UNTER DEM SAND - DAS VERSPRECHEN DER FREIHEIT | Under sandet
Filmische Qualität:   
Regie: Martin Zandvliet
Darsteller: Roland Møller, Mikkel Boe Følsgard, Louis Hofmann, Joel Basman, Oskar Bökelmann, Emil Belton, Oskar Belton, Leon Seidel. Karl Alexander Seidel, Aaron Koszuta
Land, Jahr: Dänemark/Deutschland 2015
Laufzeit: 101 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 4/2016
Auf DVD: 9/2016


José García
Foto: Camilla Hjelm/ Koch Films

Während der Besatzung Dänemarks verminte die Wehrmacht nahezu die gesamte Landesküste mit 2,2 Millionen Tretminen. Nach Kriegsende verlangten die britischen Dänemark-Befreier, dass die Landminen von deutschen Kriegsgefangenen geräumt und entschärft werden sollten. Vorwiegend unausgebildete Minderjährige aus dem sogenannten Volkssturm Hitlers wurden mit einer Aufgabe betreut, die für viele tödlich endete. Im Spielfilm "Unter dem Sand - Das Versprechen der Freiheit" konzentriert sich Drehbuchautor und Regisseur Martin Zandvliet auf eine kleine Gruppe von einem guten Dutzend 15- bis 19-Jähriger, die diese lebensgefährliche Aufgabe ausführt.

Der 16-jährige Sebastian (Louis Hofmann) wird wegen seiner Besonnenheit immer deutlicher zum Anführer der "Jungs", insbesondere nachdem er sich gegen den jähzornigen Helmut (Joel Basman) durchsetzt, der nur ein Ziel hat: zu fliehen. Sebastian versucht immer wieder, zum dänischen Unteroffizier Carl Rasmussen (Roland Moeller) eine persönliche Beziehung aufzubauen. Der Unteroffizier muss jedoch die Befehle von Hauptmann Ebbe Jensen (Mikkel Boe Foelsgard) befolgen, der keinerlei Mitgefühl zeigt: "Wer alt genug ist, in den Krieg zu ziehen, ist auch alt genug, danach aufzuräumen." Außerdem ist Carl Rasmussen vom Hass gegen die Deutschen erfüllt, die sein Heimatland fünf Jahre lang besetzt hielten. "Unter dem Sand - Das Versprechen der Freiheit" stellt diese Beziehungen sowie die Entwicklung des dänischen Unteroffiziers in den Mittelpunkt, der sich immer mehr für die Jungs verantwortlich fühlt.

Der dänische Regisseur Martin Zandvliet erklärt zu seinem Film: Es sei "eine Geschichte von jungen Deutschen, die an den Folgen des Krieges leiden und zum Teil auch sterben. Verantwortlich für diesen Krieg waren natürlich nicht sie, es war Nazi-Deutschland. Aber ihr Schicksal ist es, dass sie aus dem Kriegstreiber-Land stammen, und so müssen sie die Konsequenzen tragen, werden zu Opfern. Der Film untersucht in gewisser Weise natürlich auch die dänische Schuld an jenem Kapitel Nachkriegsgeschichte. Ein Kapitel, das bei uns in Dänemark noch nie wirklich an die Öffentlichkeit gekommen ist, dafür belastet es vermutlich viel zu sehr das historische Gewissen."


Interview mit Hauptdarsteller Louis Hofmann

Für einen 18-Jährigen wie Sie liegt der Zweite Weltkrieg weit, weit zurück. Liegt er in Ihrer Wahrnehmung vielleicht sogar so weit zurück wie der Erste Weltkrieg?

Der Zweite ist schon präsenter als der Erste Weltkrieg, auch weil in der Schule der Schwerpunkt auf den Zweiten Weltkrieg gelegt wird. Natürlich liegt eine riesig große Distanz dazwischen. Ich kann nicht sagen: Weil mein Opa damals im Krieg war, habe ich eine Beziehung zu ihm. Deswegen hatten wir die Regie- und Rollenarbeit und das tolle Setting - wir haben an den Originalschauplätzen gedreht - und die Ausstattung und die Kostüme, so dass wir in diese Zeit hineingepflanzt wurden. Während der Probewochen hatten wir auch eine Woche lang Militärtraining, um ein Grundwissen zu erwerben. Denn mehr als Grundwissen hatte der "Volkssturm" auch nicht. Mit dieser Grundlage hatten wir gute Chancen, uns hineinzufühlen.

Geht das überhaupt, sich in einen Menschen hineinzudenken, der mit 16 Jahren eingezogen wird, dann ein, zwei Jahre im Krieg kämpft und gefangen genommen wird?

Wir hatten das große Privileg, dass wir mit Roland Moeller, der den dänischen Unteroffizier Carl Rasmussen spielt, einen Gegenspieler hatten, der wahnsinnig nah war am Set. Mit ihm wurde es sehr echt. Er selbst bezeichnet es als eine Schwäche, dass er manchmal die Kontrolle verliert. Ich würde es aber eher als Gabe bezeichnen, weil wir uns durch seine manchmal ungeplanten Ausraster mit dem konfrontieren mussten, was die Rolle ausmachte. Aber klar: Ich werde mich niemals mit jemand identifizieren können, der in diesem Alter seine Familie verlassen musste und auf sich allein gestellt war.

