THE GREAT WALL | The Great Wall
Filmische Qualität:   
Regie: Zhang Yimou
Darsteller: Matt Damon, Pedro Pascal, Tian Jing, Willem Dafoe, Andy Lau, Numan Acar, Johnny Cicco
Land, Jahr: China, USA 2016
Laufzeit: 108 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 1/2017
Auf DVD: 5/2017


José Garcia
Foto: Universal

Zhang Yimou drehte Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre sechs Spielfilme mit Gong Li in der Hauptrolle, die allesamt auf den wichtigsten Filmfestivals der Welt ausgezeichnet wurden: "Das Rote Kornfeld" (1987), "Joudou" (1991), "Rote Laterne" (1992), "Leben!" (1994) und "Shanghai Serenade" (1996). "Joudou" wurde außerdem als erster chinesischer Film überhaupt für den Oscar nominiert. Auch "Rote Laterne" erhielt eine Oscarnominierung. Meistens handelten diese Filme, die Gong Li als erste fernöstliche Schauspielerin einem breiten westlichen Publikum bekannt machten, von privaten Dramen zu verschiedenen Zeiten der Geschichte Chinas. Entsprechend war die Inszenierung teilweise kammerspielartig, gleichzeitig jedoch durch eine ausgesuchte Kameraführung geprägt, die den jeweiligen weiblichen Hauptfiguren große Kraft verlieh. Außerdem strahlten sie poetische Schönheit aus. "Rote Laterne" kann als einer der schönsten und zugleich traurigsten Filme der 1990er überhaupt bezeichnet werden. Jedenfalls zeichneten sich Zhang Yimous erste Filme dadurch aus, dass sie abseits des Mainstreams ohne Spezialeffekte entstanden. In ihnen konnte der Zuschauer stets die Handschrift des Regisseurs erkennen ? "Arthouse"- oder Autoren-Filme werden solche Filme allgemein genannt.

Nach vier "Übergangsfilmen" änderte Zhang Yimou wohl unter dem Einfluss von Ang Lees "Tiger und Dragon" (2000) mit "Hero" (2002) und "House of Flying Daggers" (2004) seinen Inszenierungsstil grundlegend. Zwar behielt Zhang die Bedeutung der Farben bei, ja er gab ihnen sogar einen hohen dramaturgischen Stellenwert. Nun hielten allerdings in Zhangs Filme choreographierte Martial-Arts- und Massenszenen sowie die dem sogenannten "Bullet time" der "Matrix"-Filme nachempfundene Mischung aus Zeitlupe und Zeitraffer Einzug. In "Der Fluch der goldenen Blume" (2006) ging Zhang Yimou in Sachen Massenszenen und Opulenz sogar noch einen Schritt weiter, so dass der Film schon als "Ausstattungskino" bezeichnet werden kann. Sein aktueller Film "The Great Wall" nimmt sich als wieder mit Massen-Kampfszenen, freilich erstmals außerdem mit Fantasy-Elementen gespickter Actionfilm und somit als genau das Gegenteil von Zhang Yimous ersten Filmen aus. "The Great Wall" aus dem Filmtitel ist die Chinesische Mauer, die sich laut einer Aufschrift zu Beginn des Filmes über 8 851 Meter erstreckte und an der 1 700 Jahre lang gebaut wurde. An die chinesische Mauer gelangen die Söldner William Garin (Matt Damon) und Pero Tovar (Pedro Pascal), nachdem sie von einem Wüstenstamm angegriffen wurden, der seine Gefährten tötete. Allerdings mussten William und Pero ebenfalls den Angriff eines weiteren, unsichtbaren Wesens abwehren. Garin und Tovar sind von Europa nach China auf der Suche nach dem Schwarzpulver gereist. Diese im Westen noch völlig unbekannte Waffe würde den Krieg grundlegend verändern und ihnen selbst Ruhm und Reichtum verschaffen.

Die Mauer wird von einer riesigen Armee mit mehr als 100 000 Soldaten bewacht, die sich in fünf Truppen mit farbenprächtigen Uniformen und unterschiedlichen Disziplinen einschließlich einer rein weiblichen Truppe mit furchtlosen Luftakrobatinnen aufteilt. Die Armee wird vom allgemein verehrten General Shao (Hanyu Zhang) befehligt. Zu seinen engsten Beratern gehören der Stratege Wang (Andy Lau), leitender Wissenschaftler und Historiker der Festung, und die Kriegerin Lin Mae (Tian Jing).

Bald können William und Pero erfahren, was für ein unbekanntes Wesen sie angegriffen hatte, denn ein Angriff dieser saurierartigen Wesen namens Taotie erfolgt sogleich. Bei dem Kampf beeindruckt William als Bogenschütze insbesondere Kriegerin Lin Mae, die ihn darum bittet, weiter auf ihrer Seite gegen die zu Tausenden heranrückenden Taotie zu kämpfen. Allerdings haben die Europäer ihre eigenen Pläne: Von einem in der Festung seit 25 Jahren lebenden Ex-Söldner namens Ballard (Willem Dafoe) erfahren sie, dass in der Waffenkammer der Festung Schwarzpulver in großen Mengen gelagert ist. Sie wollen den nächsten Taotie-Angriff nutzen, um die Waffenkammer aufzubrechen und mit dem Schwarzpulver zu fliehen. In dem Moment des Angriffs muss sich William entscheiden, auf welcher Seite er stehen möchte.

"The Great Wall" greift eine alte chinesische Legende aus der Zeit der Song Dynastie circa 1 100 vor Christus auf, nach der die Große Mauer als Defensivwall gegen eine mythische chinesische Kreatur namens Tao Tei oder Taotie gebaut wurde. Sie erstehe alle 60 Jahre aus dem Herzen des Jade Gebirges auf, um in großen Armeen anzugreifen und ihren Hunger an den Menschen zu stillen. Deren Existenz sei über Jahrhunderte hinweg vor der Bevölkerung geheim gehalten worden.

Abgesehen von Anachronismen ? die Handlungszeit soll etwa 1 100 vor Christus sein, Garin und Tovar sprechen aber von "England" und "Spanien", ihre Kleidung und Waffen sehen eher mittelalterlich bis frühneuzeitlich aus ? und wenig gelungenen Computer-Effekten spart "The Grat Wall" auch nicht mit Albernheiten, etwa mit der Dialogzeile "Wir fühlen uns geehrt, geehrt zu werden". Die spektakulären Kampfszenen lassen kaum Raum für eine konsequente Charakterzeichnung. Dennoch: "The Great Wall" ist ein bildgewaltiger Film mit außergewöhnlichen Kameraperspektiven, die den 3D-Einsatz auch rechtfertigen. In seinem Kern übersetzt er die Grundelemente des Western in eine im alten China angesiedelte Geschichte über Mut und über richtige Entscheidungen: für den eigenen Vorteil oder für etwas Höheres zu kämpfen.
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