VÄTER UND TÖCHTER - EIN GANZES LEBEN | Fathers & Daughters
Filmische Qualität:   
Regie: Gabriele Muccino
Darsteller: Russell Crowe, Amanda Seyfried, Aaron Paul, Diane Kruger, Bruce Greenwood, Quvenzhane Wallis, Kylie Rogers, Jane Fonda, Octavia Spencer
Land, Jahr: Italien, USA 2016
Laufzeit: 116 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 7/2016
Auf DVD: 10/2016


José Garcia
Foto: Spot on

In der italienisch-US-amerikanischen Koproduktion "Väter und Töchter - Ein ganzes Leben" ("Fathers & Daughters") erzählt der seit zehn Jahren in den Vereinigten Staaten arbeitende italienische Regisseur Gabriele Muccino nach dem Erstlings-Drehbuch von Brad Desch eine dramatische Geschichte auf zwei verschiedenen Zeitebenen. Der in der Vergangenheit angesiedelte Erzählstrang beginnt im Jahre 1989 in New York. Schriftsteller und Pulitzer-Preis-Gewinner Jake Davies (Russell Crowe) fährt mit seiner Frau im Auto von einer Autorenlesung nach Hause zurück, als ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob eine der Zuhörerinnen mit ihm zu flirten versuchte. Der am Steuer sitzende Davies wird dadurch für einen kurzen Augenblick unaufmerksam, und übersieht ein entgegenkommendes Fahrzeug. Beim Zusammenstoß stirbt Jakes Frau. Er selbst trägt schwere Kopfverletzungen davon. Die auf der Rückbank sitzende, etwa siebenjährige Tochter Katie (Kylie Rogers) bleibt hingegen unverletzt.

Obwohl sich Vater und Tochter, den Jake liebevoll "Kartoffelchip" nennt, innig lieben, gestaltet sich der Alltag nach dem Autounfall nicht gerade einfach. Dies geht über die Trauer über den Verlust der Ehefrau und Mutter weit hinaus. Denn Jake bekommt zunehmende Schwierigkeiten beim Schreiben. Er schneidet sich auch noch beim Rasieren, weil seine Hände zittern. Von Depressionen, Alpträumen und krampfhaften Anfällen geplagt, sucht Jake den Arzt auf. Die Diagnose: manisch-depressive Störung als Folge der Kopfverletzungen und des Todes seiner Frau. Der Arzt empfiehlt dem Schriftsteller einen längeren Krankenhausaufenthalt, will dieser einen völligen Zusammenbruch vorbeugen.

Während der sieben Monate, die Jake in der Psychiatrie verbringt, bleibt Katie bei ihrer Tante Elizabeth (Diane Kruger) und deren steinreichem Mann William (Bruce Greenwood). Als endlich Jake aus der Klinik zurückkommt und seine Tochter abholen möchte, konfrontiert ihn seine Schwägerin Elizabeth mit ihrem Wunsch, Katie zu adoptieren. Jake reagiert entrüstet. Aber das Ganze hat ein juristisches Nachspiel: Elizabeth und William wollen die Adoption gerichtlich durchsetzen. Nachdem Jakes nächstes Buch floppt, droht ihm das Geld für die gerichtliche Auseinandersetzung auszugehen. Gut, dass seine Verlegerin Teddy Stanton (Jane Fonda) ihn unterstützt. So schreibt der einstmals gefeierte Autor wie besessen am autobiografisch gefärbten Roman ?Väter und Töchter?.

Im gut 25 Jahre später angesiedelten Erzählstrang leidet Katie (nun von Amanda Seyfried dargestellt) an Bindungsangst. Sie stürzt sich in eine endlose Abfolge von Affären, bis sie den jungen Autor Cameron (Aaron Paul) kennenlernt, der sich als großer Fan von "Väter und Töchter" entpuppt, und sich schließlich in die Heldin des Romans verliebt. Für Katies Entwicklung spielt außerdem eine besondere Rolle, dass sie bei ihrer Arbeit als Psychologin einem jungen Mädchen helfen soll, aus ihrer Sprachlosigkeit herauszukommen.
Drehbuchautor Brad Desch und Regisseur Gabriele Muccino entwickeln jedoch ihren Spielfilm "Väter und Töchter - Ein ganzes Leben" nicht chronologisch. Die Handlung um die kleine Katie und ihren Vater Jake wird vielmehr in etlichen, die Haupthandlung immer wieder unterbrechenden Rückblenden geschildert. So konzentriert sich der in den 90er Jahren spielende Erzählstrang auf Jakes Versuche, seine Krankheit in den Griff zu bekommen, und trotz allem seiner geliebten Tochter eine halbwegs normale Kindheit zu ermöglichen. Russell Crowe verkörpert den einstigen Bestsellerautor gewohnt brillant. Sein Spiel erinnert häufig an seine Darstellung des Mathematikers und Nobelpreisträgers John Nash in "A Beautiful Mind - Genie und Wahnsinn" (Ron Howard, 2001). Die zwölfjährige Kylie Rogers, die bereits in "Himmelskind" (siehe Filmarchiv) durch ihre glaubwürdige Darstellung eines schwerkranken Mädchens beeindruckt hatte, stellt die kleine Katie überzeugend dar. Sie werden durch die mit Diane Kruger als eiskalte, reiche Tante und mit Jane Fonda als verständnisvolle Chefin Jakes besetzten Nebenrollen bestens unterstützt.

Demgegenüber fällt die in der Gegenwart angesiedelte Handlung deutlich ab. Amanda Seyfried greift allzu häufig auf Manierismen zurück, um die unreifen Gefühlschwankungen der erwachsenen Katie darzustellen. Wenn sie zu ihrer Psychiaterin sagt: "Ich kann nicht lieben" und dabei von den Verlusten in ihrer Kindheit berichtet, wirkt dies nicht besonders glaubwürdig. Dass ihre Bindungsunfähigkeit ihren Grund in den als Kind erlittenen Verlusten haben soll, geht kaum über ein Klischee hinaus. Ähnlich verhält es sich mit ihrer Betreuung des kleinen Mädchens Lucy (Quvenzhane Wallis), das die Ermordung ihrer Mutter mitansehen musste, und seitdem kein Wort mehr gesprochen hat. Die Aufarbeitung von Katies Kindheit im Spiegel von Lucys Entwicklung scheint arg konstruiert zu sein. Die allzu laute, schmachtende Klavier- und Geigenmusik steigert noch den Eindruck einer Rührseligkeit, die sich erzählerisch gar nicht einstellen mag.

Dennoch: Die Verknüpfung beider Erzählstränge mittels Rückblenden schafft eine gewisse Spannung, die wegfiele, würde der Film chronologisch erzählt. Dadurch werden nicht nur die schauspielerischen Schwächen in der Gegenwartshandlung kaschiert. Darüber hinaus tritt dadurch der eigentliche Kern von "Väter und Töchter - Ein ganzes Leben" deutlicher zutage: Die unbedingte Liebe eines Vaters zu seiner Tochter - allen Schicksalsschlägen zum Trotz.
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