FAMILIENFEST | Familienfest
Filmische Qualität:   
Regie: Lars Kraume
Darsteller: Günther Maria Halmer, Hannelore Elsner, Michaela May, Lars Eidinger, Jördis Triebel, Barnaby Metschurat, Marc Hosemann, Nele Mueller-Stöfen, Daniel Kraus
Land, Jahr: Deutschland 2014
Laufzeit: 89 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2015
Auf DVD: 3/2016


José García
Foto: Julia von Vietinghoff

Zum 70. Geburtstag des ehemals berühmten Pianisten Hannes Westhoff (Günther Maria Halmer) reisen nicht nur seine drei Söhne Max (Lars Eidinger), Gregor (Marc Hosemann) und Frederik (Barnaby Metschurat) an. Anne (Michaela May), die zweite Frau von Hannes, hat auch deren Mutter Renate (Hannelore Elsner) eingeladen. Obwohl Anne alles für eine entspannte Stimmung tut, entlädt sich im Vorfeld der eigentlichen Geburtstagsfeier allerlei Sprengstoff: Gregor ist wie immer finanziell klamm und versucht, von seinem Vater Geld zu bekommen. Frederik bringt erstmals seinen Lebensgefährten Vincent (Daniel Kraus) nach Hause, und will, dass sein Vater seine Homosexualität akzeptiert. Was in der Familie niemand weiß: Max ist schwer erkrankt. Zum Familienfest lädt er spontan Krankenschwester Jenny (Jördis Treibel) ein, die kurzentschlossen zusagt.

Nach einem Drehbuch von Andrea Stoll und Martin Rauhaus bietet Regisseur Lars Kraume das Bild einer Familie, in der sich im Laufe der Zeit allerlei Konflikte aufgestaut haben. Der Narzissmus des Vaters duldete keine zweite künstlerische Begabung neben sich, was zum Bruch mit seiner Frau, der Schriftstellerin Renate, führte. Auch das Verhältnis zu seinen Söhnen litt darunter, da für Hannes offenbar die Familie immer eine untergeordnete Rolle spielte. Zwar sieht der Zuschauer „Familienfest“ vorwiegend aus der Sicht des ältesten Sohnes Max. Als Außenstehende bietet aber eher Jenny die Identifikationsfläche für den Zuschauer, der komische, nachdenkliche und auch tragische Augenblicke im Leben der Familie miterlebt. Denn die Erkrankung des ältesten Sohnes Max bringt die Familie in eine Extremsituation. Ähnlich in Lars Kraumes früherem Film „Meine Schwestern“ (DT vom 8.2.2014) führt diese existenzielle Bedrohung die Familie dazu, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Ein großartig gespielter, berührender Film.


Interview mit Regisseur Lars Kraume

In der Regel schreiben Sie selbst die Drehbücher zu Ihren Filmen. Bei „Familienfest“ verfilmen Sie aber ein fertiges Drehbuch. Worin besteht der Unterschied?

Der Unterschied ist in diesem Fall nicht besonders gravierend. Ich mache seit 18 Jahren Filme. In dieser Zeit habe ich zwei Drehbücher bekommen, die gut waren. Das eine war „Guten Morgen, Herr Grothe“ (2007), das andere „Familienfest“. Als ich das Buch zu „Familienfest“ las, dachte ich: Ich verstehe die Geschichte, ich interessiere mich für die Figuren, ich habe die Dialoge von Anfang an geliebt. Ich fand es unterhaltsam, berührend, humorvoll und interessant. Deshalb habe ich beim Drehen nur bei ganz kleinen Sachen etwas verändert.

Waren Sie auch bei der Auswahl der Schauspieler beteiligt, oder wurden sie schon vorher gecastet?

Das Casting ist immer ein ganz wichtiger Arbeitsschritt für einen Regisseur. Die Besetzungsideen habe ich mit den Produzenten und dem beteiligten Fernsehsender, vor allem aber mit Casterin Nina Haun ausgetauscht. Hannelore Elsner kannte allerdings bereits vor mir das Buch. Sie war gesetzt. Aber sie war die perfekte Besetzung für die Rolle der Renate Westhoff. Bei Günter Maria Halmer hätte die Gefahr bestehen können, dass er Schärfe aus der Figur herausnimmt, um sie sympathischer zu machen. Aber er hat sofort verstanden, wie er Hannes zu spielen hatte – mit uneitler Direktheit.

Ist Hannes Westhoff ein Zyniker oder ein eitler Mensch? Wie würden Sie ihn beschreiben?

Hannes Westhoff ist ein Künstler, dessen Höhepunkt lange hinter ihm liegt. Der Narzissmus, den der Künstler braucht, und die Rückkopplung durch den Erfolg bedeuten eine Art Korruption. Es gibt kein größeres Suchtmittel als den Erfolg. Wenn aber der Erfolg abreißt und die Menschen älter werden und feststellen, dass sie ihre Familie vernachlässigt haben, kann es zum Zynismus oder Selbsthass kommen. Hannes war egozentrisch. Er hat bis heute nicht verstanden, dass sich nicht alles um ihn dreht. „Familienfest“ erzählt, wie er in 48 Stunden rund um seinen 70. Geburtstag erstmals versteht, dass er seinen Kindern mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen muss.

