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JOSà GARCÃA Foto: Warner Bros. Mit dem weltweiten Kinostart von âDer Herr der Ringe â Die Rückkehr des Königsâ am 17. Dezember wird eines der ehrgeizigsten Projekte der Filmgeschichte abgeschlossen: die Umsetzung des letzten mythologischen Epos der Literaturgeschichte in Filmsprache â gleichsam zu dessen âgoldenen Jubiläumâ, wurde âDer Herr der Ringeâ doch von John Ronald Reuel Tolkien (1982â1973) im Jahre 1954 veröffentlicht. Das in diesem halben Jahrhundert weltweit mehr als 50 Millionen Mal verkaufte Werk wurde wiederholt zum âBuch des zwanzigsten Jahrhundertsâ gewählt. An den Anfang des ersten Filmes âDer Herr der Ringe â Die Gefährtenâ (2001) stellte Regisseur Peter Jackson das Gedicht, das die Vorgeschichte des Einen Ringes enthält. Der vom abgrundtief bösen Herrn von Mordor Sauron geschmiedete Ring, mit dem er uneingeschränkte Macht über die Welt erlangen kann, soll zerstört werden. Dazu muss der Eine Ring in die Tiefen des Orodruin, des Feurigen Berges, in die Schicksalsklüfte geworfen werden, wo ihn Sauron einst goss. Auserwählt zu dieser hoffnungslosen Aufgabe wurde der Hobbit Frodo, der in Begleitung von acht treuen Gefährten, der âGemeinschaft des Ringesâ, nach Mordor aufbrach. Nachdem am Ende des ersten Filmes die Gemeinschaft auseinanderbrach, verfolgte der zweite Teil âDer Herr der Ringe â Die zwei Türmeâ (2002) drei Handlungsstränge parallel: Während sich Aragorn, Gimli und Legolas zusammen mit den Menschen des Königreiches Rohan in âHelms Klammâ eine ungeheure Schlacht gegen das Heer des bösen Zauberers Saruman lieferten und sich die Hobbits Pippin und Merry von den Orks befreiten und âEntsâ genannten Baumhirten begegneten, trat der Ringträger Frodo mit seinem treuen Diener Sam den schweren Weg nach Mordor â und machte die Bekanntschaft des früheren Ringbesitzers, Sméagol/Gollum. Der Prolog des dritten Filmes âDer Herr der Ringe â Die Rückkehr des Königsâ bietet erneut einen Einblick in die Vorgeschichte des Ringes, allerdings aus einer anderen Perspektive als im ersten Film: diesmal steht im Mittelpunkt die Auffindung des Einen Ringes durch den Hobbit Sméagol und der erste tödliche Streit um dessen Besitz. Dieser Rückblick ermöglicht nicht nur ein gröÃeres Verständnis der inneren Zerrissenheit der Kreatur Gollum, in die sich der einst unbeschwerte Hobbit im Laufe von Jahrhunderten verwandelte, sondern verdeutlicht die Macht, die der Eine Ring über den Ringträger erlangt. Deshalb kommt die gröÃte Gefahr für Frodo nicht von auÃen, sondern aus den Einflüsterungen des Ringes. Der Ring wird zu einer solchen Bürde, dass sich Frodo auf dem letzten Abschnitt seiner Wanderung gemeinsam mit Gollum nur noch mit Hilfe seines treuen Dieners Sam Schritt für Schritt schleppen kann. Im zweiten Handlungsstrang bricht Gandalf mit Pippin zur Festung namens Minas Tirith auf, wo Truchsess Denethor das Reich Gondor an Königs statt regiert. In einem weiteren Erzählfaden begibt sich Aragorn mit dem neu geschmiedeten Schwert des rechtmäÃigen Thronerbes auf die Pfade der Toten, um ehrlose Untoten zur groÃen Schlacht zu rufen, und sie dadurch zu erlösen. Eine Mischung aus Realaufnahmen, Dreharbeiten an Miniatur-Modellen und im Computer erstellten Bildern liefert Massenszenen, die etwa die Schlacht um Helms Klamm aus dem zweiten Film âDer Herr der Ringe â Die zwei Türmeâ in den Schatten stellen. Im dritten Film wird alles gigantischer, spektakulärer, so etwa auch die Kamerafahrten aus der Mitte des Geschehens in schwindelerregende Höhen. Dass Peter Jackson nicht jede Zeile von âDer Herr der Ringeâ würde in Bilder fassen können, war von Anfang an klar. Im dritten Film wird allerdings deutlicher als in den früheren zwei Verfilmungen, dass unter den geschnittenen Szenen die Dramaturgie leidet: da die ganze Passage in den âHäusern der Heilungâ und damit die schöne Liebesgeschichte zwischen Eowyn und Faramir weggefallen ist, wird unverständlich, warum bei