CLAN, DER | El Clan
Filmische Qualität:   
Regie: Pablo Trapero
Darsteller: Guillermo Francella, Peter Lanzani, Lili Popovich, Gastón Cocchiarale, Giselle Motta, Franco Masini, Antonia Bengoechea, Stefanía Koessl
Land, Jahr: Argentinien / Spanien 2015
Laufzeit: 108 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: G, X
im Kino: 3/2016
Auf DVD: 7/2016


José García
Foto: Prokino

Die Dokumentarbilder stellen den historischen Rahmen dar, in dem Pablo Traperos Film „Der Clan“ angesiedelt ist: Nach sieben Jahren Diktatur übergeben die Militärs im Jahre 1983 dem demokratisch gewählten Präsidenten Raúl Alfonsín die Macht. Von der Verstrickung in die Diktatur profitierte etwa auch Arquímedes Puccio (Guillemo Francella). Hinter einer gutbürgerlichen Fassade führt er als gnadenloser Patriarch die dunklen Familiengeschäfte, zu denen Entführungen zur Lösegelderpressung und auch Mord gehören. Dazu braucht er die bedingungslose Hilfe nicht nur seiner Frau Epifanía (Lili Popovich), sondern insbesondere auch seines ältesten Sohnes Alejandro (Peter Lanzani).

Als Star der Rugby-Nationalmannschaft Argentiniens ist Alejandro durch seine Berühmtheit über jeden Verdacht erhaben. Pablo Traperos Film „Der Clan“ zeigt direkt am Anfang, wie Alejandro einen reichen Mitspieler in die Hand seiner Komplizen führt – am helllichten Tage inmitten der Stadt. Alejandros jüngerer Sohn Maguila (Gastón Cocchiarale) sagt sich – wenigstens zeitweilig – von der Familie los. Alejandro lernt die hübsche Mónica (Stefanía Koessl) kennen und beginnt, das grausame Geschäft der Familie in Frage zu stellen. Als die Puccios 1985 auf offener Straße eine Frau entführen, die sie im Keller des Familienhauses in einem notdürftig improvisierten Kerker unter unwürdigsten Umständen gefangen halten, weigert sich deren Familie, das Lösegeld zu zahlen. Arquímedes spürt erstmals, dass er sich auf die schützende Hand der Militärs nicht mehr verlassen kann. Auf einmal gerät die Familie Puccio ins Visier der Polizei.

Pablo Trapero erzählt „Der Clan“ nach wahren Begebenheiten. Mit einem sensationellen Guillermo Francella als eiskaltem Arquímedes erzählt er zwar von den Machenschaften einer auf den ersten Blick bürgerlichen Familie, die in Wirklichkeit eine ungeheure kriminelle Energie an den Tag legte. Darüber hinaus handelt er jedoch von einem speziellen Vater-Sohn-Verhältnis und von den Verführungen, die ein anfängliches Opfer zu einem Mittäter machen.


Interview mit Drehbuchautor und Regisseur Pablo Trapero

„Der Clan“ basiert auf wahren Tatsachen. Ist der zugrundeliegende Fall in Argentinien sehr bekannt?

Als der Fall an die Öffentlichkeit kam, war ich 13–14 Jahre alt. Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Bei der Arbeit am Drehbuch, die ich 2007 begann, stellte ich jedoch fest, dass der Fall der jüngeren Generation nicht mehr so geläufig ist.

Worum geht es in „Der Clan“ eigentlich?

Bereits während der Recherchen stellte ich fest, dass das Interessanteste an der Story die Vater-Sohn-Beziehung ist. Dies macht den Film auch universell. Erst dann kommt die Familie Puccio und ihr Verhältnis untereinander, dann der Kriminalfall und an vierter Stelle der historische Kontext in der argentinischen Geschichte, die mit der Story eng verknüpft ist.

Können Sie diesen historischen Zusammenhang etwas weiter schildern?

Im Film kann der Zuschauer sogar den Eindruck haben, dass Arquímedes und sein Sohn manchmal etwas ungeschickt handeln. Sie entführen beispielsweise jemand mitten auf der Straße am helllichten Tag. Aber es handelte sich nicht um Ungeschicklichkeit, sondern um ein Gefühl der Straffreiheit. Sie waren sich so sicher, dass sie straffrei ausgehen würden, wenn sie festgenommen werden sollten, dass es ihnen nicht ausmachte, bei einer Straftat gesehen zu werden. Denn es gab ein ganzes System, das sie beschützte. Dies änderte sich erst mit dem Paradigmenwechsel nach der Einführung der Demokratie. Arquímedes hatte schon immer im Schatten der Macht gehandelt seit den 1960er Jahren, als er im diplomatischen Dienst tätig war, und später unter der Militärdiktatur. Er hatte mächtige Freunde, die ihn deckten.

