COLONIA DIGNIDAD – ES GIBT KEIN ZURÜCK | Colonia Dignidad
Filmische Qualität:   
Regie: Florian Gallenberger
Darsteller: Emma Watson, Daniel Brühl, Michael Nyqvist, Richenda Carey, Vicky Krieps, Jeanne Werner, Julian Ovenden, August Zirner, Martin Wuttke
Land, Jahr: Deutschland / Luxemburg / Frankreich 2015
Laufzeit: 110 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 2/2016
Auf DVD: 7/2016


José García
Foto: Majestic

In Chile, etwa 350 Kilometer südlich von der Hauptstadt Santiago, entstand im Jahre 1961 eine Siedlung mit deutschen „Colonos“. Gegründet wurde sie vom ehemaligen Jugendpfleger Paul Schäfer, der sich von seiner evangelisch-freikirchlichen Gemeinde getrennt und eine sektenartige eigene Gemeinschaft aufgebaut hatte. Schäfer verließ Deutschland, nachdem die Staatsanwaltschaft Siegburg gegen ihn Ermittlungen wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch eröffnet hatte. Ihm folgten einige Familien aus seiner „Gemeinde“. Allerdings entführte Paul Schäfer auch Minderjährige nach Chile, deren Eltern sich vergeblich bemühten, sie nach Deutschland zu holen.

Die Kolonie wurde zu einem der größten landwirtschaftlichen Betriebe Chiles. Richtigen Aufschwung erhielt die „Colonia“ freilich durch ihre Verflechtung mit der Militärdiktatur des General Pinochet, denn Schäfer stellte der Diktatur die Colonia als Folterlager zur Verfügung und produzierte Waffen und Giftgas. Erst nach Pinochets Abdankung 1990 wurden die Strafverfolgungsbehörden aktiv. So stellte etwa das Amtsgericht Siegburg 1997 einen internationalen Haftbefehl gegen Paul Schäfer wegen Missbrauchs von Minderjährigen aus. Der deutsche Sektenführer wurde jedoch nicht an Deutschland ausgeliefert. Nachdem er 2005 in Argentinien festgenommen wurde, verurteilte ihn ein chilenisches Gericht wegen des Missbrauchs von Kindern in 25 Fällen zu einer Haftstrafe von 20 Jahren. Schäfer starb 88-jährig im April 2010 in einem Gefängnishospital in Santiago de Chile.

Auf diesem historischen Hintergrund haben der deutsche Regisseur Florian Gallenberger und sein Mit-Drehbuchautor Torsten Wenzel eine fiktive Geschichte für den Spielfilm „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ entwickelt. Die Filmemacher stellen die etwas naive Lufthansa-Stewardess Lena (Emma Watson) in den Mittelpunkt. Sie stattet ihrem Freund Daniel (Daniel Brühl), der in Santiago de Chile als Fotograf arbeitet, einen Überraschungsbesuch ab. Am nächsten Morgen stellen sie fest, dass auf den Straßen demonstriert wird. Es ist der 11. September 1973. General Augusto Pinochet putscht gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Zahlreiche Menschen sind auf die Straße gegangen, um dagegen zu protestieren. Lena und Daniel mischen sich unter die Demonstranten und werden von der Polizei aufgegriffen.

Zusammen mit Tausend anderen werden sie ins Nationalstadion von Santiago gebracht, wo die Unterstützer von Allende abgesondert werden. So auch Daniel, der von einem Spitzel als Mitglied einer studentischen Aktivistengruppe identifiziert wird. Noch in derselben Nacht wird der junge Mann an einen unbekannten Ort verschleppt. Lena versucht verzweifelt herauszufinden, wohin ihr Freund gebracht wurde. Weder von anderen untergetauchten Studenten noch von der Deutschen Botschaft bekommt sie irgendeine Information. Bei Amnesty International erfährt Lena erstmals von der Existenz einer „Colonia Dignidad“, wo eine deutsche Sekte mit dem chilenischen Geheimdienst eng zusammenarbeitet.

So macht sich die Stewardess auf den Weg in die „Colonia“ und gibt sich als neues Sektenmitglied aus, um dort aufgenommen zu werden. Bald wird sie Paul Schäfer vorgeführt, der sich „Pius“ nennen lässt. Nach und nach lernt sie das Unterdrückungssystem – harte Arbeit von morgens bis abends, drakonische Strafen – kennen und freundet sich mit der gleichaltrigen Ursel (Vicky Krieps) an. Ob sich Daniel tatsächlich dort befindet, kann sie lange Zeit nicht herausfinden. Denn in der „Colonia“ leben Frauen und Männer streng voneinander getrennt. Lediglich wenn hoher Besuch in die Siedlung kommt, besteht die Möglichkeit, die Männer zu sehen. Irgendwann einmal besucht General Pinochet die Colonia. Lena entdeckt in einer Männergruppe Daniel, der sich allerdings verstellt, als habe er nach der Folter dauernde psychische Schäden davon getragen. Den beiden gelingt es, sich zu treffen, um eine gemeinsame Flucht zu planen. Was jedoch noch niemand geschafft hat.

„Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ verknüpft eine Liebesgeschichte mit der Handlung eines Politthrillers. Allerdings gelingt Regisseur Gallenberger diese Verknüpfung kaum. So erfährt der Zuschauer eher wenig von den Verstrickungen Paul Schäfers in das Pinochet-Regime. Dass die Deutsche Botschaft mit Paul Schäfer kollaboriert, wird ebenfalls eher behauptet als verständlich dargestellt. Es mag sein, dass die Filmemacher Lenas Sicht einnehmen, die eigentlich vom ganzen System wenig begreift. So wie die Kolonie im Film gezeichnet wird, bleibt sie jedoch völlig austauschbar. Selbst die Strafen, die Lena und Daniel über sich ergehen lassen müssen, sagen wenig über das Spezielle der „Colonia Dignidad“ aus. Wie das System vier Jahrzehnte lang funktionieren konnte, macht der Film in keinster Weise verständlich. Michael Nyqvists Paul Schäfer lässt ebenso kaum das Charisma erkennen, das der Sektenführer offensichtlich besaß. Auch bei den Hauptfiguren vermisst der Zuschauer eine glaubwürdige Figurenzeichnung, abgesehen davon, dass Daniel Brühls Darbietung eines Debilen selbst bei den dumpfen Helfershelfern Schäfers wohl kaum hätte durchgehen können. Zwischen den Schauspielern scheint darüber hinaus die berühmte „Chemie“ auch nicht zu bestehen.

Dennoch gelingen dem Regisseur einige genretypische Sequenzen, so dass „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ insgesamt spannend bleibt. Nur: Für das brisante Thema ist das einfach zu wenig.
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