LOVE & FRIENDSHIP | Love & Friendship
Filmische Qualität:   
Regie: Whit Stillmann
Darsteller: Kate Beckinsale, Chloë Sevigny, Xavier Samuel, Stephen Fry, James Fleet, Tom Bennett, Jema Redgrave, Morfydd Clark
Land, Jahr: Großbritannien 2016
Laufzeit: 96 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 12/2016


José García
Foto: 24 Bilder

Jane Austens (1775—1817) Werke — von "Emma" über "Mansfield Park" bis "Sinn und Sinnlichkeit" und "Stolz und Vorurteil" — werden immer wieder gerne für die große Leinwand oder auch fürs Fernsehen adaptiert. Von ihrem Frühwerk "Lady Susan" hingegen, das sie als kaum Zwanzigjährige um das Jahr 1794 verfasste, aber erst lange nach ihrem Tod im Jahr 1871 veröffentlicht wurde, gab es jedoch bislang keine Verfilmung. Nun hat der US-amerikanische Drehbuchautor und Regisseur Whit Stillman den Briefroman unter dem Titel "Love & Friendship" für die große Leinwand adaptiert.

Im England der 1790er Jahre sucht die junge und attraktive Witwe Susan Vernon (Kate Beckinsale) nach Heiratsmöglichkeiten sowohl für sich selbst als auch für ihre Tochter Frederica (Morfydd Clark). Hauptsache, der jeweilige künftige Ehemann ist vermögend genug, um ihren gewohnt luxuriösen Lebensstandard aufrechtzuerhalten — das betont sie selbst immer wieder im Gespräch mit ihrer besten Freundin, der Amerikanerin Alicia Johnson (Chloë Sevigny).

Nachdem Lady Susan das Manwaring-Anwesen wegen ihrer Avancen gegenüber dem verheirateten Hausherrn Lord Manwaring (Lochlann O?Mearáin) verlassen musste, besucht sie ihren Schwager Charles Vernon (Justin Edwards) und seine Frau Catherine (Emma Greenwell) auf Churchill — der Name des Landguts liefert immer wieder Anlass für Wortspiele im Laufe des Films. Weil Catherine den Lady Susan vorauseilenden Ruf nur allzu gut kennt, herrscht zwischen den beiden Frauen von Anfang an eisige, allerdings in beste Manieren verpackte Kälte. Ganz anders die Reaktion von Catherines Bruder Reginald (Xavier Samuel), der für Lady Susan Feuer und Flamme ist.

Sie macht sich das größte Vergnügen daraus, dem um Einiges Jüngeren den Kopf zu verdrehen. Bald ist dies so offensichtlich, dass sich Reginalds Vater in der Pflicht sieht, einzuschreiten. Derweil beschäftigt Lady Susan freilich etwas anderes: Ihre Tochter Frederica zeigt sich keineswegs geneigt, den vermögenden, aber trotteligen Sir James Martin (Tom Bennett) zu ehelichen. Wo kämen wir aber hin, wenn sich die Tochter gegen die Pläne der Mutter stellt? — denkt sich Lady Susan, die Fredericas Weigerung nicht anzunehmen gedenkt.

Verfilmungen von Jane Austens Romanen verbindet der Zuschauer vor allem mit Romantik. Dafür stehen nicht zuletzt etwa "Jean Austens Emma" (Douglas McGrath, 1996) mit Gwyneth Paltrow oder die "Stolz und Vorurteil" ("Pride & Prejudice")-Version von Joe Wright mit Keira Knightley in der Hauptrolle (2005). In Whit Stillmans "Love & Friendship" überwiegt jedoch ein ganz anderer Ton, obwohl auf Produktionsdesign und Kostüme ebenfalls großer Wert gelegt wird. Im Gegensatz zu den üblichen Jean-Austen-Verfilmungen legt Whit Stillman die weniger romantischen Seiten einer Gesellschaft bloß, die auf den äußeren Schein bedacht ist. Die pointiert-witzigen Dialoge mildern zwar die Gesellschaftskritik etwas ab. Aber diese wirkt dennoch einer Idealisierung des romantischen Zeitalters entgegen. Ein Beispiel: Lady Susan beteuert, dass sie ihre mitreisende Bedienstete keinesfalls bezahlen dürfe — dies käme einer Beleidigung ihrer Freundschaft gleich. Der sarkastische Humor drückt sich darüber hinaus in den höflich vorgetragenen, eigentlich aber beleidigenden Aussagen Lady Susans aus, gegen die der Gesprächspartner nichts ausrichten kann, weil sie äußerlich den gesellschaftlichen Konventionen entsprechen.

Für den sarkastischen Ton der Dialoge findet Regisseur Stillman ein passendes filmisches Stilmittel: Die Personen des Stücks werden dadurch eingeführt, dass er das Bild einfriert und die Kamera auf das jeweilige Gesicht fokussiert, wobei eine Texttafel die wichtigsten Lebensdaten und Charaktereigenschaften der jeweiligen Figur sowie ihre Beziehung zu den anderen Charakteren bekannt gibt. Das Verfahren erinnert an die Art, mit der etliche Stummfilme plakativ ihre Charaktere vorstellten, was als fast parodistischer Zug aufgefasst werden könnte.

"Love & Friendship" lebt größtenteils von der Hauptdarstellerin Kate Beckinsale, die nicht nur die herrlich scharfzüngigen Dialoge authentisch wiedergibt, sondern auch die "Grandezza" Lady Susans in der Körpersprache glaubwürdig beherrscht. Auch wenn Chloë Sevigny, eine der bekanntesten Schauspielerinnen aus der amerikanischen "Independent"-Szene, manchmal eher "kostümiert" wirkt, brilliert sie in den gemeinsamen Szenen mit Kate Beckinsale. Zusammen bieten sie überaus witzige Kommentare zur damaligen Gesellschaft. Besondere Erwähnung verdient außerdem Tom Bennett als reicher, aber intellektuell eher minderbemittelter Adliger Sir James Martin, der von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt. So etwa, als er von den angeblichen zwölf Geboten spricht, oder sich über die "kleinen grünen Kugeln" freut — offensichtlich hatte er noch nie in seinem Leben Erbsen gesehen. Ohne in Slapstick zu verfallen, setzt er neben den Dialogen auf körperliche Komik.

Drehbuchautor und Whit Stillman findet offenbar selbst Gefallen an einer Vorlage, die sich von den üblichen, eher die Romantik betonenden Werken der bekannten Schriftstellerin Jane Austen absetzen. Seine Version von "Love & Friendship" zeichnet sich eher durch eine Gesellschaftskritik der Zeit an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert aus, die zwar scharfzüngige Dialoge einsetzt, aber keinen bitteren Nachgeschmack hinterlässt. Bei aller Arglistigkeit, die Lady Susan Vernon an den Tag legt, um ihre Ziele zu erreichen, richtig böse kann ihr der Zuschauer letztlich nicht wirklich sein.
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