GEMEINSAM WOHNT MAN BESSER | Adopte un veuf
Filmische Qualität:   
Regie: François Desagnat
Darsteller: André Dussollier, Bérengère Krief, Arnaud Ducret, Julia Piaton, Nicolas Marie, Vincent Desagnat, Blanche Gardin, Mathieu Madenian
Land, Jahr: Frankreich 2015
Laufzeit: 97 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 12/2016
Auf DVD: 4/2017


José García
Foto: Alamode

Eine junge Frau, die in Paris nach einem bezahlbaren Zimmer sucht. Ein älterer, verwitweter Herr, der in einer viel zu großen Wohnung lebt und kaum noch soziale Kontakte hält. Eine ideale Zweck-Wohngemeinschaft ? wenigstens auf dem Papier. Originell ist die Ausgangslage des französischen Spielfilms "Gemeinsam wohnt man besser" ("Adopte un veuf") von Jérôme Corcos und Catherine Diament (Drehbuch) sowie François Desagnat (Regie) allerdings nicht gerade, handelt doch der im Juli gestartete "Frühstück bei Monsieur Henri" exakt von der Zweckgemeinschaft zwischen einer jungen Frau und einem älteren Herrn, der ihr das Zimmer nur widerwillig vermietet.

In "Gemeinsam wohnt man besser" lernt der Zuschauer zunächst einmal den pensionierten Facharzt für Geburtshilfe Hubert Jacquin (André Dussollier) kennen, der seit kurzem Witwer ist, und eine eigentlich viel zu große Wohnung mitten in Paris bewohnt. Statt mit seinem Freund Samuel (Nicolas Marié), der sich trotz seines ebenfalls fortgeschrittenen Alters gerne mit jungen Frauen umgibt, nach Marokko in den Urlaub zu fahren, bleibt der ehemalige Arzt lieber in der abgedunkelten Wohnung allein. Ein Missverständnis bringt die Handlung ins Rollen: Der Rentner sucht eine Putzhilfe, zieht aber den falschen Zettel vom Schwarzen Brett einer Bäckerei. Als am nächsten Morgen die quirlige Manuela (Bérengere Krief) bei Hubert klingelt, zeigt er ihr die gesamte Wohnung samt Putzschrank. Zwar klärt sich die Verwechselung schnell, aber Manuela ist so begeistert von der Wohnung, dass sie sich nicht abweisen lässt. Obwohl die junge Frau Hubert allerlei Horrorgeschichten auftischt, setzt er sie vor die Tür. Erst als er Zeuge einer ziemlich unangenehmen Begegnung Manuelas mit ihrem derzeitigen Vermieter wird, lässt er sich erweichen.

Obwohl sich Manuela nicht gerade vorbildlich um Einkauf und Haushalt kümmert, wie eigentlich vereinbart, lebt Hubert in Gegenwart der lebensfrohen Manuela wieder auf. Nach einer ausgiebigen Kneipentour lässt sich der beschwipste Hubert sogar dazu überreden, zwei weitere Mitbewohner in seine Wohnung aufzunehmen. Nachdem sie zusammen einen ganzen Tag Interviews mit den Bewerbern geführt haben, die Regisseur Desagnat in einer schnellgeschnittenen Sequenz zeigt, entscheidet sich Hubert für den leicht neurotischen Anwalt Paul-Gérard (Arnaud Ducret), kurz PG, der von der bevorstehenden Scheidung von seiner Frau aus der Bahn geworfen wurde. Er sucht ein Zimmer in der Wohngemeinschaft, weil er sich wegen der Unterhaltszahlungen für den Sohn keine eigene Wohnung leisten kann. Die vierte im Bunde wird die aus der Provinz nach Paris gekommene Krankenschwester Marion (Julia Piaton). Da die meisten von ihnen keine WG-Erfahrung besitzen, müssen sie zunächst einmal Regeln etwa für die Kühlschrank- und Badbenutzung finden.

Eine Vierer-WG stand bereits im Mittelpunkt des ebenfalls französischen Spielfilms "Zusammen ist man weniger allein" nach einer Vorlage der Romanautorin Anna Gavalda. Zeichnete sich dieser Film über die Sehnsucht nach Freundschaft, Geborgenheit und Liebe durch einen melancholischen Grundton aus, so kommt in "Gemeinsam wohnt man besser" Melancholie lediglich auf, wenn Hubert das erste Weihnachten ohne seine Frau feiert. Desagnat setzt eher auf komödiantische Elemente mit einer Vorliebe für schnellgeschnittene Sequenzen und auch für immer wiederkehrende visuelle Witze.

So findet etwa Hubert die Toilette immer besetzt vor, wenn er sie aufsuchen möchte. Und Huberts Freund Samuel klingelt immer im unpassenden Augenblick, so dass er die Anwesenheit von jungen Frauen in Huberts Wohnung falsch deutet. Mit zunehmender Dauer werden die komischen Situationen in Desagnats Film jedoch leider immer alberner ? sowohl der Selbstmordversuch PGs, nachdem seine Noch-Ehefrau jede Chance auf Versöhnung verwehrt, als auch eine Szene in einem Reptilienlabor werden einfach slapstick-artig und ziemlich unglaubwürdig inszeniert. Ebenso wenig authentisch wirkt die plump eingeführte Liebesgeschichte zwischen dem labilen Anwalt und der patenten Krankenschwester.

Im Zentrum von "Gemeinsam wohnt man besser" steht allerdings Manuela. Zwar ist der Nebenstrang mit ihrem Freund Roméro (Vincent Desagnat), der angeblich seit Monaten auf Bali nach einem gemeinsamen Haus sucht, arg konstruiert. Ihre unbändige Lebenslust setzt jedoch die Handlung in Bewegung. Sie schafft es, dass Hubert nicht nur endlich einmal aus dem Haus kommt, sondern dass er langsam väterliche Gefühle für sie entwickelt. Auch wenn für die anderen Charaktere nicht viel Raum bleibt, sind sie so gezeichnet, dass sie sich ergänzen und im Laufe der Zeit Freundschaft füreinander empfinden. Selbst wenn sich etliche Situationen durchaus konstruiert ausnehmen, überzeugt die Beobachtung zwischenmenschlicher Beziehungen durch Regisseur François Desagnat.

Zwar überwiegt in "Gemeinsam wohnt man besser" das Komödiantische. In einigen Dialogen bietet er aber auch tiefgründige Ansichten, so etwa in einem Gespräch zwischen dem ehemaligen Arzt für Geburtshilfe und der jungen Krankenschwester, nachdem auf deren Station ein junger Mann gestorben ist. Auf Marions Frage, ob sich Ärzte und Pfleger mit der Zeit an solche Ereignisse gewöhnen, antwortet Hubert: "Man gewöhnt sich nie daran. Ich habe oft aufgehört und dann wieder neu angefangen. Denn es war meine Berufung". Ebenso rührend entwickelt sich die väterliche Zuneigung des alten Mannes, der selbst keine Kinder gehabt hat, zu Manuela.
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