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José GarcÃa Foto: FilmKinoText Die Prinz-Albrecht-StraÃe steht heute auf keinem Stadtplan von Berlin. Die entsprechende Suche bei "Google Maps" verweist auf die NiederkirchnerstraÃe, eine StraÃe im Berliner Ortsteil Mitte an der Südgrenze zum Ortsteil Kreuzberg im Bereich des ehemaligen Verlaufs der Mauer. Auf der nördlichen Seite Richtung Potsdamer Platz steht das Abgeordnetenhaus Berlin, auf der südlichen Seite der Martin-Gropius-Bau. Ãstlich des Martin-Gropius-Baus befindet sich heute die Dauerausstellung "Topographie des Terrors". Ihre Anschrift: NiederkirchnerstraÃe 8. Als sie noch Prinz-Albrecht-StraÃe 8 lautete, stand hier das Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Der Reichsführer SS nahm ab 1934 in der Prinz-Albrecht-StraÃe 9, im ehemaligen Hotel Prinz Albrecht, seinen Sitz. Weil dort der Terror und Völkermord in Europa in den Jahren 1933?1945 geplant wurde, lastete auf diesem Grundstück nach dem Zweiten Weltkrieg eine Art Fluch. Da die innerdeutsche Grenze genau durch die NiederkirchnerstraÃe verlief, lag das Gelände jahrzehntelang als Brache sozusagen im Niemandsland zwischen West- und Ostberlin, zwischen zwei gegensätzlichen Systemen, die zwar ihre Geschichte anders interpretierten, in denen aber auch Kontinuitäten festzustellen sind: Gegenüber der Ausstellung "Topographie des Terrors" befindet sich die rückwärtige Seite des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums von Hermann Göring, das nach der Teilung auf DDR-Seite verblieb und das "Haus der Ministerien" beherbergte. Heute ist der Gebäudekomplex mit der Anschrift WilhelmstraÃe 97 Sitz des Bundesministeriums der Finanzen. Mitte der achtziger Jahre kommt Martin Gressmann als junger Mann nach Berlin und tritt in einen Dialog mit seiner GroÃmutter, die ihm als Kind von diesem Gelände an der Prinz-Albrecht-StraÃe erzählt hatte. Als er sich auf die Suche danach zwischen WilhelmstraÃe und Prinz-Albrecht-StraÃe macht, stellt er allerdings überrascht fest, dass die Prinz-Albrecht-StraÃe nicht mehr existiert. Sie wurde 1945 (oder erst 1951) nach einer Kommunistin und Widerstandskämpferin in Käthe-Niederkirchner-StraÃe umbenannt. 1961 verschwindet sie unter der Berliner Mauer. Von den berüchtigten Verwaltungsgebäuden der Nationalsozialisten sind nur noch Schuttberge übrig. Martin Gressmann beginnt 1986 dieses mit Schutt übersäte Gelände zu filmen. Das damit verbundene Nachdenken über den öffentlichen Umgang mit den historischen Altlasten beschäftigt ihn so sehr, dass Martin Gressmann 27 Jahre lang die Aufs und Abs auf dem Gelände mit der Kamera kontinuierlich festhält. Im Gegensatz zu seinem Umkreis, der sich nach dem Fall der Mauer rapide veränderte, blieb das Gelände trotz einiger Anläufe zwischen 1986 und 2013 fast unverändert 27 Jahre ungenutzt, bis schlieÃlich auf dem Gelände ein Dokumentationszentrum entstand. Die Aufnahmen aus 27 Jahren schnitt Martin Gressmanns zum Langzeitbetrachtungs-Dokumentarfilm "Das Gelände" zusammen, der den Preis der deutschen Filmkritik für den Besten deutschen Dokumentarfilm 2015 und den Kamerapreis des Achtung Berlin-Festivals gewann und nun im regulären Kinoprogramm startet. Die ersten, noch körnigen Aufnahmen zeigen die Mauer, den Gropiusbau, die Schuttberge in mildem Sommerlicht. Die Bilder vermitteln den Eindruck einer Einöde oder eines verwunschenen Ortes mitten in der Stadt beziehungsweise damals noch am Ende von West-Berlin. Darauf folgen die ersten Ausgrabungen: Mitte der 1980er Jahre begannen Bürgerinitiativen damit, die Fundamentreste der Gestapogebäude, die man nach Kriegsende abgerissen hatte, auszugraben und zu sichern. Dies bringt eine neue Auseinandersetzung mit der Geschichte der Täter und ihrer Verwaltungsstrukturen im Dritten Reich mit sich. "Das Gelände" zeigt etwa die freigelegten Grundmauern des ehemaligen Prinz-Albrecht-Palais. Nach dem Fall der Mauer wird aus der einst vergessenen Brache am Rande von West-Berlin ein geschichtsträchtiges Gelände im Herzen der Stadt. Es beginnen die Diskussionen um den richtigen Umgang mit der NS-Vergangenheit beziehungsweise um die richtige Kennzeichnung der Terrorstätten. Im Zuge der 750-Jahr-Feier Berlins entsteht bereits 1987 das Projekt "Topographie des Terrors". Die Ausschreibung eines Museumkomplexes gewinnt 1993 der Schweizer Architekt Peter Zumthor, aber sein Entwurf bleibt ein Torso. Die bereits gebauten Treppentürme wurden 2004 abgerissen. Martin Gressmann hält den Abriss mit seiner 35 mm-Kamera fest ? zu den alten kamen neue Trümmer. Nachdem im Juni 2005 ein neuer Architektenwettbewerb ausgeschrieben wird, beginnt 2007 der Neubau eines Dokumentationszentrums, das im Jahre 2010 fertiggestellt wird: "Das Provisorium ist fast vorbei", heiÃt es im Film. Die zahlreichen Experten, Historiker und Politiker, Archäologen und Architekten, die in "Das Gelände" zur Sprache kommen, lassen ein vielschichtiges Zeitbild entstehen. Die Kamerabewegungen entsprechen darüber hinaus dem Freilegen von Geschichte. Der Blick der Kamera richtet sich auf die Frage nach dem "richtigen" Umgang mit der Vergangenheit und deren Sichtbarmachung. Dadurch wird "Das Gelände" zu einem filmischen Nachdenken. In der Jurybegründung für die Verleihung des Preises der deutschen Filmkritik 2015 heiÃt es: "Seine Langzeitdokumentation liefert eine Reflexion zwischen Vergessenheit und Bedeutungsschwere. Mit geschultem Blick für das Wesentliche und das interessante Nebensächliche stellt Martin Gressmann einen archäologischen Kalender zusammen, der Geschichte sichtbar macht." |
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