MATRIX RELOADED | The Matrix Reloaded
Filmische Qualität:   
Regie: Andy und Larry Wachowski
Darsteller: Keanu Reeves, Laurence Fishburne, Carrie-Anne Moss, Hugo Weaving
Land, Jahr: USA 2003
Laufzeit: 136 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G+, S, X


JOSÉ GARCÍA
Foto: Warner Bros

Nicht alles, was lange währt, wird unbedingt gut. Die seit vier Jahren mit Spannung erwartete Fortsetzung der „Matrix“-Trilogie „Matrix Reloaded“ enttäuscht über weite Strecken.

Mit ihrem Spielfilmdebüt „Matrix“ etablierten die Brüder Andy und Larry Wachowski nicht bloß eine ganz neue Kino-Ästhetik; „Matrix“ kleidete darüber hinaus die uralte Frage nach der Realität dessen, was wir Wirklichkeit nennen, in ein modernes Gewand. Die Antwort nahm sich durchaus postmodern aus: Unsere Welt sei lediglich eine Computersimulation – eben jene titelgebende „Matrix“ –, die von mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Maschinen erfunden worden sei, um die als Energiespender ausgenutzten Menschen ruhig zu stellen. Einer Prophezeiung zufolge werde allerdings ein Erwählter die „Matrix“ zerstören und die Maschinen besiegen. Im ersten Film glaubt einer der Anführer der Menschen mit dem vielsagenden Namen Morpheus (Laurence Fishburne), der eine Art Guerillakrieg gegen die Maschinen führt, in Neo (Keanu Reeves) den Auserwählten gefunden zu haben.

„Matrix“ erlebte einen ähnlichen Triumphzug wie zwei Jahrzehnte zuvor „Star Wars“. Hatte dieser 1977 eine neue Ära der Special Effects und insofern der Kino-Sehgewohnheiten eingeläutet, so stellte 1999 „Matrix“ den aktuellen Stand der Filmtechnik schlechthin dar. Während aber die „Macht“, die das „Star Wars“-Universum zusammenhalten soll, nie sonderlich ernst genommen wurde, fand „Matrix“ Eingang in philosophische Abhandlungen und Doktorarbeiten.

In den zurückliegenden vier Jahren sind die Matrix-Architekten keinesfalls untätig geblieben: Ein Kurzfilm der Brüder Wachowski konnte bereits im April als Vorfilm im Kino, zwei weitere im Internet betrachtet werden. Insgesamt neun dieser Animations-Kurzfilme werden am 3. Juni unter dem Oberbegriff „Animatrix“ auf Video und DVD erscheinen. Obgleich sie als Teile eines gesamten „intertextuellen Systems“ konzipiert wurden, gelten sie als reine Vorarbeit: Für die Film-Welt zählt so richtig erst der zweite Langfilm „Matrix Reloaded“.

Dass in „Matrix Reloaded“ die Action noch rasanter, die Special Effects noch perfekter würden, darin bestand kein Zweifel. Konnte sich doch jeder davon überzeugen, der den Trailer mit den besten Action-Szenen aus dem neuen Film betrachtete, den seit geraumer Zeit die offizielle Webseite „www.thematrix.com“ zum Herunterladen bereit hielt.

Und mit genau derselben Action-Szene, die auch den Trailer eröffnet, beginnt „Matrix Reloaded“. Im Kino entpuppt sich diese Sequenz freilich als Traum: dasselbe Stilmittel, das auch „Der Herr der Ringe – Die zwei Türme“ benutzte, um in den zweiten Teil der Trilogie einzuführen. Während jedoch in „Der Herr der Ringe“ der Traum als Bindeglied zum ersten Teil verwendet wurde, sparen die Regisseure den Ausgang der Eingangsszene von „Matrix Reloaded“ fürs Ende auf – ein immer häufiger, zuletzt etwa in „City of God“ zu beobachtender Kinotrend.

