EIN SCHIFF WIRD KOMMEN | Ein Schiff wird kommen
Filmische Qualität:   
Regie: Pepe Planitzer
Darsteller: Karl Kranzkowski, Christina Große, Duc Vu Trung, Paul Fassnacht, Hermann Beyer, Carmen Maya Antoni, Udo Kroschwald
Land, Jahr: Deutschland 2002
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: S


JOSÉ GARCÍA
Foto: Tobis Film

Der überwältigende Erfolg des deutschen Filmes „Good Bye, Lenin“ mit annähernd 6 Millionen Zuschauern und neun „Lolas“ bei der Verleihung der Deutschen Filmpreise 2003 hat ein neues Interesse an der ehemaligen DDR entfacht, und DDR-Reminiszenzen für das deutsche Kino entdeckt. Im Spielfilmdebüt Pepe Planitzers „Ein Schiff wird kommen“, der zwar erst jetzt im Kinoprogramm anläuft, aber bereits im Jahre 2002 gedreht wurde, als „Good Bye, Lenin“ noch gar nicht fertiggestellt war, spielen solche DDR-Elemente ebenfalls eine bedeutende Rolle. Seine zentrale Figur Bruno Winter (Karl Kranzkowski) war in der DDR Chirurg, verlor jedoch wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ diesen Posten und wurde Busfahrer. Brunos Vater glaubt noch immer – fast fünfzehn Jahre nach dem Mauerfall – an die DDR. Mit einem Schützenpanzerwagen wird er zusammen mit anderen DDR-Nostalgikern im Laufe des Filmes Fahnen schwenkend vor den Reichstag fahren, um die DDR wieder aufzurichten.

„Ein Schiff wird kommen“ spielt in der einst geteilten und heutigen Bundeshauptstadt, die ein Drehkreuz für europäische Ost-West-Beziehungen geworden ist. Planitzers Film nimmt sich selbst wie ein Drehkreuz für mehrere Gestalten und Schicksale aus. Doch dem Regieneuling gelingt es, daraus eine einheitliche Story zu knüpfen, in der seine Figuren durch eine unsichtbare Kette aneinander gebunden sind, eine aus lauter, bisweilen ins Absurde übersteigerten Zufällen geschmiedete Kette: Bereits zu Beginn begegnen sich Bruno und Anita (Christina Große) in einem Bus auf der Strecke von Prag nach Berlin; er macht seine letzte Fahrt als Busfahrer – denn auch diese Arbeitsstelle verliert er –, sie schmuggelt in ihrem Koffer einen vietnamesischen Jungen. Kennen lernen werden sie sich jedoch später, als Bruno auf Drängen seiner Mutter eine Frau sucht und sich an die dubiose Agentur wendet, in der Anita festgehalten und zur Prostitution gezwungen wird. Als sie endlich aus den Fängen der Menschenhändler entkommen kann, trifft sie Bruno, der auf einem Pferd reitend die Straße entlang kommt – mitten in Berlin.

Eine solche Mischung aus schäbigem Gangstermilieu und abstoßendem Menschenhandel hätte den perfekten Stoff für einen düsteren „Film noir“ liefern können. Regisseur Planitzer wählt jedoch für sein Spielfilmdebüt einen spielerischen Ansatz mit einer poetischen Fotografie, die nebenbei eine der schönsten Liebesgeschichten, die im deutschen Kino seit langem zu sehen war, bebildert. Ein U-Bahn fahrendes Pferd, ein aus den Beständen der ehemaligen DDR stammender Panzer, dessen Bedrohlichkeit von einer schneeweißen Gans, die aus dem Panzer herauslugt, genommen wird, sowie ein Kücken in der Eierschachtel sind Elemente, mit denen dieses eigentlich bedrückende Sujet verfremdet und dadurch erträglich gemacht wird, ohne es freilich zu trivialisieren. Dadurch vermittelt „Ein Schiff wird kommen“ eine optimistische Sicht, um der Schwere des Lebens eine Leichtigkeit entgegen zu setzen, an der es dem deutschen Film häufig mangelt.

„Ein Schiff wird kommen“ hält eine wunderbare Balance zwischen träumerischer Romantik und den bisweilen ins Absurde übersteigerten Zufällen. Deshalb passt die Bezeichnung „Großstadtmärchen“ wirklich zu ihm.
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