INSEL DER BESONDEREN KINDER, DIE | Miss Peregrine´s Home for Peculiar Children
Filmische Qualität:   
Regie: Tim Burton
Darsteller: Asa Butterfield, Ella Purnell, Eva Green, Allison Janney, Judi Dench, Samuel L. Jackson
Land, Jahr: USA, Großbritannien, Belgien 2016
Laufzeit: 127 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2016
Auf DVD: 2/2017


José García
Foto: Fox

Das Fantasy-Genre erfreut sich großer Beliebtheit in Romanen und Filmen. Spätestens seit dem weltweiten Erfolg der Roman-Trilogie "Die Tribute von Panem" ("The Hunger Games") nehmen sie häufig die Form von düsteren Zukunftsvisionen an. Neben diesen dystopischen oder postapokalyptischen Romanen und Filmen mit Jugendlichen, so zuletzt etwa Boy 7 und Maze Runner - Die Auserwählten in der Brandwüste, stellen andere, nicht minder düstere Romane und Spielfilme Kinder und Jugendliche mit "besonderen Fähigkeiten" in den Mittelpunkt - nach dem Vorbild der überaus erfolgreichen "Harry Potter"-Saga.

Im Jahre 2011 veröffentlichte der 1980 geborene US-amerikanische Autor Ramson Riggs "Miss Peregrine´s Home for Peculiar Children", der 2013 auf Deutsch unter dem Titel "Die Insel der besonderen Kinder" erschien. Die Verfilmung durch Jane Goldman (Drehbuch) und Tim Burton (Regie) startet nun im deutschen Kinoprogramm.

Laut Ramson Riggs ließ er sich für seinen Roman von einer Reihe uralter Fotos inspirieren. Mit einer kunstvollen Collage alter Fotos, in denen die Augen der dort abgebildeten Menschen durch weiße Kreise ersetzt wurden, beginnt denn auch Tim Burtons "Die Insel der besonderen Kinder". Eine ebenso alte Landkarte führt nach Florida, während eine Off-Stimme davon erzählt, dass sich manchmal "alle Tage gleichen" - ein erster, noch versteckter Hinweis auf ein wichtiges Handlungselement im Film. Ein weiterer Bote dessen, was später kommen wird, ist ein alter Mann (Samuel L. Jackson), der in Sekundenschnelle über die Leinwand huscht - bei dem aber die leeren Augenhöhlen zu erkennen sind. Die Off-Stimme gehört dem 16-jährigen Jake (Asa Butterfield), der von seinem Großvater Abe (Terence Stamp) immer wieder fantastische Geschichten gehört hat, die sich in einem Heim in Wales abspielten, wo Abe Teile seiner Kindheit verbrachte. Als dann sein Großvater unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt, muss Jake herausfinden, was in Opas Erzählungen der Wahrheit und was der Fantasie entsprungen ist ? ein Motiv, das Tim Burton bereits in seinem Meisterwerk Big Fish - Der Zauber, der ein Leben zur Legende macht behandelte. In seiner visuellen Umsetzung erinnert "Die Insel der besonderen Kinder" ebenfalls an "Big Fish".

Um Realität von Fantasie zu unterscheiden, soll Jake nach dem Rat seiner Therapeutin Dr. Golan (Allison Janney) in Großbritannien das Heim suchen, von dem sein Großvater immer wieder gesprochen hatte. So reist er zusammen mit seinem Vater Franklin (Chris O´Dowd) auf die walisische Insel Cairnholm mit ihren 92 Einwohnern. Die spannungsgeladene Musik von Michael Higham und Matthew Margeson deutet bereits an, dass nun ein Abenteuer beginnen wird. Zwar stellt sich das Heim zunächst einmal als ein riesiges, aber im Zweiten Weltkrieg durch eine deutsche Flugzeugrakete zerstörtes Haus heraus. Dies ändert sich jedoch, als Jake plötzlich in eine "Zeitschleife" gerät und die Bewohner von Miss Peregrines (Eva Green) Heim kennenlernt. Diese erleben den 3. September 1943, als in den Abendstunden das Heim zerstört wurde, immer wieder neu. Kurz vor dem Aufprall des Flugkörpers wird die Zeit zurückgedreht und derselbe Tag beginnt von neuem. Der vermeintlich sichere Ort wird allerdings von einer neuen, dunklen Macht bedroht. Jake erfährt, dass er als Einziger eine Gabe besitzt, mittels derer er die "besonderen Kinder" beschützen kann. Kameramann Bruno Delbonnel findet ein ansprechendes Gleichgewicht zwischen der altmodischen Anmutung des Anwesens im Jahre 1943 mit farbenträchtigen Bildern und der fantasievollen-düsteren Handlung, in die Motive aus Märchen und Superhelden-, aber auch aus Horrorfilmen Eingang finden. Der makabre Ton des Filmes macht "Die Insel der besonderen Kinder" zu einem Film zwar für Jugendliche und Erwachsene, aber keineswegs für Kinder. Dass der Film in 3D gefilmt wurde, verleiht ihm eine gewisse Bildtiefe, aber der Effekt wirkt eher verzichtbar. Tim Burton setzt Spezialeffekte zunächst handlungsbedingt ein. Lediglich gegen Ende verselbständigen sie sich in einem bombastischen Finale, das ein echtes Actionfeuerwerk entfacht.

Über die visuell starke Umsetzung und die märchenhafte Anmutung hinaus zeichnet sich Tim Burtons Film durch Charaktere, insbesondere Jake, Miss Peregrine und die schwerelose Emma (Ella Purnell) aus. Bei der Vielfalt an "besonderen Kindern", die im Miss Peregrines Heim leben, kann allerdings nicht jedem Charakter der gleich große Raum geboten werden. Sie alle kennzeichnet ein menschlicher Konflikt: Sie sind dazu verdammt, immer wieder denselben Tag zu erleben, ohne altern zu können, während sie von Monstern bedroht werden. Auf der Metaebene erweist sich "Die Insel der besonderen Kinder" als ein Film über das Erwachsenwerden.

Der Außenseiter Jake muss seinen Platz in der Welt finden. Dabei spielt eine besondere Rolle seine aufkeimende Liebe zu Emma, aber auch seine ungebrochene Zuneigung zu seinem Großvater, dessen fantasievolle Geschichte Jake auf deren Wahrheitsgehalt prüfen will ? ähnlich Will im eingangs erwähnten "Big Fish", der zeit seines Lebens von seinem Vater nur kaum zu glaubende Geschichten gehört hatte. Der Film eröffnet viele Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung der Handlung. Ramsom Riggs hat bereits 2014 einen zweiten, 2015 einen dritten Roman veröffentlicht. Ob sie ebenfalls verfilmt werden, wird vom Kassenerfolg der Burton-Verfilmung abhängen.
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