Die Fortsetzung eines jeden erfolgreichen Spielfilms stellt mehr oder minder implizit Fragen wie: Wird die Erfolgsformel einfach weitergeführt? Bekommt der Zuschauer lediglich Mehr vom Gleichen geboten? Die Regisseure haben sich bemüht, wenigstens zunächst etwas ganz Anderes als im ersten „Matrix“-Film anzubieten. Die erste Hälfte des neuen Streifens spielt sich in der im ersten Film nicht vorkommenden, unterirdischen Stadt „Zion“ ab, wohin sich die gegen die Maschinen rebellierenden Menschen geflüchtet haben.

Was dort zu sehen ist, enttäuscht indes maßlos. Denn die Wachowski-Brüder mischen einen schwer verdaulichen Cocktail mit unterschiedlichen Versatzstücken aus Science-Fiction-Filmen: politische Intrigen gepaart mit Eifersucht sowie an New Age erinnernde Riten in einem „Tempel“ mit ekstatischem Tanz, parallel montiert mit Sex, der dadurch in den Bereich des Quasi-Rituellen erhoben wird. Die Riten im „Tempel“ gipfeln in einem so genannten „Gebet“, das darin besteht, sich der Gefallenen zu erinnern und der eigenen Kräfte und Hoffnungen zu vergewissern. Mit dieser religiös verbrämten Darstellung korrespondieren auch die übersinnlichen Kräfte Neos: Erlebten wir im ersten „Matrix“-Film seine Auferstehung, so kann er in „Matrix-Reloaded“ nicht nur fliegen und gegen Hundert Agenten kämpfen, sondern auch Tote ins Leben zurückholen.

Etwa in der Mitte wendet sich der Film doch noch dem zu, was den ersten „Matrix“-Film auszeichnete: der rasanten Action mit dem absoluten Höhepunkt in einer eine Viertelstunde dauernden Verfolgungsjagd auf der eigens für die Dreharbeiten gebauten Autobahn, die in eleganten, hiper-brillanten Bildern abgedreht wurde. Also doch Mehr vom Gleichen?

In „Matrix Reloaded“ gibt es durchaus neue Ansätze, die „Matrix-Philosophie“ zu vertiefen. So erfährt der Zuschauer, dass Neo von den Erbauern der Matrix als „Anomalie“ vorgesehen wurde, die darüber hinaus nicht so einzigartig sein soll, wie im ersten Film angenommen. Während aber in „Matrix“ diese Fragen mit den Action-Szenen eine Einheit eingingen, werden sie hier verbal breitgetreten; der Film bleibt nach allen Seiten offen und so kommt er über Plattitüden wie „Entscheidungen sind eine Illusion, die die Mächtigen von den Machtlosen trennt“ nur insofern hinaus, als immer wieder über „Kausalität“ und „Bestimmung“ geredet wird. Wie sich dies damit verträgt, dass Neo zugestanden wird, er habe sich bereits entschieden, müsse aber nun begreifen, warum er diese Wahl getroffen habe, verdeutlicht „Matrix Reloaded“ nicht. Dies – wie übrigens auch zahlreiche weitere Andeutungen – wird sich (vermutlich) erst im letzten und vorläufigen Teil der Trilogie „Matrix Revolutions“ erschließen, der im November in die Kinos kommen soll.

In „Matrix Reloaded“ zerfällt die viel gelobte Einheit aus moderner Form des Action-Kinos und philosophischer Fragestellung des ursprünglichen „Matrix“-Filmes. „Die Macht“ aus dem „Star Wars“-Universum heißt in „Matrix Reloaded“ „Bestimmung“, wirkt deshalb aber nicht weniger diffus. Vor vier Jahren hieß Morpheus Neo „in der wirklichen Welt“ willkommen, während „Matrix“ ihren Machern den Status von „Kult-Regisseuren“ verlieh. Mit „Matrix Reloaded“ verlassen die Regisseur-Brüder den Kult-Status. Willkommen in der wirklichen Welt des Kino-Alltags, Andy und Larry Wachowski!
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