MULTIPLE SCHICKSALE - VOM KAMPF UM DEN EIGENEN KÖRPER | Multiple Schicksale - Vom Kampf um den eigenen Körper
Filmische Qualität:   
Regie: Jann Kessler
Darsteller: (Mitwirkende): Berni Meier, Graziella Just, Luana Montanaro, Rainer Dunstheimer, Melanie Matoori, Ursula Baumgartner, Oliver Merz
Land, Jahr: Schweiz 2015
Laufzeit: 85 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 9/2016


José Garcia
Foto: SpotOn

Eine sehr persönliche und engagierte, aber auch schlichte Bildersprache verwendet der erst 19-jährige Schweizer Jann Kessler in "Multiple Schicksale - Vom Kampf um den eigenen Körper". Als Jann fünf Jahre alt ist, wird bei seiner Mutter Ursula die Nervenkrankheit Multiple Sklerose diagnostiziert, die sich bei ihr außergewöhnlich schnell entwickelt. Erst mit 18 Jahren, als seine Mutter nicht mehr sprechen kann, entscheidet er sich, einen Film nicht nur über sie, sondern auch über die tückische Krankheit zu drehen. Jann Kessler interviewt sieben Patienten, die in unterschiedlichen Stadien an MS leiden und auf verschiedene Art und Weise mit den damit einhergehenden Einschränkungen umgehen.

So besucht Jann Kessler etwa Rainer, der sich später für den assistierten Suizid mit Unterstützung der Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit entscheiden wird. Einen entgegengesetzten Weg geht Oliver, der die Diagnose zum Anlass nahm, sich intensiv mit dem Glauben zu befassen. Heute, zwanzig Jahre später, ist er inzwischen Theologe und Vater dreier Kinder. Oliver geht mit der Krankheit offen um. Dies gilt ebenso für die 18-jährige Luana, die zwar keinen Sport mehr betreiben kann, aber dennoch sehr aktiv ist. Auch andere MS-Kranke müssen die Veränderungen verarbeiten, die ihnen die Krankheit bringt, so etwa die 27-jährige Melanie. Seit sie auf dem einen Auge nichts mehr sieht, versucht sie, das Leben gemütlicher anzugehen. Auch Graziella möchte, dass trotz eingeschränkter Gehfähigkeit die Krankheit nicht ihr ganzes Leben bestimmt, so dass sie sich um ihre beiden Kinder kümmern kann. Schwieriger stellt sich die Lage für Bernardette dar, die trotz lebensfroher Natur unter dem Abbau des eigenen Körpers auch psychisch leidet. Dennoch: Neben den Begegnungen und Momenten, die Jann Kessler mit den Betroffenen und deren Angehörigen teilt, verarbeitet der Filmemacher auch die Erfahrungen mit seiner Mutter und ihrer Krankheit. Einen Einblick in diesen Prozess liefern die Szenen, in denen Kessler seine Mutter im Krankenhaus besucht und ihr aus Hermann Hesses "Siddhartha" vorliest.

Dass "Multiple Schicksale - Vom Kampf um den eigenen Körper" handwerklich - von der Dramaturgie über die Kameraführung und Lichtsetzung bis zum Schnitt - nicht mit den meisten Dokumentarfilmen Schritt halten kann, ist verständlich. Andererseits wirkt gerade diese Unerfahrenheit besonders authentisch. Kesslers Film zeugt von einer ungekünstelten Nähe, nicht nur zu seiner eigenen Mutter, sondern auch zu den anderen porträtierten MS-Kranken.
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