Ist die Hauptfigur Hannes oder eher Max, aus dessen Sicht der Zuschauer den Film erlebt?

Eigentlich handelt es sich um einen Ensemblefilm, in dem verschiedene Geschichten aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden, in dem alle Figuren Raum haben. Müsste ich eine Hauptfigur benennen, dann wäre sie Max. Denn er durchläuft die stärksten Veränderungen. Er bricht diese Familie auf, er ist die Energie, die am stärksten einwirkt.

In „Meine Schwestern“ erzählten Sie von drei Schwestern, nun von drei Brüdern. Bei beiden Filmen geht es um die Reaktionen der Familie in einer Extremsituation...

Die Grundsituation ist in beiden Filmen vergleichbar. In beiden geht es um eine existenzielle Situation. Durch die Bedrohung des Todes wird die Familie auf den Prüfstein gestellt. Angesichts dieser existenziellen Bedrohung müssen sie sich überlegen, was wirklich wichtig ist. Alle müssen lernen, überhaupt miteinander zu reden.

Renate, die Mutter der drei Söhne, könnte nicht gegensätzlicher sein als Anne, die zweite Frau von Hannes. In welcher Beziehung stehen sie zueinander?

Als Künstlerin, als Schriftstellerin, konnte sich Renate unter dem dominanten Schatten des Pianisten Hannes nicht entwickeln. Deshalb ging sie weg. Nun hat Hannes eine zehn Jahre jüngere Frau, Anne, geheiratet. Fast als Hausangestellte organisiert sie sein Leben, und sie tut es mit großer Hingabe und Liebe. Sie hat den Platz eingenommen, den der Chauvinist seiner Frau eingeräumt hat und den Renate nie einnehmen konnte. Anne versucht, mit viel Duldsamkeit diese Familie zusammenzuhalten. Die zwei Frauen sind wie Schneeweißchen und Rosenrot, gegensätzliche Pole. Sie wissen, dass die jeweils andere etwas hat, was sie selber nicht haben. Deshalb versuchen sie, irgendwie miteinander klarzukommen.

Ist Anne die einzige positive Figur in dem Film?
Die von Jördis Triebel gespielte Jenny auch. Als Unbeteiligte schaut Jenny wie der Zuschauer auf diese Familie und deren Exzentrik. Sie reibt sich die Augen, was in dieser Familie los ist. Zwischen Anne und Jenny gibt es eine sehr schöne Szene, als Jenny zu Anne sagt: „Ich bewundere, wie Sie das alles machen“. Anne nimmt diese Fremde in den Arm und fängt an zu weinen, weil sie ihre Leistung für die Familie honoriert. Es sind die beiden normaleren Figuren.

Bei aller Ungewöhnlichkeit dieser Familie: Was kann der Zuschauer aus dem Film mitnehmen?

Der Zuschauer erlebt 48 Stunden im Leben der Familie Westhoff. Im Kino sitzt neben ihm ein fremder Mensch, der an denselben Stellen lacht und weint wie er selbst. Man teilt unausgesprochen mit anderen Menschen das Wissen, dass sich alle in der Familie bemühen müssen, damit man zusammen bleibt. Das ist ein sehr tröstender Moment. Zur Premiere des Filmes auf dem Filmfest München kam meine ganze Familie. Kurz vor der Aufführung hatte es großen Streit gegeben. Nach dem Film war der Streit wie weggeblasen, weil „Familienfest“ einen außergewöhnlichen, existenziellen Augenblick greift, in dem der Tod am Ende des Tages alle anderen Probleme klein macht. Wenn man realisiert, dass die Zeit begrenzt ist, hat der Film eine kathartische Wirkung.

Sehen Sie „Familienfest“ also als ein hoffnungsvoller Film?

Ja. Ich finde, dass der Film diesen großartigen Effekt hat. Ich hatte einen Freund, der als Erwachsener in einem endlosen Kampf mit ihrem Vater stand. Auf einmal war aber der Vater tot. Erst dann merkte er, dass es viel schlimmer ist, weil er sich nicht mehr auseinandersetzen kann. Der Film hilft, sich wieder darüber Gedanken zu machen.
Zum 70. Geburtstag des ehemals berühmten Pianisten Hannes Westhoff (Günter Maria Halmer) reisen nicht nur seine drei Söhne Max (Lars Eidinger), Gregor (Marc Hosemann) und Frederik (Barnaby Metschurat) an. Anne (Michaela May), die zweite Frau von Hannes, hat auch deren Mutter Renate (Hannelore Elsner) eingeladen. Obwohl Anne alles für eine entspannte Stimmung tut, entlädt sich im Vorfeld der eigentlichen Geburtstagsfeier allerlei Sprengstoff: Gregor ist wie immer finanziell klamm und versucht, von seinem Vater Geld zu bekommen. Frederik bringt erstmals seinen Lebensgefährten Vincent (Daniel Kraus) nach Hause, und will, dass sein Vater seine Homosexualität akzeptiert. Was in der Familie niemand weiß: Max ist schwer erkrankt. Zum Familienfest lädt er spontan Krankenschwester Jenny (Jördis Treibel) ein, die kurzentschlossen zusagt.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren