ZEIT FÜR LEGENDEN - DIE UNGLAUBLICHE GESCHICHTE DES JESSE OWENS | Race
Filmische Qualität:   
Regie: Stephen Hopkins
Darsteller: Stephan James, Jason Sudeikis, Jeremy Irons, William Hurt, Shanice Banton, Eli Goree, David Kross
Land, Jahr: Kanada/ Frankreich/Deutschland 2016
Laufzeit: 118 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 8/2016
Auf DVD: 12/2016


José Garcia
Foto: Square One/ universum

Zum 80. Jahrestag der Olympischen Spiele Berlin 1936 strahlte die ARD Mitte Juli das Dokudrama "Der Traum von Olympia - Die Nazi-Spiele von 1936" aus, der zwei Persönlichkeiten in den Mittelpunkt stellte: Wolfgang Fürstner, den Erbauer des Olympischen Dorfes, und die Hochspringerin Gretel Bergmann. Der Spielfilm "Zeit für Legenden - Die unglaubliche Geschichte des Jesse Owens" ("Race") konzentriert sich auf den Ausnahmeathleten, der in Berlin vier Goldmedaillen gewann. Die Drehbuchautoren Joe Shrapnel und Amanda Waterhouse sowie Regisseur Stephen Hopkins teilen "Zeit für Legenden" in zwei etwa gleich lange Filmhälften.

Die erste Filmhälfte beleuchtet den Aufstieg des Sprinters und Weitspringers zur herausragenden Figur im US-amerikanischen Olympiateam von seinen Anfängen in Ohio im Jahre 1934 über die Aufstellung von vier Weltrekorden 1935 bis zur Abfahrt nach Berlin. Neben der beruflichen und privaten Entwicklung von Jesse Owens spielt dabei die Frage eines möglichen Olympia-Boykotts durch die USA eine herausragende Rolle. Der Präsident des US-Leichtathletik-Verbandes Avery Brundage (Jeremy Irons) setzt sich nach einem Besuch in Berlin gegen Jeremiah Mahoney (William Hurt) durch, der für einen Boykott plädiert. Der zweite Teil ist in Berlin angesiedelt. Ein besonderer Akzent wird auf den Weitsprung-Wettbewerb und auf die dabei entstandene, historisch verbürgte Freundschaft zwischen Owens und dem deutschen und Europameister Carl "Luz" Long gelegt.

Der kanadische Regisseur Stephan Hopkins setzt Jesse Owens ein filmisches Denkmal, ohne deshalb den Ausnahmesportler zu idealisieren. Stephen James verkörpert Jesse Owens mit einem unbedingten Willen zu Bestleistungen, aber auch mit einigen Schwächen, beispielsweise für die Schönheit einer verführerischen Frau, die ihn zeitweise seine Jugendliebe Ruth (Shanice Banton) vergessen lässt. James harmoniert im Zusammenspiel sowohl mit Jason Sudeikis als seinem Trainer Larry Snyder als auch mit David Kross, der "Luz" Long darstellt. Auch wenn der Film teilweise die computergenerierten Kulissen allzu deutlich erkennen lässt, wirken die Sportszenen glaubwürdig. "Zeit für Legenden" überzeugt insbesondere auch im Anprangern des damals nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Vereinigten Staaten herrschenden Rassismus.


Interview mit David Kross über seine Rolle als Weitspringer Carl "Luz" Long.

Sie spielen eine historische Figur, Carl "Luz" Long. Spüren Sie eine besondere Verantwortung bei der Darstellung eines Menschen, der wirklich existiert hat?

Es fühlt sich schon anders an, als wenn man eine fiktive Figur spielt, weil diese Person wirklich gelebt hat. Allerdings handelt es sich hier um eine eher kleinere Rolle, so dass es für eine Charakterstudie kaum Platz gibt. Ich konnte mir seine Art aneignen, Anlauf zu nehmen: Er hat beim Weitsprung zunächst das Bein hochgenommen, hat langsam angefangen und wurde immer schneller. Kleinigkeiten konnte ich ihm abgucken, aber es gibt keine Interviews, aus denen ich hätte ersehen können, wie Long spricht. Für mich war aber dieses eine Bild wichtig, wo er und Jesse Owens nebeneinanderliegen. Dieses Bild hat mich beeindruckt und berührt. Ab dem Moment wollte ich auch den Film machen, weil sich die beiden in einer so schwierigen Zeit auf einer freundschaftlichen und sehr sportlichen Ebene begegnen. Und das Bild hatte auch etwas Natürliches. Es wirkt nicht gestellt. Es kommt aus deren Innern, aus dem Sportlerdenken.

Wie ist es, eine kleinere Rolle in einem epischen Film zu spielen? Haben Sie auch eine Beziehung zum ganzen Film bekommen können?

