BEN HUR | Ben-Hur
Filmische Qualität:   
Regie: Timur Bekmambetov
Darsteller: Jack Huston, Toby Kebbell, Rodrigo Santoro, Nazanin Boniadi, Morgan Freeman, Sofia Black D´Elia, Ayelet Zurer , Moises Arias, Pilou Asbæk
Land, Jahr: USA 2016
Laufzeit: 124 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 9/2016
Auf DVD: 1/2017


José Garcia
Foto: Paramount

Mit "Ben Hur" dürfte der geneigte Leser nicht so sehr den gleichnamigen, 1880 erschienenen Roman mit dem Originaltitel "Ben Hur: A tale of the Christ" von Lew Wallace und auch nicht dessen Verfilmung von Fred Niblo aus dem Jahre 1925, sondern eher den dreieinhalbstündigen Monumentalfilm von William Wyler mit Charlton Heston als Judah Ben Hur und Stephen Boyd als Messala aus dem Jahre 1959 verbinden. Wylers Film gewann im Jahre 1960 elf Oscars - ein Rekord, den er zusammen mit "Titanic" (1997) und "Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs" (2003) hält. Dass Wylers "Ben Hur" immer wieder im Fernsehen ausgestrahlt wird, zeugt davon, dass der Film - wie es so schön heißt - "gut gealtert ist". Wenn nun Lew Wallaces Roman neu verfilmt wird, ist es einerseits unvermeidlich, die nun im Kino anlaufende Neuverfilmung von Timur Bekmambetov mit Wylers klassischem Film zu vergleichen. Andererseits, und damit untrennbar verbunden, stellt sich die Frage, was nun Bekmambetovs "Ben Hur" anders betont, welche Schwerpunkte er nun setzt.

Auf den ersten Blick fällt die unterschiedliche Filmlänge auf. Benötigte William Wyler 1959 gut 220 Minuten für seine regelrecht epische Erzählung, so kommt der kasachische Regisseur Timur Bekmambetov mit gut 120 Minuten aus. Größtenteils ist dies darauf zurückzuführen, dass Bekmambetov im Mittelteil des Films Judah Ben Hurs (Jack Huston) Umweg über Rom einfach weglässt. Bei Wyler rettete Judah nach der Seeschlacht Konsul Quintus Arrius, den Kommandeur der Flotte, in der Ben Hur als Galeerensträfling jahrelang rudern musste. Erst nachdem Arrius ihn mit nach Rom genommen, ihm die Freiheit geschenkt und ihn sogar zum Adoptivsohn erhoben hatte, wird Judah zu einem erfolgreichen Wagenlenker in Roms Circus Maximus. Weil aber Judah immer noch die Sorge um den Verbleib seiner Mutter und Schwester umtreibt, kehrt er nach Jerusalem zurück - zumal mit Pontius Pilatus ein neuer Statthalter nach Palästina entsandt wird, der mit seinem Adoptivvater Arrius gut bekannt ist. Erst auf dem Heimweg trifft Judah Ben Hur auf den arabischen Scheich Ilderim, der von Judahs Geschick so sehr beeindruckt ist, dass er Judah anbietet, mit seinen Pferden gegen den Tribun Messala im Jerusalemer Circus anzutreten.

Dies alles fällt in der Neuverfilmung weg. Nachdem sich Judah nach der Seeschlacht rettet, wird er von Ilderim (Morgan Freeman) aufgenommen, der ihm das Wagenrennen beibringt. Zwar ändert diese Verkürzung nichts am Kern der Geschichte um Verrat, Rache und Vergebung. Die eine oder andere Holprigkeit in der Dramaturgie bringt dies jedoch mit sich - so wird Judah zu einem der weltbesten Wagenlenker in wenigen Tagen. Eine weitere Änderung betrifft die Rolle von Judahs Mutter Naomi (Ayelet Zurer) und Schwester Tirzah (Sofia Black D´Elia). Fallen in der Neuverfilmung die Szenen im Tal der Aussätzigen weg, so berührt dies zwar nicht den Kern der Erzählung, aber dramaturgisch weckt es schon den Eindruck einer Aneinanderreihung von unzusammenhängenden Szenen.

Mehr Sinn hat eine weitere Änderung in Bekmambetovs Film gegenüber Wyler - aber auch gegenüber der Romanvorlage. Das Judahs Familie angelastete Attentat besteht nicht darin, dass lose Ziegel auf den Statthalter fallen, als dieser an Ben Hurs Haus vorbeiparadiert. Judah hatte einen verletzten Eiferer gegen Roms Herrschaft in Jerusalem namens Dismas (Moises Arias) aufgenommen, der nun tatsächlich ein Attentat auf Pontius Pilatus (Pilou Asbaek) verübt - vereinfachend ist bereits zu Beginn der Handlung Pilatus der Statthalter in Palästina und nicht erst Jahre später. Dies macht auch glaubwürdiger, dass sich Messala (Toby Kebbell) unter Druck fühlt und die Gefangennahme seines ehemaligen Freundes und dessen Familie anordnet.

Schwerwiegender aber als die teilweise zulasten des Erzählrhythmus fallenden Vereinfachungen im Drehbuch wiegt jedoch ein gewisser Hang zur Überdeutlichkeit. Dies betrifft bereits die Eingangsszene: Der Film beginnt mit einer erklärenden Off-Stimme, der Jahresangabe "33 nach Christus" und Bildern aus dem Wagenrennen, um dann nach einem Schnitt und der Zwischenschrift "8 Jahre vorher" chronologisch weiterzuerzählen. Diese, der Fernsehdramaturgie entnommene Unsitte, die vermeintlich spannende Szene eines Filmes an dessen Anfang zu setzen, wirkt in "Ben Hur" völlig fehl am Platz. Der Drang, dem Zuschauer nicht den geringsten Raum für die eigene Vorstellungskraft zu überlassen, wird deutlich an Jesu (Rodrigo Santoro) Darstellung. In Wylers Film ist Jesu Gesicht nie zu sehen, was von vielen Zuschauern als wohltuend empfunden wird. In der Neuverfilmung erscheint Jesus viermal, häufig ohne erkennbaren Zusammenhang mit der Haupthandlung von ?Ben Hur?. So ist Jesu Gesicht beispielsweise an der sowohl im Roman als auch in Wylers Verfilmung ebenfalls vorkommenden Episode in Nazareth, als Judah das Wasser verweigert wird und ihm ein Zimmermann Wasser zu trinken gibt, deutlich zu sehen. Die wenigen Sätze, die Jesus über Gottes Vergebung sagt, wirken außerdem eher aufgesetzt.

Aufgesetzt wirkt ebenfalls die entscheidende Änderung in der neuen "Ben Hur"-Verfilmung gegenüber dem klassischen Film. Die an sich schöne Botschaft von Vergebung statt Rache kann letztlich nicht überzeugen - und dies nicht nur wegen der im Vergleich zu Charlton Heston und Stephen Boyd amateurhaft spielenden Jack Huston und Toby Kebbell, sondern auch wegen der missglückten Dramaturgie. Gut gemeint ist eben das Gegenteil von gut.
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