der Krönung Aragorns eine glückliche Eowyn neben Faramir steht. Insofern macht âDie Rückkehr des Königâ Appetit auf die so genannte âextended Versionâ: die fast dreieinhalbstündige Kino-Fassung soll später als DVD in einer fünfstündigen Version herauskommen. Schwerer als diese Auslassungen wiegt freilich, dass Peter Jackson Aragorns Krönung näher an einer mainstreamigen Kinotradition â patriotische Rede und âHollywood-Kussâ inklusive âals am Geist des Tolkienschen Epos inszeniert. Dennoch: Jacksons Mischung aus gewaltigen Schlachten und echt menschlichen Fragen bringt den Kern des Epos stimmig zum Ausdruck: die wahren Schlachten werden im Inneren eines jeden ausgefochten. Selbst der so unzeitgemäÃe Gedanke Tolkiens, der die Sterblichkeit als âdie Gabeâ Gottes an die Menschen bezeichnet, zieht sich durch den dritten Film deutlicher als durch seine Vorgänger wie ein roter Faden: inmitten des wildesten Schlachtgetümmels finden Gandalf und Merry MuÃe, sich über den Tod und das Leben danach Gedanken zu machen. Diese Ãffnung zur Transzendenz ist in âDer Herr der Ringe â Die Rückkehr des Königsâ immer wieder präsent, nicht nur in der Entscheidung Arwens, aus Liebe zu Aragorn auf ihre Unsterblichkeit zu verzichten, sondern auch in den Worten Théodens zu seiner Nichte Eowyn in seiner Sterbestunde oder auch im Abschied der Elben, Bilbos und Frodos an den Grauen Anfurten. Nicht nur wahrhaft christliche Tugenden: Starkmut gepaart mit Demut, Freundschaft, Hingabe, Treue zur eigenen Berufung, die in âDer Herr der Ringeâ und auch in Peter Jacksons Verfilmung allgegenwärtig sind, unterscheidet Tolkiens Epos von all den Parallelwelten, die in den letzten Jahren in der Massenkultur an Popularität gewonnen haben, ob sie nun âStar Warsâ, âHarry Potterâ oder âMatrixâ heiÃen. Darüber hinaus hebt sich âDer Herr der Ringeâ von solchen Entwürfen einer Phantasiewelt dadurch ab, dass der Autor Mittelerde nicht als imaginäre Welt ansah. Der Philologe Tolkien leitete den Namen aus der im 13. Jahrhundert aufgekommenen Bezeichnung âmidden-erdâ oder âmiddel-erdâ ab, und stellte fest: âSchauplatz meiner Erzählung ist diese Erde, dieselbe, auf der wir nun leben, aber die historische Periode ist imaginär. Von mir ist nicht eine âimaginäreâ Welt, sondern ein imaginärer historischer Moment in Mittelerde â unserer Wohnstätte.â Anders als heutige Entwürfe einer Phantasiewelt ist âDer Herr der Ringeâ Teil eines viel breiter angelegten Ansatzes: eine umfassende Mythologie von der Schöpfungsgeschichte (âDie Musik der Ainurâ) bis zum Beginn unserer Historie nach der Zerstörung des Einen Ringes am Ende des so genannten âDritten Zeitaltersâ zu entwerfen. Das Projekt blieb jedoch unvollendet. Lediglich einige Fragmente wie âDie Musik der Ainurâ wurden nach Tolkiens Tod in der Sammlung âDas Silmarillionâ veröffentlicht. Zum Abschluss konnte er eigentlich nur âDer Hobbitâ sowie âDer Herr der Ringeâ bringen. Beide Werke sollten indes als Teil dieser umfassenden Mythologie angesehen werden, einer Mythologie, die aus der Feder eines tief gläubigen Menschen stammt: âSaurons Begehren war, ein Gottkönig zu sein; wäre er siegreich geblieben, hätte er von allen vernünftigen Geschöpfen göttliche Ehren und die absolute zeitliche Macht über die ganze Welt verlangt.â âDer Herr der Ringeâ handele im Grunde vom alleinigen Recht Gottes auf göttliche Ehre, erklärte J.R.R. Tolkien in einem seiner spärlichen Kommentare zum eigenen Werk. Wegen dieser Vielschichtigkeit bestand eine enorme Schwierigkeit, Tolkiens epischer Dichtung in bewegte Bilder zu übersetzen. Nicht in jeder Einstellung, nicht in jeder Sequenz seiner drei Filme ist Peter Jackson die Umsetzung geglückt. Insgesamt gesehen hat jedoch der neuseeländische Regisseur und Tolkien-Verehrer mythologische Dichtung in genuine Filmsprache übertragen. Seine Filmversion von âDer Herr der Ringeâ wird einen festen Platz in der Filmgeschichte einnehmen. |
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