VERRÄTER WIE WIR | Our Kind Of Traitor
Filmische Qualität:   
Regie: Susannah White
Darsteller: Ewan McGregor, Stellan Skarsgard, Naomie Harris, Damian Lewis, Mark Gatiss, Mark Stanley, Alicia von Rittberg, Jeremy Northam, Saskia Reeves
Land, Jahr: Großbritannien 2016
Laufzeit: 107 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 7/2016
Auf DVD: 1/2016


José Garcia
Foto: Studiocanal

Die äußerst beunruhigende Musik, mit der bereits der Vorspann des Spielfilms "Verräter wie wir" ("Our Kind Of Traitor") untermalt ist, deutet auf einen Thriller hin. Die ersten, in Moskau angesiedelten Bilder bestätigen diesen Eindruck: Nach einer Ballett-Aufführung im Bolschoi-Theater treffen sich Geschäftsleute zu einem offenkundig wichtigen Termin. Bald darauf wird die Familie eines der Teilnehmer an dem Treffen getötet. Die kalten Farben der in der schneebedeckten Landschaft stattgefundenen regelrechten Exekution kontrastieren mit den warmen Tönen in Marrakesch, wo die eigentliche Handlung der Verfilmung von John Le Carrés gleichnamigem Thriller ihren Anfang nimmt. Erst hier enthüllen Drehbuchautor Hossein Amini und Regisseurin Susannah White nach und nach die Hintergründe, die mit einem Geldwäschering der russischen Mafia zusammenhängen.

In einer an Altmeister Alfred Hitchcock erinnernden Verkettung zufälliger Umstände gerät ein durchschnittlicher Bürger in eine Welt der international operierenden kriminellen Machenschaften, der Geheimdienstagenten und der schmutzigen Politik, aus der es kein Entrinnen zu geben scheint. Der Poetik-Professor an der University of London Perry (Ewan McGregor) macht in Marrakesch mit seiner Frau Gail (Naomie Harris), einer erfolgreichen Anwältin, Urlaub. Die Stimmung zwischen den Ehepartnern ist eher gereizt, weil Gail ihrem Mann dessen Seitensprung mit einer Studentin nicht zu verzeihen geneigt ist. Auch das Abendessen im sündhaft teuren Restaurant kann die Stimmung nicht aufhellen, zumal Gail plötzlich aufsteht, weil sie ein wichtiges Telefonat erhält. Unvermittelt lädt ein lärmender, offensichtlich steinreicher Russe Perry zu einem Glas Champagner ein. Dima (Stellan Skarsgaard) duldet keinen Widerspruch, als er den verdutzten Professor und seine Frau zu einer ausschweifenden Party einlädt. Am Ende des Abends steht eine weitere Einladung, diesmal zu einem Tennisspiel am kommenden Tag. Perry und Gail lernen dabei auch Dimas Familie kennen. Unter ihnen sind die sechsjährigen Zwillingsschwestern Katya und Irina, deren leibliche Eltern aber tot sind.

Bei einer Geburtstagsparty enthüllt Dima dem etwas naiv wirkendenden Professor, woher sein immenser Reichtum entstammt. Der korpulente Russe arbeitet als Geldwäscher für die "Vory", die russische Mafia. Der Vater der Zwillingsschwestern Mischa hatte für den Mafiaboss gearbeitet, der sich "Der Prinz" (Grigoryi Dobrygin) nennt. Nun erschließt sich der Sinn der Eingangssequenz in Moskau: Nachdem Mischa dem Prinzen seine Konten übertragen hatte, ließ der skrupellose Mafioso ihn mit Frau und ältester Tochter töten. Nun befürchtet Dima, dass ihn dasselbe Schicksal ereilen könnte. Er fürchtet nicht nur um sein eigenes Leben, sondern auch um seine Familie. Dima möchte in Großbritannien um politisches Asyl bitten. Im Gegenzug bietet er dem Geheimdienst MI6 wichtige Unterlagen, Perry hat der Geldwäscher eher zufällig ausgesucht, um erste Informationen zu überbringen. Am Flughafen Heathrow werden Perry und Gail vom MI6-Agenten Hector Meredith (Damian Lewis) und dessen Kollegen Luke (Khalid Abdallah) verhört. Hector scheint interessiert zu sein, denn die russische Mafia breitet sich immer mehr in der britischen Finanzwelt und Politik aus. Welche Rolle sollen aber Perry und Gail bei dieser riskanten Aktion spielen, von der "Der Prinz" selbstverständlich nichts erfahren darf?

Auch wenn sich die Protagonisten einer Hetzjagd durch die unterschiedlichsten Schauplätze unterziehen müssen, die Kameramann Anthony Dod Mantle in exquisite Aufnahmen umsetzt, liegt der Hauptakzent von "Verräter wie wir" nicht auf reiner Action. Im Vergleich zu früheren Le Carré-Verfilmungen - zuletzt Dame, König, As, Spion und A Most Wanted Man - nimmt sich die Handlung des Filmes von Susannah White außerdem nicht besonders komplex aus. Einer gewissen Vorhersehbarkeit der Geschichte wirken Drehbuchautor und Regisseurin nicht nur durch den einen oder anderen dramaturgischen Kniff entgegen. Sie erzeugen Spannung auf eine geradlinige, klassische Weise. Darüber hinaus verwenden sie aber auch große Sorgfalt in der Charakterzeichnung, für die sie auf ein erstklassiges Ensemble zurückgreifen können.

Stellan Skarsgaard verkörpert die komplexeste Figur im ganzen Film. Der schwedische Charakterdarsteller zeigt einen aufbrausenden und machtbewussten Mafioso, der aber wegen seiner Sorge um seine Familie eine glaubwürdig dargestellte verletzliche Seite zeigt, in die sich auch Themen wie Moral und Gewissen hineinschleichen. Sogar der Nebenfigur des MI6-Agenten Hector vermag Damian Lewis interessante Nuancen zu verleihen, die über den Konkurrenzkampf der Finanzmärkte aufschlussreiche Informationen liefern.

Dass ausgerechnet Perry als arglose Schnittstelle zwischen der russischen Mafia und dem britischen Geheimdienst etwas blass bleibt, hat allerdings mit seiner Figur des unscheinbaren Durchschnittsbürgers zu tun, der unbeabsichtigt in eine ihm fremde Welt hineingesogen "Verräter wie wir" bietet nicht nur einen Einblick in eine Welt, in der Macht und Verrat, aber auch Korruption eine bedeutende Rolle spielen. Denn als eigentlicher Feind stellt sich nicht der Vertreter der russischen Mafia, sondern eher die korrupte politische Klasse heraus. Susannah Whites Film bietet jedoch über den reinen Thriller hinaus auch das Ehedrama von Perry und Gail, in dem sich die äußere Thriller-Handlung widerspiegelt.
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