Inwieweit erschwerte das Sichhineindenken, dass die Situation dieser jungen Menschen eine lebensgefährliche war, dass sie sich immer wieder mit dem Tod konfrontiert sahen?

Ich glaube, jeder Mensch macht sich hin und wieder Gedanken über den Tod. Das muss man sich hier multipliziert mal tausend vorstellen, weil man keine ruhige Sekunde hat und immer damit rechnen muss, dass irgendetwas passiert. Um uns hineinzudenken, haben wir auch ein Spielchen gespielt: Es wurden zwölf Minen-Attrappen vergraben, ohne dass wir wussten, wo sie genau liegen. Wer am Ende mehr gefunden hatte, hatte gewonnen. Das Erschreckende war, dass wir in der ersten Drehwoche am Strand eine echte Mine gefunden haben. Die mussten wir natürlich nicht selber entschärfen (lacht). Dafür konnten wir Leute anrufen. Aber das hat es uns krass vor Augen geführt, dass von den 2,2 Millionen Minen insgesamt damals in dem Abschnitt 45 000 vergraben lagen. Wie im Film gab es auf dem Sand Bereiche, in denen wir uns aufhalten konnten, aber auch Felder, die wir nicht betreten durften.

Der von Ihnen dargestellte Sebastian ist der Gegensatz von Helmut (Joel Basman): Helmut will nur weg, er versucht sogar zu fliehen. Sebastian arrangiert sich mit der Situation. Er geht als erster auf Carl Rasmussen zu. Wie würden Sie Sebastian charakterisieren?

Weil er einen Sinn dafür hat, überlegt zu handeln und zu wissen, was zu tun ist, akzeptiert er die Rolle des Anführers der Gruppe. Damit sie überleben, muss sich jemand um die andern kümmern. Und er nimmt diese Rolle an. Er ist nicht egoistisch - im Gegensatz zu Helmut, der superegozentrisch und auch unüberlegt handelt. Spannend ist es dabei, wenn die beiden aufeinanderprallen. Die Beziehung zu Carl (Rasmussen) ist extrem wichtig, weil er die Verlinkung zu den Jungs ist.

Sebastian ist ja auch der Intelligenteste in der Gruppe. Und diese Intelligenz setzt er nicht nur im Umgang mit den Minen ein, sondern auch gegenüber dem dänischen Unteroffizier. Können Sie dieses Verhältnis etwas näher erläutern?

Bei dieser Beziehung ist es sehr schwer, dem anderen hundertprozentig zu trauen. In dem Film geht es auch darum, was der Krieg mit den Menschen angestellt hat. Und weil Sebastian weiß, was der Krieg mit den Menschen anstellt, ist es für ihn schwierig, die Ehrlichkeit zu sehen. Was Sebastian und den dänischen Unteroffizier verbindet, ist der Glaube an Menschlichkeit. Da Sebastian hartnäckig bleibt und versucht, ihm ehrlich zu begegnen, findet er auch einen Zugang zu ihm. Aber auch Carl Rasmussen beginnt im Laufe des Filmes, die Jungs als Menschen zu sehen. Zunächst sind sie für ihn Puppen, die er als solche behandelt. Es sind Deutsche. Diese Gruppe steht für die Nazis, die er unglaublich hasst. Im Laufe des Filmes sieht er aber jeden als Individuum, und merkt, dass hinter jedem einfach ein Mensch steckt. Als er anfängt, diese Persönlichkeiten zu sehen, fängt er an, sie zu mögen. Es geht nicht anders.

Sie haben bislang in Kinofilmen mitgewirkt - "Tom Sawyer", "Freistatt", jetzt "Unter dem Sand" -, die in der Vergangenheit angesiedelt sind. Spielen Sie demnächst in einem Film, der sich in der Jetzt-Zeit abspielt?

Es ist lustig, dass Sie das sagen, weil ich letztes Jahr nach vier Jahren erst wieder nicht historisch gespielt habe, in einer Verfilmung von Andreas Steinhöfels "Die Mitte der Welt", der im November in die Kinos kommt. Ich war aufgeregt, denn es war komplett anders. Historische und nichthistorische Filme sind für mich zwei verschiedene Welten. Vielleicht weil man sich in den historischen Filmen hinter den Kostümen mehr verstecken kann? Ich weiß es nicht, aber es ist näher, wenn der Film in der Jetzt-Zeit spielt.

Sie spielen nun seit sieben Jahren in Kinofilmen. Damals waren Sie erst elf Jahre alt. Haben Sie den Sprung von Kinderdarsteller zum Schauspieler geschafft?

Ich glaube, dass ich mit "Freistatt" (Regie: Marc Brummund), der letztes Jahr herauskam, den wir aber schon 2013 gedreht haben, den Schritt ins jugendlich Erwachsene getan habe. Denn es war das erste Mal, dass die Rolle rund, anspruchsvoll war. Mit dem Bayerischen Filmpreis 2014 (in der Kategorie Nachwuchsdarsteller) habe ich eine wunderbare Bestätigung bekommen, die mir Mut und Selbstbewusstsein gegeben hat: "Das kann ein Beruf für mich sein".
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