B. AIRES – SÓLO POR HOY | Sólo por hoy
Filmische Qualität:   
Regie: Ariel Rotter
Darsteller: Sergio Boris, Ailí Chen, Damián Dreizik, Federico Esquerro, Mariano Martínez
Land, Jahr: Argentinien 2001
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Zwischenmenschliche Beziehungen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: S


JOSÉ GARCÍA
Foto: flax film

Ein Spielfilm über den krassen Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit beim Einstieg in die Berufs- und Erwachsenenwelt. Mit diesem Satz lässt sich das filmische Manifest der „Generation X” „Reality Bites” („Voll das Leben – Reality Bites” 1993) zusammenfassen, das vor gut einem Jahrzehnt Ben Stiller vorlegte: vier Bewohner einer New Yorker WG standen vor dem Start ins Berufsleben; doch statt den Wunschberuf brachte die Realität schlecht bezahlte Jobs. Nach anfänglichem Zögern entwickelte sich innerhalb der WG eine Liebesgeschichte: zwischen der ehemaligen Redaktionsassistentin Lelaine und dem Möchtegern-Künstler Troy. Stiller schilderte einige „Realitätshäppchen” (wie der Originaltitel wörtlich übersetzt werden könnte) aus dem Leben dieser jungen Menschen, die ihren Platz im Leben suchten.

Ähnliche Momentaufnahmen in einem Leben zwischen Traumvorstellung und Realität auf dem Übergang zum Erwachsensein bietet das Spielfilmdebüt des Argentiniers Ariel Rotter „B. Aires – Sólo por hoy”. Auch in diesem, dem dritten von der Filmhochschule Buenos Aires produzierten Spielfilm, versuchen die jungen Bewohner einer WG bei ihrem Einstieg in die Berufs- und Erwachsenenwelt, ihre Träume nicht von der harten Wirklichkeit begraben zu lassen: Toro hält sich für den geborenen Schauspieler – seinen Lebensunterhalt verdient er aber damit, Hotelzimmer zu reinigen; Equis träumt von der großen Liebe und von einem Café in Paris, arbeitet jedoch als Hilfskoch in einer Großküche. In der chinesischen Einwanderin Ailí steckt eine große Malerin; statt vor der Staffelei zu stehen, jobbt sie aber als Kurierfahrerin. Wenn sie in einer Galerie oder Kunstsammlung einen Brief abzuliefern hat, betrachtet sie sehnsüchtig die Kunstwerke. Morón hat gerade die Filmhochschule absolviert. Während er noch von seinem Vater finanziell unterstützt wird, dreht er einen Dokumentarfilm, indem er Menschen auf der Straße nach ihrer Vorstellung von Glück befragt. Zu den vier WG-Bewohnern gesellt sich als ungebetener Gast Moróns älterer Bruder Fer. Um etwas Geld zu verdienen, will er das Appartement eines deutschen Paares streichen – aus lauter Schwermut schafft er es jedoch nicht, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Im Gegensatz zu den vier jüngeren Mitbewohnern scheint Fer, seine Hoffnungen aufgegeben zu haben.

Ariel Rotters Film begleitet diese fünf jungen Leute fünf Tage lang. Die Inszenierung wirkt absichtlich unfertig, genauso fragmentarisch wie die „Realitätshäppchen”, die Ausschnitte aus diesen unfertigen Biographien, die der Film schildert. Die Handkamera hilft dem Regisseur, den Akteuren nahe zu kommen; zusammen mit dem spröden Soundtrack verleiht sie dem Film eine große Spontaneität. Passend zu seinem Sujet lässt „B. Aires – Sólo por hoy” vieles offen: macht sich etwa bei Fer Resignation breit, so darf der Zuschauer mit Equis hoffen, dass es ihm gelingen wird, irgendwann einmal die schöne Unbekannte anzusprechen, der er auf seinen Streifzügen in Richtung Flughafen immer wieder begegnet. Ob Morón je einen richtigen Film drehen wird, bleibt ungewiss; Gewißheit indes bekommt er darüber, dass Mitbewohnerin Ailí seine Gefühle erwidert. Und Toro? Eine erste Rolle für einen Werbespot hat er bereits erhalten, obgleich er sich den Auftritt sicher ganz anders vorgestellt hatte. Aber vielleicht gelingt ihm beim nächsten Casting der erhoffte Durchbruch.

„B. Aires – Sólo por hoy” hält die Balance zwischen dem Hoffen auf die Verwirklichung der Jugendträume und dem Scheitern in der harten Realität der Erwachsenenwelt. Die ungewisse Zukunft, in die sich die jugendlichen WG-Bewohner stürzen, kann freilich auch als Symbol für die jetzige Situation in Argentinien und Buenos Aires angesehen werden. Deshalb trägt Ariel Rotters Spielfilmdebüt nicht ohne Berechtigung den Namen der argentinischen Hauptstadt im Titel.
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