ARRIVAL | Arrival
Filmische Qualität:   
Regie: Denis Villeneuve
Darsteller: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg, Mark O´Brien
Land, Jahr: USA 2016
Laufzeit: 116 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 11/2016
Auf DVD: 3/2017


José García
Foto: Sony

Sind wir alleine im Universum oder existieren vernunftbegabte Wesen auf anderen Planeten? Die Frage hat nicht nur ausgewiesene Science-Fiction-Autoren wie H.G. Wells (1866-1946) mit seinem Roman "Krieg der Welten" ("The War of the Worlds", 1898), sondern auch "seriöse" Schriftsteller angetrieben: C.S. Lewis (1898-1963) veröffentlichte in den Jahren 1938-45 die "Perelandra"-Trilogie ("The Space Trilogy"), in der Lewis das Leben von Menschen auf einem anderen Planeten mit christlichem Gedankengut - Schöpfung, Sündenfall, Erlösung - in Einklang brachte. Das Kino hat Besucher aus dem All meistens als Bedrohung angesehen - von "Kampf der Welten" (1953) über "Independence Day" (1996) bis "Seelen" ("The Host", 2013) und "Independence Day: Wiederkehr" (2016). Dem gegenüber stehen "Unheimliche Begegnung der dritten Art" (1977) und vor allem "E.T. - Der Außerirdische" (1982), beide von Steven Spielberg, die Außerirdische als freundliche Wesen darstellen.

Denis Villeneuves nun im deutschen Kinoprogramm startender Spielfilm "Arrival" stellt die Frage in den Mittelpunkt: Kommen die außerirdischen Besucher auf die Erde in friedlicher Absicht? Der eigentlichen Handlung von "Arrival" geht jedoch die Geschichte von dessen Hauptfigur, der Sprachwissenschaftlerin Louise Banks (Amy Adams), voraus. Ihre Off-Stimme erzählt von Geburt und Heranwachsen ihrer Tochter Hannah, die aber in jungen Jahren offenbar an einer Krebserkrankung starb. Für Drehbuchautor Eric Heisserer und Regisseur Denis Villeneuve ist dies weit mehr als eine Art, die Protagonistin ihres Filmes einzuführen, nicht nur, weil die Mutter-Tochter-Beziehung immer wieder als Rückblende die Haupthandlung unterbricht. Darüber hinaus spielt sie auf der Metaebene, insbesondere in Louise Banks Nachsinnen über die Zeit und die Zeitabfolge, eine herausragende Rolle.

Die äußere Handlung von "Arrival" beginnt mit einer Vorlesung der Sprachwissenschaftlerin, die jäh durch eine Nachricht unterbrochen wird: Auf der ganzen Erde verteilt sind ohne jegliche Vorwarnung zwölf riesige, muschelförmige Objekte "gelandet" - sie schweben einige Meter über dem Boden. Bald erscheint in Louises Büro Colonel Weber (Forest Whitaker). Offenbar suchen die Außerirdischen den Kontakt - aber bislang ist eine Kommunikation unmöglich gewesen. Die US-Regierung möchte jedoch herausfinden, in welcher Absicht die Außerirdischen auf die Erde gekommen sind.

Zusammen mit dem Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) wird Banks nach Montana geflogen, wo sich die Außerirdischen in den Vereinigten Staaten niedergelassen haben. Bald erfahren sie, dass sich in dem riesigen Raumschiff zwei Heptapoden ("Siebenbeiner") mit elefantenartiger Größe befinden, die aber nie die "Muschel" verlassen. Stattdessen öffnen sie alle acht Stunden einen Zugang, durch den die Erdbewohner bis zu einem Vorraum gelangen können, der vom Hauptraum mit den Heptapoden von einer durchsichtigen Scheibe getrennt ist. Warum dies so ist, bleibt ebenso zunächst im Unklaren.

Banks und Donnelly sollen herausfinden, wie sie mit den "Heptapoden" - die sie nach dem berühmten amerikanischen Komiker-Duo der 1940er und 1950er Jahre "Abbott und Costello" nennen - kommunizieren können. Dafür steht ihnen jeweils ein Team im nahegelegenen Krisen-Hauptquartier zur Verfügung, in dem ebenfalls zu den anderen elf Orten auf der ganzen Welt, wo sich die Aliens niedergelassen haben, Kontakt besteht. So geduldig wie die Vertreter der Vereinigten Staaten scheinen allerdings insbesondere China und Russland nicht zu sein, die ihre Truppen in Alarmbereitschaft versetzen. Außerdem breitet sich überall Panik aus: Auf Hamsterkäufe folgen Plünderungen, und religiöse Fanatiker begehen kollektiven Selbstmord angesichts des in ihren Augen bevorstehenden Weltuntergangs.

"Arrival" bezaubert den Zuschauer durch die visuelle Wucht der Bilder von Kameramann Bradford Young, die von den damit übereinstimmenden Klangwelten von Jóhann Jóhansson bestens unterstützt werden. Die Kamerafahrten über die Oberfläche des Objekts und die darauf folgenden Perspektiven in der Schwerelosigkeit, als Colonel Weber, Louise Banks, Ian Donnelly und andere nach oben schweben, und dann waagerecht oder gar auf dem Kopf zu gehen scheinen, stehen in bester "Science-Fiction"-Tradition und etwa der berühmten 180 Grad-Drehung in Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum" (1968) in nichts nach. Die meditativen Einstellungen, die an Terrence Malicks "The Tree of Life" erinnern, verstärken den Eindruck eines visuell überwältigenden Filmes.

Villeneuves Film stellt wichtige Fragen im Zusammenhang mit der Kommunikation. Dass die Aliens kreisförmige Schriftbilder offenbar ohne Anfang und Ende malen, scheint darauf hinzudeuten, dass sie die Zeit nicht linear begreifen. Ist dies der Schlüssel zu einer etwaigen Kommunikation mit ihnen? Im Gegensatz zu seinen großen Vorbildern - zu "Unheimliche Begegnung der dritten Art" und "The Tree of Life" muss noch Alfonso Cuaróns "Gravity" (2013) hinzugezählt werden ? verfällt Denis Villeneuve mit den Rückblenden und Traumsequenzen, die Louise Banks immer wieder heimsuchen, zu einem Verständnis der Zeitabfolge, die esoterische Züge annimmt. Dafür unterstreicht "Arrival" den Wert der Mutterschaft insbesondere auch durch die herausragende schauspielerische Leistung von Amy Adams, die in Jeremy Renner einen ebenbürtigen Mitspieler findet. Dagegen nehmen sich die Bösewichte - ob nun aus China und Russland oder der einheimischen CIA - als ziemlich klischeehaft aus.
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