Sie sprachen von der Ebene der Familienbeziehungen. Wie ist es möglich, dass eine so bürgerlich aussehende Familie solche kriminelle Energie entwickelt?

Genau diese Frage stellte ich mir auch, als ich am Film arbeitete. Zunächst dachte ich, die Medien hätten Arquímedes als normalen Menschen idealisiert, damit die Nachricht seiner Verhaftung eine größere Wirkung erzielte. Dem war es aber nicht so. Bei Gesprächen mit den Nachbarn, mit den Anwälten ... stellte ich fest, dass dies stimmte.

Sie verwenden die Entführung einer Frau als Rahmenhandlung. Warum haben Sie dieses dramaturgische Stilmittel gewählt?

Mit unserem Film versuchen wir, den Zuschauer in die Lage zu versetzen, in der wir uns bei der Recherche befanden. Wir haben nicht geordnet nach Fällen recherchiert. Die Fakten kamen vielmehr in Unordnung ans Tageslicht. Dieses Durcheinander wird am besten durch Brüche verbildlicht. So setzen wir einerseits lange Plansequenzen ein. Andererseits schneiden wir sehr kurze Szenen hinein. Dieser Kontrast entspricht dem Rhythmus unserer Recherchen.

War es schwierig, die Familie einerseits als normale, ja sogar sympathische Menschen darzustellen, ohne aus den Augen zu verlieren, dass sie Verbrecher waren?

Das war für mich die größte Herausforderung. Wie kann glaubwürdig dargestellt werden, dass der Familienvater zum Beispiel der Tochter bei den Hausaufgaben hilft, und er gleichzeitig eine entführte Frau im Keller festhält? Was wir aus dem Familienleben zeigen, basiert auf den Zeugenaussagen von Bekannten. Über die Mutter wissen wir etwa, dass sie als Lehrerin arbeitete und in der Schule sehr geschätzt wurde. Dieser Widerspruch verleiht dem Film etwas Surrealistisches. Der Zuschauer denkt, das ist alles so absurd, dass es nicht wahr sein kann. Um das Drama und die Grausamkeit der Familie auszugleichen, benutzen wir eine Art schwarzen Humor.

Sie sprachen gerade auch von der Mutter: Ist Epifanía nicht so kriminell wie ihr Mann?

Die Mutter hatte ein besseres Verhältnis zu den Söhnen als der Vater. Aber sie nutzte es, um sie zu kriminellen Handlungen anzustacheln. Allerdings muss man schon sagen, dass sie auf den Schutz vertraute, den ihr Mann 30 Jahre lang genoss.

Haben Sie sich gefragt, ob sie überhaupt Gewissensbisse hatten?

Ich glaube, die Kinder hatten schon welche. Die Eltern eher nicht, weil sich Arquímedes einen Diskurs zurechtgelegt hatte, als würden sie am Großbürgertum Rache üben, als wären ihre Taten eine Art Klassenkampf: Sie entführten Menschen mit Geld und Macht. In Wirklichkeit jedoch wechselte Arquímedes seine politischen Absichten wie ein Söldner.

Wie würden Sie Alejandro beschreiben?

Anfangs sieht es so aus, als sei Alejandro das erste Opfer seines dominanten Vaters. Der jüngere Sohn zeigt aber, dass ein „Nein“ möglich ist. Mit einem „Nein“ Alejandros wäre das Ganze anders verlaufen. Alejandro ist kein Opfer, er nimmt die Stelle eines Opfers ein, um anderen Schaden zuzufügen, weil dies ihm viele Vorteile einbringt. Seine Stellung ist noch schlimmer als Arquímedes, bei dem es von Anfang an klar wird, dass er ein Verbrecher ist.

Guillermo Francella lässt allein mit seinem Blick den Zuschauer erschaudern. Wie haben Sie ihn geführt?

Vielen Dank für das Kompliment! Arquímedes ist nicht nur ein sehr komplexer Charakter. Dazu kommt, dass Francella der berühmteste Schauspieler Argentiniens im Komödienfach ist. Die Produzenten wollten ihn zunächst nicht, als ich ihn vorschlug. Sie meinten, die Zuschauer würden lachen, wenn sie ihn sehen. Es war für uns beide ein riesiger Aufwand, seine Art zu sprechen, sich zu bewegen oder zu atmen zu verändern. Zum Beispiel habe ich ihn gebeten, nicht zu blinzeln. Und dabei gibt es im Film Einstellungen von vier und fünf Minuten. Aber wir wollten gemeinsam aus ihm einen furchterregenden Verbrecher machen.
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