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José GarcÃa Foto: Neue Visionen In der Zeit der deutschen Besatzung Nordfrankreichs während des Zweiten Weltkriegs war das Louvre-Museum ein besonderer Gegenstand der Begierde für Hitlers Paladine. Allgemein bekannt ist etwa Hermann Görings Sammlerleidenschaft, ja -besessenheit. Aber auch Hitler selbst plante in Linz an der Donau ein âFührermuseumâ, für das der âSonderauftrag Linzâ Kunstwerke kaufen, und auch beschlagnahmen sollte. In Frankreich sollten neben Kunstwerken von Privatpersonen, insbesondere von Juden, auch Werke des französischen Staates sichergestellt werden. Dafür waren nicht nur die Deutsche Botschaft und der âEinsatzstab Reichsleiter Rosenbergâ (ERR) zuständig, sondern auch der âKunstschutzâ der Wehrmacht unter der Leitung des Kunsthistorikers Franz Graf Wolff-Metternich. Graf Wolff-Metternich nahm den Auftrag des Kunst-âSchutzesâ jedoch offensichtlich sehr ernst. In der Zeit, die er in Paris verbrachte, konnte er durch das Einvernehmen mit dem damaligen Louvre-Direktor Jacques Jaujard verhindern, dass der âFührerbefehlâ betreffend die Kunstsammlungen des Louvre ausgeführt wurde. Dafür zog er sich den Zorn des deutschen Botschafters, Alfred Rosenberg, und Hermann Görings zu. Im Jahr 1942 wurde Wolff-Metternich aus Paris abgezogen. Eine Zeit lang konnte er noch die Arbeit seiner Mitarbeiter von Bonn aus beaufsichtigen, ehe er dann 1943 in Ungnade fiel. Ãber die eigenwillige, vom gegenseitigen Respekt geprägte Verbindung zwischen Jacques Jaujard und Graf Wolff-Metternich hat der russische Regisseur Alexander Sokurov den ebenso eigenwilligen Film âFrancofoniaâ, eine Art Dokufiktion oder Collage mit hohem ästhetischem Wert gedreht. Die Szenen mit den beiden Kunstliebhabern und -kennern werden von Schauspielern nachgestellt. Um diese Bilder âauf altâ zu trimmen, fügt Sokurov sogar Streifen am linken Rand hinzu. Nach anfänglichem Herantasten finden Graf Wolff-Metternich (Benjamin Utzerath) und Jacques Jaujard (Louis-Do de Lencquesaing) gemeinsam einen Weg, um die Kunstschätze des Louvre dem Zugriff der nationalsozialistischen GröÃen zu entziehen. Dazu hatte Jaujard bereits im September 1938 nach der Sudetenkrise die gröÃten Teile der Louvre-Sammlung zum Château de Chambord im Loire-Tal transportieren lassen. Obwohl nach dem Münchner Abkommen die evakuierten Kunstwerke zurückgebracht wurden, lieà Jacques Jaujard die Prozedur Anfang September 1939 wiederholen. AuÃer im Château de Chambord wurden die Kunstwerke in weiteren Schlössern untergebracht. In âFrancofoniaâ sieht der Zuschauer den von Benjamin Utzerath dargestellten Kunstexperten Wolff-Metternich zu den Schlössern fahren, um sich über den Zustand der Unterbringung zu informieren. Ohne Wolff-Metternich auf einen Sockel zu stellen, macht Sokurov den Anteil des Adligen aus dem rheinischen, katholischen Geschlecht an der Erhaltung der Louvre-Sammlungen deutlich. Auf den ersten Blick könnte dieses unausgesprochene und doch so wirksame Verhältnis zwischen den beiden Kunstliebhabern in verfeindeten Lagern zwar als eine Neuauflage der Wortgefechte zwischen General Dietrich von Choltitz (Niels Arestrup) und dem schwedischen Konsul Raoul Nordling (André Dussollier) in Völker Schlöndorffs âDiplomatieâ (siehe Filmarchiv) angesehen werden, die dazu führen, dass die französische Hauptstadt im August 1944 entgegen Hitlers Befehlen nicht zerstört wurde. Alexander Sokurov versteht jedoch âFrancofoniaâ allgemeiner, als eine âsich souverän in Raum und Zeit bewegende Meditation über Kunst und Macht, Geschichte und Schönheitâ. Dafür setzt der russische Regisseur ein weiteres Stilmittel ein: Napoleon (Vincent Nemeth) und Marianne (Johanna Korthals Altes), die Allegorie der französischen Republik, wandern durch die Louvre-Räume und symbolisieren dadurch das Spannungsfeld zwischen Macht und Freiheit. Sagt Napoleon zu so gut wie jedem Kunstwerk âCâest moiâ, so antwortet Marianne: âliberté, égalité, fraternitéâ. Darüber hinaus widmet sich âFrancofoniaâ auch der Entstehungsgeschichte des Louvre, angefangen mit den Zeichnungen von Pierre Lescot, der Mitte des 16. Jahrhunderts von Franz I. mit dem Neubau des Louvre beauftragt wurde. Der Zuschauer erlebt in chronologischer Folge den Ausbau des Museums, das heute weltweit die meisten Besucher zählt. Dennoch führt Alexander Sokurov aus: ,Francofoniaâ ist kein historischer Film im klassischen Sinne. Mir geht es hier nicht um eine wissenschaftliche Annäherung, auch wenn es mir sehr wichtig ist, dass die historischen Fakten im Detail stimmen. Ich hatte kein politisches Anliegen, sondern ein eher künstlerisches. Genauer gesagt: Ich wollte ein Bewusstsein vermitteln, ein Gefühl für eine Zeit, für deren Intonation und Sprache, anhand der Biographien meiner Figuren â Menschen mit jeweils eigenen, besonderen Lebensumständen, Menschen, die für den Schutz der Kultur und Kunst kämpften, indem sie die sie bedrängenden Gegebenheiten und Schwierigkeiten bewältigten.â âFrancofoniaâ verdeutlicht in überaus unaufgeregterer Weise als etwa George Clooneys Spielfilm âMonuments Menâ (siehe Filmarchiv), wie Kunst als Gedächtnis der Menschheit selbst unter den Umständen eines unbarmherzigen Krieges bewahrt werden konnte. Bei aller Freude über die Rettung der Louvre-Sammlungen bleibt ein Wermutstropfen â und darauf weist ebenfalls Sokurovs Film hin: Was für den Louvre gilt, kann nicht von Kunstsammlungen in der Sowjetunion, in Polen und anderen Ländern Osteuropas gesagt werden. |
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