Wir haben die Szenen, die im Olympiastadion spielen, in Montreal gedreht. Dort war nur eine Laufbahn, sonst nichts. Es gab nicht einmal ein Stadion, das wurde später im Computer eingefügt. Es ist eine andere Arbeitsweise, die man aus Deutschland nicht so kennt. Deshalb habe ich mich sehr auf meine Rolle fokussiert. Es ist schon sehr krass, sich vorzustellen, wie ein ganzes Stadion reagiert, beispielsweise wenn Hitler hineinkommt, und alle den Arm hochheben. Es muss beängstigend oder intensiv sein. Sich das alles vorzustellen, war nicht leicht. Für mich war es auch sehr schwer, als Long die Silbermedaille gewinnt und auf dem Podest den Hitlergruß macht. Es war sehr komisch, das zu tun ... Ich meine das ernst: Es war sehr eigenartig.

Die Wettkampfszenen haben Sie in Kanada gedreht. Aber die Szenen vor dem Olympiastadion haben Sie wohl an Ort und Stelle, also in Berlin, gedreht?

Ja, zum Beispiel die Szene mit der ersten Begegnung der beiden, wo wir uns anschauen, wurde vor dem Olympiastadion gefilmt. Auch die Dialogszene wurde in einem Hotel in Berlin gedreht, aber der Rest wurde in Montreal gefilmt.

Sie erwähnten vorhin die Aneignung des Anlaufs von Long. Gab es sonst besondere Vorbereitungen?

Ich war viel laufen. Woran ich zunächst nicht gedacht hatte, ist, dass sie früher ganz anderes Equipment hatten. Sie sind auf Sand gelaufen und hatten dicke Spikes. Das bedeutet, dass man nur mit dem vorderen Teil des Fußes gelaufen ist. Deshalb brauchten sie eine ganz andere Stützkraft. Dadurch ist auch das Sprungverhalten anders. Und wenn man nicht die entsprechenden Muskeln hat, geht das ganz schön krass auf die Gelenke und auf die Bänder. Ich musste immer danach beide Füße in einem Eimer Wasser kühlen.

Ganz schön viel Training für eine kleine Rolle, oder?

Ja, aber ich mag das. Das Schöne am Filmemachen ist es auch, dass man immer etwas dazulernen kann. Ich habe natürlich nicht gelernt, 7,80 Meter zu springen (lacht), aber ein bisschen laufen reicht mir auch. Wir hatten dort einen kanadischen Olympiatrainer dabei, der immer nachgesehen hat, dass wir es richtig machen.

Im kürzlich erschienenen Buch "Berlin 1936" sagt der Autor, dass Jesse Owens selbst das Gerücht in die Welt setzte, bei der Qualifikation habe ihm Luz Long ein Zeichen gegeben. Im Film sieht der Zuschauer, wie Long ein Handtuch hinlegt. Haben Sie sich dieses Zeichen selbst ausgesucht, oder kam das vom Regisseur?

Darüber herrschen viele Gerüchte. Es gibt verschiedene Varianten, zum Beispiel dass Long mit Jesse Owens sprach. Für den Film ist es viel schöner, dass er ein Handtuch hinlegt. Es ist etwas Filmisches, und es erzählt das Gleiche. Die beiden haben übrigens nach den Olympischen Spielen auch Briefkontakt gehabt.

Apropos Regisseur: Wie war die Zusammenarbeit mit Stephen Hopkins?

Er ist ein sehr herzlicher Regisseur, der sich auch Zeit nimmt. Stephan James als Jesse Owens und ich als Luz Long haben im Film eine Dialogszene, von der ich vorhin erzählte. Um sie vorzubereiten, sind wir drei alleine zum Set gegangen, und haben wirklich mit Zeit geprobt, damit alles seine Richtigkeit hat und auch die Umstände erzählt. Für einen Schauspieler ist es toll, wenn er das Gefühl hat, dass man Zeit hat.

Im Original heißt der Film "Race", was eine doppelte Bedeutung hat: Es heißt ja sowohl "Das Rennen" als auch "Die Rasse". Inwieweit ist der Film heute noch aktuell?

Es ist ein wichtiges Thema, sich daran zu erinnern, wohin es führen kann, wenn man gerade die Anfänge von Rassismus nicht sieht. Ich glaube, dass Sport an sich durch das Fair Play etwas dagegensetzen kann. Das ist auch die Botschaft des Filmes, dass es einen fairen, einen friedlichen Wettkampf geben kann. Für mich verbreitet der Film diese Sportlermentalität, eine gesunde Form von Konkurrenz und Kampf.

Carl Luz Long bekam nach den Spielen eine offizielle Rüge, dass er ja nie wieder einen "Neger" umarmt. Was wurde aus ihm?

Er wurde in den Krieg gezogen, und kam in Italien im Jahre 1943 um. Ich weiß, dass die beiden noch eine Brieffreundschaft unterhielten, obwohl sie aus ganz unterschiedlichen Ländern kamen. Auch wenn es damals nicht so einfach wie heute war, haben sie es doch getan. Es war sehr berührend, dass sie sich in dieser Zeit und vor diesem Hintergrund gut verstanden haben und sich einen fairen Wettkampf geliefert haben. Für Luz Long war es auch befriedigend, dass Jesse Owens viel weiter gesprungen ist. Denn dann wusste er: "Er ist viel besser. Ich habe verdient verloren".
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