|
||||||||||||||||
JOSà GARCÃA Foto: Universum Der Western zählt zu den klassischen Filmgenres, die so alt wie das Medium Spielfilm selbst sind. Zu den prominenten Werken, die zur Herausbildung einer eigenständigen Filmsprache beitrugen, gehört bereits ein Western: âDie Geburt einer Nationâ (âThe Birth of a Nationâ, David W. Griffith 1915). Viele der groÃen Regielegenden des Kinos â John Ford, Howard Hawks, John Sturges, Fred Zinemann, Raoul Walsh â begründeten ihren Ruhm mit Western. Erst die sechziger Jahre brachten mit den so genannten Italo- oder Spätwestern eines Sergio Leone und seiner âDollar-Trilogieâ âFür eine Hand voll Dollarâ (1964), âFür ein paar Dollar mehrâ (1965) und âThe Good, the Bad and the Uglyâ (âZwei glorreiche Halunkenâ, 1966) eine entscheidende Wende: das Heldentum des klassischen Westerns kehrte sich in Zynismus und streckenweise Nihilismus um. Jahrzehntelang schien dieses klassische Genre erschöpft zu sein. Als sich Anfang der neunziger Jahre zwei Regisseure dem Western widmeten, deutete sich erneut ein Paradigmenwechsel an: In seinem Regiedebüt âDer mit dem Wolf tanztâ (âDances with wolvesâ, 1990) zeichnete Kevin Costner den âweiÃen Mannâ nicht als Held, der gegen den Widerstand der Ureinwohner die Zivilisation in den âWilden Westenâ bringt, sondern als Zerstörer einer Idylle. In âErbarmungslosâ (âUnforgivenâ 1992) kritisierte Clint Eastwood die Selbstjustiz, stellte das Töten und erst recht die Tötung aus Rache durch die Zuschaustellung der Folgen der Gewalt in Frage. Gegenüber diesen âSpät-Spätwesternâ bedeutet âOpen Range â Weites Landâ eine echte Rückkehr zum âklassischen Westernâ. Für seine dritte Regiearbeit hat sich Kevin Costner einen Stoff ausgesucht, der an die goldene Zeit des Genres erinnert: âOpen Rangeâ erzählt in epischer Breite vom Leben der Cowboys in der unendlichen Prärie des Mittleren Westens, vom erbitterten Kampf zwischen den so genannten âFreegrazerâ, die ihre Viehherden durch freies Land treiben, und den Ranchern, welche die unendliche Weite der Prärie einzuzäunen versuchen. Die literarische Vorlage â Lauran Painesâ Roman âThe Open Range Menâ â liefert eine komplexe Charakterzeichnung der Hauptpersonen: Charley Waite (Kevin Costner) und Boss Spearman (Robert Duvall) reiten seit zehn Jahren zusammen. Ihre Zusammenarbeit beruht auf blindem Vertrauen und auf einer genretypischen, etwa der in âEl Doradoâ (Howard Hawks, 1967) zwischen den von John Wayne und Robert Mitchum dargestellten Figuren ähnlichen Männerfreundschaft. Aber erst die allmähliche Enthüllung der Vergangenheit beider Cowboys gewährt dem Zuschauer Einblick in ihre reiche Persönlichkeit. Ein solcher âCharakter-Filmâ steht und fällt mit der Besetzung der Hauptfiguren. Und sie ist schlichtweg als grandios zu bezeichnen: Robert Duvall bietet erneut eine mustergültige schauspielerische Leistung, die an seine groÃen Rollen der siebziger Jahre unter Francis Coppola (âDer Pateâ 1972, âApocalypse Nowâ 1979) anknüpft. Für Kevin Costner gilt Ãhnliches: Nach einem Jahrzehnt kleinerer und gröÃerer Pleiten darf er endlich wieder einmal eine Rolle ausfüllen, die sich neben seine besten Arbeiten (Eliot Ness in âThe Untouchablesâ 1987, Lieutenant Dunbar in âDer mit dem Wolf tanztâ 1990, Jim Garrison in âJFKâ 1991) einreiht. Etliche Szenen von âOpen Rangeâ zitieren herausragende Werke des Genres â âRio Bravoâ, âHigh Noonâ, âEl Doradoâ. Insbesondere der Showdown wurde sehr eng am berühmten, vielfach verfilmten Duell in Tombstone inszeniert, dessen bekannteste Version John Sturgesâ âGunfight at the O.K. Corralâ (1957) mit Burt Lancaster und Kirk Douglas als Wyatt Earp und Doc Holiday â wieder eine genretypische Männerfreundschaft â sein dürfte. Regisseur Costner ist indes eine echte Aneignung dieser Elemente gelungen; er gestaltet âOpen Rangeâ nicht lediglich als postmodernes, aus Szenen berühmter Filme zusammengesetztes Patchwork, sondern als eigenständiges Werk. So setzt Kevin Costner, vor allem zu Beginn, als die Figuren eingeführt werden, eine moderne Filmsprache mit extremen GroÃaufnahmen, ungewöhnlichen Kadrierungen und Kameraschwenks ein. Die Möglichkeiten moderner Spezialeffekts macht er sich im finalen Kampf zunutze, um diesen sehr realistisch darzustellen, ohne deshalb in Gewaltverherrlichung zu verfallen. Dadurch transportiert âOpen Rangeâ die klassischen Werte des Genres ¬â Freundschaft, Ehre, Liebe, Gerechtigkeit â in modernem Gewand, inklusive nuancierte Abgrenzung zwischen Gerechtigkeit und Rache. Die Neubelebung eines für überholt gehaltenen Genres durch diesen âneoklassischen Westernâ steht in einem gröÃeren Kontext: der Spielfilm erlebt zurzeit die Revitalisierung klassischer, seit Jahrzehnten vergessener Filmgenres, etwa des Sandalenfilmes (âGladiatorâ, demnächst âTroyaâ), des Piratenfilmes (âFluch der Karibikâ) oder auch des Schiffsfilmes (âMaster and Commanderâ). Ob dieser Trend anhält, gehört zu den interessantesten Fragen des heutigen Kinos. |
||||||||||||||||
|