als „Liebling der Nation“, nicht nur in Beckers „Goodbye, Lenin!“, bekannt ist. Brühl bemüht sich sichtlich, gegen sein Image anzuspielen, wobei die häufig eingesetzte Off-Stimme seine frech-manipulative Art unterstützt. Jesper Christensen gelingt es, Kaminski als gebrechlichen, aber durchaus wachen und hinterlistigen Mann glaubwürdig darzustellen.

Mit einem satirischen Ton erzählt „Ich & Kaminski“ von einem subtilen Kampf zwischen zwei Meistern der Manipulation, wer wen eigentlich manipuliert. Dies erzeugt Spannung und Komik zugleich. Dazu führt Wolfgang Becker aus: „Sebastian Zöllner ist ein skrupelloser, eitler, sich selbst überschätzender Journalist. Noch bevor wir Kaminski im Film überhaupt kennenlernen, tut uns der alte Mann schon leid. Im Laufe des Films entpuppt er sich allerdings als ebenbürtiger Partner. Die anfängliche Angst, Zöllner könnte ihn für seine Zwecke nach Belieben instrumentalisieren, verflüchtigt sich dann nach und nach. Für mich war es besonders reizvoll, von zwei Menschen zu erzählen, die am Anfang so unterschiedlich wie nur möglich wirken, am Ende sich aber doch viel ähnlicher sind, als man und sie selbst je gedacht hätten.“

„Ich & Kaminski“ verknüpft die satirische Komödie mit einem Roadmovie durch halb Europa und insbesondere auch mit einem spannenden Zweikampf zwischen zwei auf den ersten Blick verschiedenen Persönlichkeiten, die sich aber in der Wahl ihrer Mittel immer mehr angleichen.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren