UNTERWEGS MIT JAQUELINE | La vache
Filmische Qualität:   
Regie: Mohamed Hamidi
Darsteller: Fatsah Bouyahmed, Lambert Wilson, Jamel Debbouze, Hajar Masdouki
Land, Jahr: Frankreich / Marokko 2016
Laufzeit: 91 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 7/2016
Auf DVD: 10/2016


José Garcia
Foto: Alamode

Jacqueline ist der ganze Stolz des algerischen Bauern Fatah (Fatsah Bouyahmed). Der zweifache Familienvater, der so liebevoll die Pflanzen in seinem Gemüsegarten wässert, der sich mit seinen Töchtern am liebsten auf Französisch unterhält, und der nie woanders gelebt hat als in seinem algerischen Dorf, hat einen großen Wunsch: Seine französische Kuh Jacqueline bei der Landwirtschaftsmesse in Paris vorzustellen. Unzählige Male hat er sich um eine Teilnahme beworben. Seine Beharrlichkeit trägt endlich Früchte: Eines schönen Tages bekommt Fatah einen Brief aus Paris mit einer Einladung zur Landwirtschaftsausstellung. Weil die Teilnehmer Reise- und Übernachtungskosten selbst tragen müssen, ist der kleine Bauer jedoch auf die Unterstützung der Dorfgemeinschaft angewiesen.

Nach langer Diskussion spricht sich in der eiligst einberufenen Dorfversammlung die Mehrheit dafür aus, die Reise finanziell zu unterstützen. Nur seiner Frau Naïma (Hajar Masdouki) sind die Reise und die lange Abwesenheit ihres Mannes nicht geheuer. Die zur Verfügung gestellten Mittel reichen allerdings lediglich für die Überfahrt nach Marseille. Wie soll es von dort in die französische Hauptstadt weitergehen? Da weiß Fatahs Schwiegervater Rat: Der Bauer soll sich in Marseille bei dessen Schwager Hassan (Jamel Debbouze) melden. Dieser werde ihm weiterhelfen. Allerdings denkt Hassan nicht daran, seinem Schwager zu helfen, ja er holt Fatah und Jacqueline nicht einmal am Hafen ab. Der optimistisch gesinnte Fatah lässt sich davon jedoch nicht beirren und macht Hassan ausfindig. Dieser will den Verwandten aus Algerien sofort loswerden. Denn nun droht ein Geheimnis aufzufliegen, das Hassan bislang vor den algerischen Verwandten bewahren konnte: Er lebt mit einer Französin zusammen, mit der er zwei Kinder hat. Auch dann lässt sich Fatah nicht entmutigen. Zeit hat er genug, und so macht er sich allein mit Jacqueline auf den weiten Weg nach Paris ? zu Fuß. Auf dem Weg durch das ländliche Frankreich begegnen Fatah und seine Kuh Jacqueline so gut wie immer freundlichen, hilfsbereiten Menschen.

Regisseur Mohamed Hamidi und seine Drehbuch-Mitautoren Alain-Michel Blanc und Fatsah Bouyahmed untermalen ihr modernes Märchen "Unterwegs mit Jacqueline" ("La vache") nicht nur mit "Wohlfühl"-Musik, darunter fröhliche Folklore-Klänge von Ibrahim Maalouf sowie französische Chansons und Popsongs. Den komödiantischen Ton verstärken beispielsweise auch Elemente aus der Verwechslungskomödie. So begegnet Fatah bei einem Volksfest einem Zauberer, der Jacqueline in einen seiner Tricks einbaut, was natürlich hinterher begossen werden muss. Als die Assistentin des Zauberers dem seinen Rausch ausschlafenden Fatah einen Kuss gibt, macht jemand mit dem Handy ein Foto. Dieses Handy-Foto gelangt via Internet in Fatahs Dorf. Und schon glaubt Fatahs Frau Naïma, dass ihr Mann in Frankreich eine Affäre hat. Was wiederum Dorfbewohner Mokhtar (Abdellah Chakiri) dazu ermuntert, Naïma noch aufdringlicher den Hof zu machen.

Fatahs Reise entwickelt sich nach und nach zu einem medialen Ereignis. Verfolgen zu Beginn die Kinder aus der Dorfschule seine Reise durch Frankreich - ein schöner Kunstgriff, den Regisseur Hamidi anwendet, um eine dramaturgische Klammer um die notgedrungen episodenhafte Handlung aufzubauen -, so entsteht nach dem Kuss-Handy-Foto eine immer größer werdende Internet-Fangemeinde, in der Fatahs Erklärung, das sei der Schnaps gewesen, nicht er, zum geflügelten Wort wird. Bald wird Fatah auch von einem Fernsehteam begleitet. Unter den Episoden auf Fatahs Reise quer durch Frankreich nimmt die Begegnung mit einem verarmten Adligen namens Philippe (Lambert Wilson) den größeren Raum ein. So unterschiedlich die zwei Männer auf den ersten Blick sein mögen, so schnell schließen sich die beiden gegenseitig ins Herz. Im schlossartigen Herrenhaus Philippes sieht Fatah Ausschnitte aus dem Spielfilm "Ich und die Kuh" ("La vache et le prisonnier") mit der französischen Leinwand-Legende Fernandel in der Hauptrolle, der "Unterwegs mit Jacqueline" offenbar Pate gestanden hat.

Die Freundschaft zwischen dem adligen Franzosen und dem algerischen Bauern steht symbolisch für den ganzen Film. Es handelt sich um zwei Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, die schnell in einen Streit geraten, die sich aber genauso schnell wieder versöhnen. Ein solcher kultureller Gegensatz tritt beispielsweise zu Tage, als Philippe Fatah hilft, seiner Frau einen Versöhnungsbrief zu schreiben. Denn Fatah darf auf keinen Fall den Brief mit ?Liebe Naïma? beginnen, das sei bei ihnen nicht üblich ? worüber sich Philipp nur wundern kann.

Mohamed Hamidi umschifft alle Klamauk-Klippen gekonnt. Dabei setzt er nicht nur einen langsamen Erzählrhythmus ein. Darüber hinaus behält er das Märchenhafte konsequent bei. Dazu erläutert Hamidi selbst: "Ich wollte keinen aggressiven Film machen, der klischeehaft zeigt, dass Immigranten stets zurückgewiesen werden. Abgesehen davon bin ich überzeugt, dass ein Mann, der heutzutage mit seiner Kuh auf den Straßen Frankreichs unterwegs wäre, überall auf Sympathie stoßen würde. Vor allem einer wie Fatah, natürlich."

Regisseur Hamidi betrachtet das Zusammentreffen zweier Kulturen von der komödiantischen Seite. So ist "Unterwegs mit Jacqueline" mit lustigen Einfällen gespickt. Dadurch, dass der Film immer wieder auf Gemeinsamkeiten hinweist, lässt er den Zusammenstoß der Kulturen in einem optimistischen Licht erscheinen, auch wenn vieles zugegebenermaßen märchenhaft anmutet.
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