VOLLPOSTEN, DER | Quo vado?
Filmische Qualität:   
Regie: Gennaro Nunziante
Darsteller: Checco Zalone, Eleonora Giovanardi, Sonia Bergamasco, Maurizio Micheli, Ludovica Modugno, Ninni Bruschetta, Paolo Pierobon, Azzura Martino, Lino Banfi
Land, Jahr: Italien 2016
Laufzeit: 86 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: D
im Kino: 9/2016
Auf DVD: 2/2017


José Garcia
Foto: Weltkino

Selbstironie gehört zu den schönsten Zutaten einer Komödie. Der die eigenen Klischees auf die Schippe nehmende italienische Spielfilm "Der Vollposten" ("Quo vado?") scheint in seinem Heimatland einen richtigen Nerv getroffen zu haben: Mehr als zehn Millionen Zuschauer hat er in die Kinos gelockt, womit er zur erfolgreichsten einheimischen Filmproduktion schlechthin avanciert ist.

Doch die ersten Gags können allerdings nicht als Selbstironie, sondern vielmehr als "Witz mit Ansage" genannt werden: Checco (Checco Zalone) reist in einem Jeep-Taxi durch Afrika. Kaum hat der Fahrer Checco davon erzählt, dass der Wagen 30 Jahre lang ohne Panne gefahren sei, streikt der Motor. Na ja, wenigstens sei das Wetter super, sagt der Taxifahrer daraufhin - es folgt ein Wolkenbruch. Als der Chauffeur dann von den freundlichen Ureinwohnern spricht, kann sich der Zuschauer denken, wie es weitergeht: Sie entpuppen sich als Kannibalen. Bevor sie Checco als Abendessen zubereiten, geben sie ihm aber eine Chance, aus seinem Leben zu erzählen. Das Gericht, das der Kannibalen-Stamm über den Italiener hält, bildet sozusagen die Rahmenhandlung von "Der Vollposten".

Bereits als Kind stand für Checco fest: Sein Traumberuf war - wie schon bei seinem Vater - eine Stelle "im öffentlichen Dienst". Jahre später hat er es geschafft: Checco sitzt auf einem "Vollposten" in der Abteilung für Jagd und Fischerei in der Provinzverwaltung seiner Heimatstadt. Was auch einen nicht zu unterschätzenden Nebenvorteil hat: Checco kann bei der Mamma weiterwohnen und von ihr verwöhnt werden, ehe sich der Beamte auf das Rad schwingt, um die paar Meter bis zum Rathaus zu fahren. "Jeden Morgen nahm ich meine Stechkarte und ging in die Bar". Plötzlich soll aber der gesamte italienische öffentliche Dienst effizienter gestaltet werden. Natürlich gibt es jede Menge Ausnahmen für die neue Regelung ? Checco trifft die Verwaltungsreform als Einzigen in seiner Behörde. Die Personalchefin Sironi (Sonia Bergamasco) stellt ihn vor die Wahl: Kündigung mit einer saftigen Entschädigung oder Versetzung. Aber Checco hat all die Jahre nicht so hart "gearbeitet", um seine Festanstellung aufzugeben. Und so wird er dahin und dorthin versetzt, so zuletzt an den Nordpol, wo er ein Forscherteam vor Eisbären schützen soll. Als Checco dabei ist aufzugeben und ernsthaft über die Entschädigung nachdenkt, lernt er die hübsche Forscherin Valeria (Eleonora Giovanardi) kennen, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Mit ihr zieht er später nach Norwegen, wo er mit einer ganz anderen Kultur in Berührung kommt, die der italienischen entgegengesetzter kaum sein könnte. Aus Liebe zu Valerie passt sich Checco diesen Lebensgewohnheiten so sehr an, dass nicht einmal seine Eltern ihn wiedererkennen, als sie zu Besuch in den kalten Norden fahren. Die bereits angesprochene "Rahmenhandlung" stellt sich lediglich als ein Vorwand heraus, damit Regisseur Gennaro Nunziante und sein Mit-Drehbuchautor Checco Zalone eine ganze Reihe aus lauter Italien-Klischees stammende Gags aneinanderreihen. Da ist es beispielsweise überhaupt nicht wichtig, warum Checco die in einer schnell geschnittenen Sequenz aufeinanderfolgenden Posten verlassen und wieder versetzt werden muss. Für die Handlung bedeutsamer nimmt es sich demgegenüber aus, wie beispielsweise die Kamera von Vittorio Omodei Zorini die schrecklich kalte und dunkle Umgebung im Polarkreis in eine wunderschöne Schneelandschaft verwandelt, sobald Valeria auf der Erdfläche erscheint.

Trotz des deutschen Verleihtitels, der die Assoziation "Der Vollpfosten" nahelegt, was vom verunglückten Filmplakat auch noch unterstützt wird, ist Checco keine Witzfigur. Die Witze gehen eher auf das Konto des von Korruption und Amtsmissbrauch durchsetzten italienischen öffentlichen Dienstes im Besonderen. Sie zielen aber im Allgemeinen auch auf einige Spielarten des italienischen Lebensgefühls: das verwöhnte Mamma-Söhnchen, das seiner Verlobten (Azzura Martino) nur einen Heiratsantrag macht, um die Festanstellung zu behalten, und diesen dann zurücknimmt, als Checco erfährt, dass auch eine Heirat ihn nicht vor der Versetzung schützt, Checcos Macho-Gehabe ... Zur Krönung aller Italien-Klischees dürfen nicht einmal Al Bano und Romina Power fehlen, die zunächst mit "Felicita" den Film untermalen und später sogar beim Festival San Remo 2015 ein Comeback feiern.

Checco Zalone - so der Künstlername von Luca Pasquale Medici, der sich von "che cozzalone" ableitet, was im Dialekt seiner Heimatstadt Bari so viel bedeutet wie "was für ein Proll" - gibt sich zunächst einmal alle nur erdenkliche Mühe, ihn als verwöhnt, unsympathisch und ausschließlich auf seinen eigenen Vorteil bedacht darzustellen. Erst durch die Liebe zu Valeria ist Checco bereit, über den Schatten des Muttersöhnchens und Möchtegern-Machos zu springen, sogar im Haushalt zu helfen und andere uritalienische Gewohnheiten (Stichwort "Hupen im Straßenverkehr") abzustreifen.

Mit einem nie vulgär werdenden Humor, der sich aus dem Kulturschock, aber auch aus einem selbstironischen "Spiegel-Vorhaltens" speist, zeichnen Regisseur Nunziante sowie Hauptdarsteller und Mit-Drehbuchautor Zalone einen trotz aller Marotten letztendlich liebenswürdigen Charakter, der sich vor allem durch seine Liebe zu Valeria bereit zeigt umzudenken. Dass so viele italienische Zuschauer offenkundig ebenfalls bereit sind, darüber zu lachen, macht die italienische Lebensart am Ende doch noch umso liebenswerter.
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