BRIDGE OF SPIES – DER UNTERHÄNDLER | Bridge of Spies
Filmische Qualität:   
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Tom Hanks, Austin Stowell, Mark Rylance, Amy Ryan, Alan Alda, Sebastian Koch, Burghart Klaußner, Michael Schenk
Land, Jahr: USA 2015
Laufzeit: 142 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 11/2015
Auf DVD: 4/2016


José García
Foto: 20th Century Fox

Die Glienicker Brücke verbindet nicht nur die Städte Berlin und Potsdam. In den Jahrzehnten der deutschen Teilung trennte sie auch Ost und West – ein Metallband in der Brückenmitte erinnert heute an den Grenzverlauf sowie an die Aufhebung der Teilung. Die Brücke, die seit dem Mauerbau nur noch von alliierten Militärs und Diplomaten passiert werden durfte, wurde am Tag nach dem Mauerfall, am 10. November 1989, wieder für jedermann geöffnet. Besondere Berühmtheit erlangte die Glienicker Brücke während des Kalten Krieges als „Agentenbrücke“. Denn hier fanden zwischen 1962 und 1986 drei Austauschaktionen mit insgesamt 40 Personen statt. Auf Englisch wurde die „Agentenbrücke“ als „Bridge of Spies“ („Brücke der Spione“) bekannt.

„Bridge of Spies – Der Unterhändler“ heißt denn auch der nun im regulären Kinoprogramm anlaufende Film von Steven Spielberg nach einem Drehbuch von Matt Charman, Ethan Coen und Joel Coen. Der Untertitel „Der Unterhändler“ weist bereits darauf hin, dass die Handlung den Unterhändler auf US-amerikanischer Seite, den New Yorker Rechtsanwalt James B. Donovan, in den Mittelpunkt stellt. Daher setzt das Drehbuch einige Jahre vor dem ersten Agentenaustausch ein. Die erste Stunde von „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ spielt ja nicht in der inzwischen von einer Mauer geteilten deutschen Stadt, sondern in New York.

In der US-amerikanischen Metropole gelingt dem FBI im Jahre 1957 in einer Atmosphäre der Paranoia, in der überall Kommunisten und sowjetische Agenten vermutet werden, ein regelrechter Sensationserfolg: Nach offenbar langer Observierung wird der in New York lebende Sowjet-Agent Rudolf Abel (Mark Rylance) verhaftet. Abel, der der Informationsübermittlung an die Sowjetunion beschuldigt wird, verhält sich bei der Festnahme und bei den Verhören vollkommen ruhig, verweigert jedoch jede Kooperation mit den US-Behörden. Die amerikanische Justiz besteht darauf, dass der Prozess gegen Abel fair abläuft, was auch bedeutet, dass ihm ein fähiger Pflichtverteidiger zur Seite gestellt wird. Die Wahl der Rechtsanwaltskammer fällt auf den damals 40-jährigen James B. Donovan (Tom Hanks), der zwar derweil als Versicherungsanwalt arbeitet, aber 1945 als Assistent des amerikanischen Hauptanklagevertreters Robert H. Jackson an den Nürnberger Prozessen teilgenommen hatte. Obwohl der Seniorpartner in der Anwaltskanzlei Thomas Watters (Alan Alda) ihn davon abzuhalten versucht, übernimmt Donovan die Verteidigung von Rudolf Abel, was ihm den öffentlichen Zorn und auch einen Angriff gegen seine Familie einhandelt. James Donovan verliert zwar den Prozess, erreicht aber vor dem Obersten Gericht der Vereinigten Staaten, dass Abel nicht auf dem elektrischen Stuhl landet.

Fünf Jahre später erweist sich Rudolf Abel als besonders geeignet für einen Austausch gegen den abgestürzten U-2-Piloten Francis Gary Powers (Austin Stowell), der in der Sowjetunion festgehalten wird. James B. Donovan erhält von der CIA den Auftrag, als „Privatperson“ den Austausch mit den „Russen“ zu verhandeln. Ort der Verhandlung: Das geteilte Berlin. Denn kurz bevor der Rechtsanwalt in der ehemaligen Reichshauptstadt ankommt, wird die Berliner Mauer hochgezogen. Dabei gerät der amerikanische Student Frederic Pryor (Will Rogers) auf der falschen Seite der Mauer in Gefangenschaft. Donovan muss sich zunächst einmal mit den unterschiedlichen Zuständigkeiten zurecht finden: Für die DDR, die Pryor gefangen hält, verhandelt Rechtsanwalt Wolfgang Vogel (Sebastian Koch), für die für Powers zuständige Sowjetunion Ivan Schischkin (Mikhail Gorevoy), der sich als Beamter der sowjetischen Botschaft ausgibt, in Wahrheit aber ein hochrangiger KGB-Agent ist. Dennoch lässt sich der New Yorker Anwalt nicht beirren: Er möchte auf jeden Fall Abel gegen die beiden, gegen Powers und Pryor, austauschen.

Wie bereits in seinen früheren Filmen von „Schindlers Liste“ (1993) über „München“ (2005) bis „Lincoln“ (2012) rekonstruiert Steven Spielberg akribisch die Zeit, in der „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ angesiedelt ist. Der Film stellt etwa auch die berühmten Szenen nach, in denen sich Menschen aus den Fenstern der Häuser an der Bernauer Straße in den Westen fallen lassen. Mit großen Augen sieht etwa Donovan, in einer S-Bahn sitzend, wie auf fliehende Menschen am Maschendrahtzaun geschossen wird. Der stets eloquente Anwalt, der sich mit Verhandlungsgeschick immer aus der Affäre zu ziehen weiß, ist nun sprachlos.
„Bridge of Spies“ besteht eigentlich aus zwei verschiedenen Handlungen: Der erste Teil spielt sich als Justizfilm in New York ab, der zweite als Spionagethriller in Berlin. Allerdings setzt „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ nicht auf thriller-mäßige Spannung – diese beschränkt sich eigentlich auf eine einzige Szene am Checkpoint Charlie. Die Dramatik geht eher von der Atmosphäre und den realistischen Handlungsorten aus, die teilweise eine bedrohliche Stimmung erzeugen. Den beiden Bestandteilen des Filmes gemeinsam ist die klassische Inszenierung – wieder einmal ein Kennzeichen Spielbergs –, zu der die atmosphärische Kameraarbeit von Janusz Kaminski wesentlich beiträgt, der seit „Schindlers Liste“ (1993) so gut wie alle Spielberg-Filme fotografiert hat. Trotz eines gewissen Pathos, etwa bei Donovans Rede vor dem Obersten Gericht sowie zum Filmschluss, gelingt es Steven Spielberg wieder einmal, dem Zuschauer „eine wahre Begebenheit“ atmosphärisch dicht und stimmig zu veranschaulichen.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren