AUFERSTANDEN | Risen
Filmische Qualität:   
Regie: Kevin Reynolds
Darsteller: Joseph Fiennes, Tom Felton, Peter Firth, Cliff Curtis, Maria Botto, Antonio Gil, Luis Callejo
Land, Jahr: USA 2016
Laufzeit: 107 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G +
im Kino: 3/2016
Auf DVD: 7/2016


José Garcia
Foto: Sony

Im Jahre 1953 erzählte der sonst eher unbekannte Regisseur Henry Koster in "Das Gewand" ("The Robe") von einem römischen Militärtribun namens Marcellus, der strafversetzt nach Palästina von Pontius Pilatus mit der Kreuzigung Christi beauftragt wurde, und sich nach einigen Wendungen zum Christentum bekehrte. Als erster abendfüllender Film im Cinemascope-Format erlangte das Monumentalepos "Das Gewand" insbesondere durch die erstklassige Darstellerriege (Richard Burton, Jean Simmons, Victor Mature) große Verbreitung. "Das Gewand" wurde zum Klassiker unter den Jesus-Filmen.

Einem ähnlichen Ansatz - Kreuzigung und Auferstehung Jesu durch die Augen eines skeptischen Römers zu betrachten - folgen nun Regisseur Kevin Reynolds und sein Mit-Drehbuchautor Paul Aiello in seinem Spielfilm "Auferstanden" ("Risen"). Der Militärtribun heißt in "Auferstanden" Clavius (Joseph Fiennes). Kevin Reynolds führt ihn als unerbittlichen Feldzugherrn ein: Zu Beginn schlägt er einen von Barabbas angeführten Aufruhr nieder und tötet den Anführer noch auf dem Schlachtfeld. Schrammen bleiben auf seinem Gesicht für den Rest der Filmzeit. Zusammen mit dem sichtbaren Schmutz und der aufwändigen Ausstattung sorgt dies für einen Realismus, der auch bei den überschaubaren Kämpfen vorherrscht, und der den Ton des Films von Anfang an angibt. Hier wird keine Metapher, keine symbolische Geschichte, sondern eben eine durch und durch als realistisch anzusehende Handlung erzählt, auch wenn die Hauptfigur Clavius fiktiv ist.

Die Kreuzigung erlebt Clavius allerdings nicht unmittelbar. Denn als er vom Kampf gegen Barabbas und seine Rebellen nach Jerusalem zurückkehrt, erfährt der Tribun vom Präfekten Pontius Pilatus (Peter Firth), dass dieser einen Propheten Jeschua hat hinrichten lassen. Der auf Ordnung und Ruhe bedachte Pilatus - ein Besuch von Kaiser Tiberius steht unmittelbar bevor - beauftragt Clavius damit, für eine schnelle Bestattung des Gekreuzigten zu sorgen. Die jüdischen Hohenpriester hätten ihn gewarnt: Die Jünger des Jeschua würden seine Leiche verschwinden lassen und behaupten, dass er auferstanden sei. Als Clavius und sein Adlatus Lucius (Tom Felton) auf dem Kalvarienberg ankommen, ist Jeschua (Cliff Curtis) bereits tot.
Bald darauf erscheint dort Ratsherr Joseph von Arimatea (Antonio Gil) mit dem von Pilatus gewährten Ersuchen, ihm den Leichnam Jesu zu überlassen. Clavius versiegelt daraufhin die Grabstätte und stellt eine Wache auf. Als aber zwei Tage später der Grabstein weggerollt und das Grab leer ist, beginnt Clavius im Auftrag eines sichtlich nervösen Pilatus, nach Jeschuas Leichnam zu fahnden. Fahnden ist denn auch der richtige Ausdruck. Denn Tribun Clavius geht bei seinen Ermittlungen wie ein Fernseh-Kommissar vor. Sogar die Konstellation ist der eines "Tatorts" nicht unähnlich: Unterstützt von einem Neuling als Junior-Partner (Lucius) muss der erfahrene Ermittler (Clavius) ganz schnell handfeste Ergebnisse - hier also die Leiche des Gekreuzigten - liefern, weil der selbst unter Druck geratene "Staatsanwalt" beziehungsweise Politiker Pilatus immer wieder darauf drängt. Und Clavius geht genauso wie jeder andere Fernsehermittler vor: Inaugenscheinnahme des Tatorts, Spurensicherung, Sicherstellung von Beweismitteln, hier: die gerissenen - nicht etwa durchgeschnittenen - Stricke, die den Grabstein schnürten. Darüber hinaus werden mögliche Zeugen gesucht - unter Androhung "scharfer" Verhöre der Informanten - und auch ein "V-Mann" auf die Suche nach den Gefolgsleuten des Verschwundenen geschickt. Auf diese Weise kommt er Maria Magdalena (María Botto) auf die Spur, wobei der zu ihrer Identifizierung angewandte Trick zum einzigen humorvollen Augenblick im Film führt. Über die Frau mit einem "früheren Leben" erfährt Clavius denn auch den Aufenthaltsort von Jeschuas Jüngern.

Auch wenn der Ausgang bekannt ist, machen die "modernen" Ermittlungsmethoden die erste Stunde des Films zu einer spannenden Detektivgeschichte. Wobei die Filmemacher sie mit Quellentreue bis in die kleinsten Einzelheiten verknüpfen, selbst wenn die Faktentreue manches Mal schon überspitzt wirkt (Stichwort "Grabtuch von Turin"). Da meint man beispielsweise fast die berühmte Ostersequenz ("Dic nobis Maria, quid vidisti in via?") in einer der bekannten Vertonungen im Hintergrund zu hören, zumal Clavius im Original natürlich Latein gesprochen haben mag. Leider wechselt "Auferstanden" im letzten Drittel die Tonart vollkommen. Der zwar weniger blutige als in Mel Gibsons "Die Passion Christi" und dennoch manchmal schwer erträgliche Realismus etwa in den Kreuzigungsszenen und den Leichenexhumierungen kippt ins von bombastischer Musik unterlegte Pathetische und Kitschige. Dies hat nicht unbedingt mit der Darstellung Jesu zu tun, denn der aus Neuseeland stammende Maori Cliff Curtis setzt sich äußerlich wohltuend von den europäisch-nordamerikanischen Jesus-Darstellern ab. Auch in Gesten und Mimik hat er nichts vom süßlichen Nazarener-Stil. Die teilweise ins Hysterische changierende Exaltiertheit mancher Apostel, die Darstellung der Wunder Jesu im Schnellgang und die fast gänzliche Abwesenheit der Mutter Jesu berühren jedoch den gläubigen Christen eher unangenehm. Für den Agnostiker mögen diese Szenen wohl eher abstoßend wirken.

Dennoch: Über weite Strecken überzeugt die sichere Hand, mit der Kevin Reynolds aus dem eher bescheidenen Budget von 20 Millionen Dollar einen spannenden und auch bildgewaltigen Film mit Gespür für Rhythmus macht.
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