EIN MANN NAMENS OVE | En man so heter Ove
Filmische Qualität:   
Regie: Hannes Holm
Darsteller: Rolf Lassgård, Bahar Pars, Ida Engvoll, Zozan Akgün, Filip Berg, Bahar Pars, Tobias Almborg, Viktor Baagøe
Land, Jahr: Schweden 2015
Laufzeit: 100 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2016
Auf DVD: 8/2016


José García
Foto: Concorde

Rolf Lassgård beeindruckte als Schauspieler bereits in Susanne Biers Drama "Nach der Hochzeit" (2006). Dass der mit dem Oscar nominierte Film den Zuschauer zutiefst berührte, lag größtenteils an seiner Darstellung eines krebskranken Mannes, der vor seinem Tod den leiblichen Vater seiner Tochter ausfindig macht und mit sanftem Druck dafür sorgt, dass dieser sein Lebenswerk fortsetzt. In Erinnerung blieb der schwedische Charakterdarsteller trotz kleinerer Rolle ebenso in Hans-Christian Schmids ?Sturm? (2009). Zeigte Rolf Lassgård in "Nach der Hochzeit" eine beachtliche Bandbreite der Gefühle, so nimmt sich seine Rolle im nun anlaufenden "Ein Mann namens Ove" des schwedischen Drehbuchautors und Regisseurs Hannes Holm als ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle aus.

Doch zunächst sieht es gar nicht danach aus. Basierend auf dem in Schweden schnell zum Bestseller avancierten, gleichnamigen Roman von Fredrik Backman zeichnet Hannes Holm zu Beginn ein ziemlich eindimensionales Charakterbild des titelgebenden Ove als menschenverachtender Despot. Als selbsternannter Kontrolleur mit Blockwart-Allüren dreht der grantige Mann in der Früh seine allmorgendliche Inspektionsrunde durch die kleine Siedlung irgendwo in der schwedischen Provinz.

Der übelgelaunte Pedant findet überall Gründe, sich über die Nachbarn und deren Unzulänglichkeiten zu ärgern: achtlos weggeworfene Kippen etwa, nicht abgeschlossene Garagentore oder falsch abgestellte Fahrräder. Wütend reagiert er darüber hinaus auf den Wagen, der das Fahrverbot in der Siedlung missachtet oder auf den kleinen Hund, der auf dem Bürgersteig seine Notdurft verrichtet. Beim Blumenkauf erlebt der Zuschauer darüber hinaus Ove als jemanden, den man salopp als "auf Krawall gebürstet" bezeichnen könnte. Er erfährt aber auch bald den Grund für Oves Missmut: Seine geliebte Frau Sonja starb vor kurzem, so die Lebensdaten 1956-2014 auf deren Grabstein. Ove hatte seiner Sonja versprochen, dass er ihr bald folgen wollte. Nun, da er nach 43 Berufsjahren bei der Eisenbahn entlassen wird, will der 59-Jährige sein Versprechen halten. Damit beginnt ein Running Gag, der sich durch das erste Drittel von "Ein Mann namens Ove" als roter Faden zieht: Bei seinen Selbstmordversuchen stellt sich der grimmige Lebensmüde ziemlich ungeschickt an. Oder er wird von irgendwelchen "Idioten" - so seine Wortwahl - gestört.
Im entscheidenden Augenblick wird der griesgrämige Rentner wider Willen von seinem Vorhaben etwa durch ein Auto abgehalten, das in seiner Einfahrt den Briefkasten ziemlich unsanft anfährt. Ove stürmt hinaus, um den neuen Nachbarn zurechtzuweisen, der nicht einmal Auto fahren kann - wie wichtig ihm das Autofahren ist, wird der Zuschauer in den später folgenden Rückblenden auf Oves Leben erfahren. Über die neuen Nachbarn kann Ove nur den Kopf schütteln: Eine "Multikulti"-Familie, er Schwede, sie Iranerin, mit zwei Töchtern, und neuer Nachwuchs ist offensichtlich bereits unterwegs. Da ahnt Ove noch nicht, was für eine Rolle die junge Iranerin Parvaneh (Bahar Pars) in seinem Leben spielen wird. Zunächst bittet sie ihn um eine Leiter, dann bringt sie ihm Essen vorbei ... Irgendwann einmal findet sich der bärbeißige "Alte" als Babysitter für Parvanehs Töchter wieder. Als auch noch eine alte Freundin aus der Nachbarschaft ihn um Hilfe bittet, weil ihr kranker Mann, einst Oves Freund, ins Pflegeheim abgeschoben werden soll, ist es mit der Ruhe endgültig vorbei, die Ove für sein Vorhaben brauchte: "Sich umzubringen, ist nicht so einfach", kann Ove nur genervt feststellen.

Geschickt verknüpft das Drehbuch die Haupthandlung mit den Rückblenden, in denen Oves Leben nacherzählt wird. Darin nehmen sein Vater (Stefan Gödike) und vor allem seine Frau Sonja (Ida Engvoll) eine herausragende Stellung ein. Die Anfänge der Siedlung, in der Ove noch heute lebt, und die damit zusammenhängende Freundschaft mit dem bereits erwähnten Nachbarn, der an der Vorliebe für unterschiedliche Automarken zerbrach, gehören auch noch dazu. Die Romanvorlage schlägt sich im Drehbuch insbesondere in den lebensnahen Dialogen sowie im Gleichgewicht zwischen einem Hang zu groteskem Humor und den ruhigen, bewegenden Momenten nieder. Dazu führt Drehbuchautor und Regisseur Hannes Holm aus: "Mit meiner Geschichte möchte ich die Herzen der Menschen erreichen, in doppelter Hinsicht, mit Witz ebenso wie mit Dramatik. Es ist eine Geschichte über das Leben, eine Reise zwischen Lachen und Tränen, wie das Leben selbst."

Einen entscheidenden Anteil am Gelingen dieses Spagats hat Rolf Lassgård, der Ove als einen komplexen Charakter gestaltet. Begegnet er dem Zuschauer zunächst als mürrischer Nörgler, der alles und alle schlecht findet, so wandelt er sich im Laufe der Filmzeit. Darin spielt die junge Iranerin Parvaneh eine nicht unwesentliche Rolle. Bahar Pars verkörpert sie mit einer Mischung aus optimistischer Naivität und Bestimmtheit, die beispielsweise dazu führt, dass Ove ihr Fahrunterricht erteilt. Mit ihrem sympathischen Wesen schafft sie, den Panzer um den verbitterten Mann zu knacken. Dabei treten Oves gute Eigenschaften wieder zutage, die bereits etwa bei den Besuchen am Grab seiner Frau aufgeflackert waren.

Stand im eingangs erwähnten Drama "Nach der Hochzeit" das Streben nach Erlösung durch vom Schicksal gezeichnete Figuren im Mittelpunkt, so sucht auch Ove nach Erlösung, die er durch eine drastische Tat zu finden glaubt, die ihm aber auf dem Umweg des Interesses für andere Menschen erst begegnet.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren