XIAOS WEG | Together
Filmische Qualität:   
Regie: Chen Kaige
Darsteller: Tang Yun, Liu Peiqi, Chen Hong, Wang Zhiwen, Chen Kaige, Cheng Qian
Land, Jahr: China/Südkorea 2002
Laufzeit: 117 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum: ohne Altersbeschränkung
Einschränkungen: -


JOSÉ GARCÍA
Foto: Kinostar

Chen Kaige bildet zusammen mit Zhang Yimou, Ang Lee und Wong Kar-wai die Regisseurriege, die für einen größeren Bekanntheitsgrad des chinesischen Films im Westen sorgte. Während sich jedoch in der Filmografie des Taiwanesen Ang Lee der Grenzgänger zwischen Ost und West manifestiert, und in den Filmen des Hong-Kong-Chinesen Wong Kar-wai der westliche Einfluss deutlich wird, wählten die Absolventen der Pekinger Filmhochschule Chen Kaige (Jahrgang 1952) und Zhang Yimou (1951) als Sujets für ihre Filme zumeist Stoffe aus der chinesischen Geschichte. Die begeisterte Aufnahme ihrer Filme im Westen war wiederum der Garant dafür, dass sie trotz einer Zensur, die selbst Kritik am ersten Kaiser Chinas als konterrevolutionär einstufte, weiterhin in der Volksrepublik arbeiten konnten.

Mit Zhang Yimou, der in Chens erstem Film „Yellow Earth“ (1984) für die Kamera verantwortlich zeichnete, verbinden Chen Kaige nicht nur die historischen Sujets, die sich über lange Zeiträume erstreckten, sondern auch deren Umsetzung in bildgewaltige Tableaus. Chens bekanntester Film „Lebewohl, meine Konkubine“ (1992), der mit der „Goldenen Palme“ in Cannes 1993 ausgezeichnet wurde und darüber hinaus einen „Golden Globe“ gewann, verfolgte zwei Darsteller der Peking-Oper über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren. In „Der Kaiser und sein Attentäter“ (1999) beschäftigte sich Cheng Kaige mit einer Zeit, als China noch ein geteiltes Land war, in dem sieben Königreiche um die Vorherrschaft kämpften und der mächtige König Qin nach der Vereinigung zu einem großen chinesischen Imperium strebte und so der erste Kaiser im Reich der Mitte wurde – das gleiche Sujet des letzen Films Zhan Yimous „Hero“.

Die Parallelen in der Filmografie der beiden chinesischen Regiemeister setzen sich fort: siedelte Zhang „Keep Cool“ (1997) und „Happy Times“ (2001) im „modernen“ China an, so spielt der neueste Film Chens „Xiaos Weg“, der nun im deutschen Kino startet, ebenfalls in der chinesischen Großstadt der Gegenwart, in Peking.

Dorthin zieht es Liu Cheng mit seinem 13jährigen Sohn Xiao, damit der offensichtlich fürs Geigenspiel begabte Xiao eine richtige Karriere beginnen kann. Bald gelingt es Liu, für seinen Sohn den kauzigen Professor Jiang als Privatlehrer zu gewinnen. Dieser hilft dem Jungen zu finden, was seinem inzwischen technisch perfekten Spiel noch fehlt, um echte Virtuosität zu entwickeln: Gefühl. Während jedoch Xiao und Jiang langsam zueinander eine Zuneigung gewinnen, die sich auf das Spiel des Jungen positiv auswirkt, entdeckt Liu Professor Yu (von Chen Kaige selbst gespielt) als angesehenen Lehrer berühmter Geigenspieler und setzt seine Überredungskunst ein, damit sich Professor Yu Xiao annimmt und ihm zur Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb verhilft. In der sterilen Umgebung Professor Yus fühlt sich Xiao indes unwohl. Sein Interesse für die Musik lässt nach, dafür wird seine Schwärmerei für die hübsche Lili (von Chens Ehefrau Chen Hong dargestellt) umso größer.

Anhand der zwei Musiklehrer verdeutlicht „Xiaos Weg“ den Gegensatz zwischen der klassischen chinesischen Gesellschaft und dem modernen China, das dem westlichen Materialismus erlegen ist: Professor Jiangs Behausung steht in krassem Kontrast zum westlich-aseptisch eingerichteten Appartement Professor Yus. Während der erste auf innere Werte, auf die „Musik um ihrer selbst willen“ setzt, spielen bei Professor Yu lediglich Geld, Ruhm und Erfolg eine Rolle. Dieses „moderne“ China wird ebenfalls in der Figur des leichten Mädchens Lili verkörpert, das alle „Errungenschaften“ der Wohlstandsgesellschaft anstrebt – vom Handy über Kosmetika bis zum Pelzmantel.

Gerade durch Lilis Wandlung dank der Bekanntschaft mit dem Jungen wird die durch „Xiaos Weg“ geübte Kritik an einer Verwestlichung deutlich, die materielle Güter und Erfolg über traditionelle Werte stellt. Obwohl Chen Hongs Schauspielkunst an die großen chinesischen Schauspielerinnen Gong Li, Maggie Cheung und Zhang Ziyi kaum heranreicht, stellt ihre Figur Lili eine deutliche Parallele zu den Schlüsselrollen dar, die diese Darstellerinnen in Zhang Yimous oder Wong Kar-wais Filmen immer wieder verkörperten.


Selbst der zugegebenermaßen kitschige Ausgang trübt kaum das klare Plädoyer des Filmes für eine über die bloße Wissensvermittlung hinaus gehende ganzheitliche Erziehung – darin etwa Zhang Yimous „Keiner weniger“ (2000) ähnlich – und für die Familie: „Xiaos Weg“ bietet nicht nur eine Gesellschaftskritik an der „spirituellen Krise in der heutigen chinesischen Gesellschaft“ (Chen Kaige), sondern vermittelt auch allgemeingültige, universelle Werte.
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