THE SALESMAN - FORUSHANDE | Forushande
Filmische Qualität:   
Regie: Asghar Farhadi
Darsteller: Shahab Hosseini, Taraneh Alidoosti, Babak Karimi, Farid Sajjadihosseini, Mina Sadati, Maral Bani Adam
Land, Jahr: Iran, Frankreich 2016
Laufzeit: 125 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 2/2017
Auf DVD: 7/2017


José Garcia
Foto: Prokino

In "Nader und Simin - Eine Trennung" bot der 1972 in Isfahan, Iran, geborene Regisseur Asghar Farhadi einen Einblick in eine iranische Gesellschaft voller Kontraste. Denn hier prallen zwei gesellschaftliche Schichten aufeinander: Auf der einen Seite die gebildeten, religionsfernen Protagonisten, auf der anderen strenggläubige und bildungsferne Figuren. Asghar Farhadi gelang es, die vermeintliche soziologische Versuchsanordnung als überaus spannende Geschichte zu inszenierten. Auf der Berlinale 2012 gewann das Drama den Goldenen Bären für den besten Film sowie je einen Silbernen Bären für das weibliche und das männliche Schauspieler-Ensemble. Außerdem erhielt "Nader und Simin ? Eine Trennung" den Oscar 2012 für den besten nichtenglischsprachigen Film.

Wie für "Nader und Simin - Eine Trennung" hat Asghar Farhadi auch für seinen aktuellen Film "The Salesman - Forushande" selbst das Drehbuch verfasst. Der Filmtitel spielt offensichtlich auf Arthur Millers bekanntes Theaterstück "Death of a Salesman" ("Tod eines Handlungsreisenden") an. Mit den Proben für eine Aufführung von Millers Stück in einem Teheraner Theater beginnt denn auch "The Salesman - Forushande". Zum Ensemble gehören der Lehrer Emad (Shahab Hosseini) und seine Frau Rana (Taraneh Alidoosti). Wie Nader und Simin sind Emad und Rana ein modernes Ehepaar, allerdings kinderlos. Die Risse an der Wand ihrer Wohnung werden immer größer, denn das Fundament des Hauses sackt ab. Eine Vorausahnung auf die Risse, die bald die Ehe bekommen wird. Sie müssen Hals über Kopf die Wohnung verlassen. Als Übergangslösung, bis sie etwas Passendes gefunden haben, vermittelt ihnen ihr Theaterkollege Babak (Babak Karimi) eine leerstehende Wohnung. Etwas heruntergekommen sieht sie zwar aus. Eigenartig ist es aber, dass die Vormieterin ihre Sachen trotz mehrmaliger Aufforderung nicht abholt. Nach und nach erfährt das junge Ehepaar, dass sie alles andere als einen guten Ruf hatte. Von "häufigen Männerbesuchen" ist die Rede.

Eines Abends geschieht das Ereignis, das alles verändert: Rana ist auf dem Weg zur Dusche, als es klingelt. Sie denkt, es sei ihr Mann und drückt auf den Türöffner, ehe sie im Badezimmer verschwindet. Was nun passiert, zeigt Asghar Farhadi nicht. Als Emad in die Wohnung kommt, findet er Blut und Kampfspuren. Von den Nachbarn erfährt er, dass Rana ins Krankenhaus gebracht wurde. Emad stellt auf eigene Faust Ermittlungen, zumal seine Frau nicht zur Polizei will. Dabei findet er heraus, dass die Vormieterin eine Prostituierte war. Der Angreifer muss ein Freier der Vormieterin gewesen sein, der von ihrem Wegzug nichts wusste. Je mehr sich der junge Lehrer in den Fall hineinsteigert, desto mehr entfremdet er sich von seiner Frau. Rana wiederum hat der Vorfall psychisch aus der Bahn geworfen.

Nach der Einführung der Hauptfiguren, für die sich Asghar Farhadi trotz eines etwas springenden Schnitts viel Zeit nimmt, beginnt eine Handlung, die äußerlich einem Thriller ähnelt. Die Handlung steigert sich bis zum Höhepunkt, als Emad den vermeintlichen Täter in eine Falle lockt. Doch dies ist lediglich die eine Seite von "The Salesman - Forushande". Denn Drehbuchautor und Regisseur Farhadi interessiert vor allem die Wandlung der Ehe zwischen Emad und Rana: Statt seiner Frau bei der Verarbeitung des Traumas zur Seite zu stehen, versucht Emad "seine" Ehre wiederherzustellen.

Neben der Frage von Schuld und Sühne, um die es in der äußeren Handlung geht, handelt der Film insbesondere von der Entfremdung in der Ehe. Dafür verknüpft er das Ehedrama mit Millers Theaterstück "Tod eines Handlungsreisenden". Dies gelingt ihm einerseits durch die ausgezeichnete schauspielerische Kunst seiner Protagonisten Shahab Hosseini und Taraneh Alidoosti, andererseits durch die Spiegelung von Millers Theaterstück in der immer schwieriger werdenden Beziehung der jungen Eheleute. Auf der einen Seite schafft es der Regisseur durch einschneidende Ereignisse, die Opfer-Täter-Beziehung aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Auf der anderen Seite trägt gerade die Parallelerzählung der Proben für das Theaterstück und des Ehedramas dazu bei, dass der Abstand zwischen den Eheleuten immer größer wird und sich Emads Charakter immer mehr verfinstert.

Die Spannung in "The Salesman - Forushande" rührt nicht so sehr aus der krimimäßigen Handlung und der Ermittlung von Ranas Peiniger, sondern eher aus dem Beziehungsdrama. Dafür zeichnet Asghar Farhadi die Charaktere mit all ihren Konflikten und insbesondere mit der Entwicklung, die sie durchmachen, sowie mit dem moralischen Dilemma, mit dem sie konfrontiert werden. Verändert hat sich nicht nur Rana von einer lebenslustigen zu einer verschlossenen, traumatisierten Frau. Auch die Rachegedanken verändern Emad. Nicht nur die Erzählstruktur in der Verschachtelung von Theaterstück und Ehedrama, sondern auch die Kamera von Peyman Shadmanfar schaffen immer neue Perspektiven. Auch wenn sich der Täter als alles andere herausstellt, was Emad zunächst geglaubt hatte, kann er nicht mehr zurück. Wie in "Der Tod eines Handlungsreisenden" kommen zuletzt auch in "The Salesman ? Forushande" die Lebenslügen zum Vorschein.

"The Salesman - Forushande" erhielt im Mai 2016 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes die Preise für das beste Drehbuch (Asghar Farhadi) und den besten Hauptdarsteller (Shahab Hosseini). Darüber hinaus wurde der Film für den Oscar 2017 als bester fremdsprachiger Film nominiert.
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