TULPENFIEBER | Tulip Fever
Filmische Qualität:   
Regie: Justin Chadwick
Darsteller: Alicia Vikander, Dane DeHaan, Christoph Waltz, Judi Dench, Zack Galifianakis, Holliday Grainger, Cara Delevingne
Land, Jahr: USA/ Großbritannien 2017
Laufzeit: 107 Minuten
Genre:
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: X +
im Kino: 8/2017
Auf DVD: 12/2017


José García
Foto: Prokino

Im 17. Jahrhundert kam es in den Niederlanden zur "Tulpenmanie", die schließlich zur ersten überlieferten Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte führte. Die Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem Osmanischen Reich nach Westeuropa eingeführten Tulpen wurden als neue und exklusive Blumen sehr geschätzt. Sie entwickelten sich zu einem Statussymbol für reich gewordene Bürger. Nicht von ungefähr fällt die Tulpenmanie mit dem sogenannten Goldenen Zeitalter der Niederlande zusammen, als insbesondere Amsterdam als Hauptsitz der 1602 gegründeten Niederländischen Ostindien-Kompanie zu einer der reichsten Städte Europas aufstieg. Wohlhabende Kaufleute legten prachtvolle Gärten an, in deren Mittelpunkt die exotische "Tulipa" stand, die im nordischen Klima bestens gedeiht und sich darüber hinaus zu unzähligen Züchtungen eignet. So waren es besonders die mehrfarbig geflammten, gestrichelten, gestreiften, geränderten oder gesprenkelten Tulpen, die im Zentrum der Spekulationsgeschäfte der Tulpenmanie standen. Denn in den 1630er Jahren entwickelte sich die Liebhaberei zu einem regelrechten "Tulpenfieber", als zu den auf Tauschhandel gegründeten Beziehungen der Liebhaber der kommerzielle Handel hinzukam.

Tulpenzwiebeln wurden nicht nur während der Pflanzzeit in den Sommermonaten gehandelt. Bald gingen die Händler dazu über, auch solche Zwiebeln zu kaufen und zu verkaufen, die sich noch in der Erde befanden und erst später, nach der Blüte, ausgegraben werden konnten. Diese Terminkontrakte riefen Spekulanten auf den Plan, die Tulpen nicht nur für sich selbst kauften, sondern auch, um sie bei steigenden Preisen mit Gewinn weiterzuverkaufen. Die Preise stiegen ins Unermessliche, ehe im Februar 1637 die Tulpenblase abrupt platzte. Unter den vielen Händlern, die ihr gesamtes Hab und Gut verloren, befand sich auch der 1614 geborene Maler Jacob van Loo.

An diesen von 1635 bis 1660 in Amsterdam tätigen Künstler lehnt die britische Autorin Deborah Moggach in ihrem 1999 erschienenen Roman "Tulip Fever" (deutsch "Tulpenfieber", 2016) den Maler Jan van Loos an. Zusammen mit Tom Stoppard verfasste Deborah Moggach darüber hinaus das Drehbuch für den Spielfilm "Tulpenfieber" ("Tulip Fever"), bei dem Justin Chadwick Regie führt, der mit "Die Schwester der Königin" und "Mandela - Der lange Weg zur Freiheit" ein besonderes Gespür für Historiendramen unter Beweis stellte.

Auf dem Hintergrund der Tulpenmanie schildert "Tulpenfieber" ein Liebesdrama. Die junge Sophia (Alicia Vikander) verlässt 1631 das Waisenhaus des von einer ehrwürdigen Äbtissin (Judi Dench) geführten Klosters St. Ursula, um den wohlhabenden, verwitweten Gewürzhändler Cornelis Sandvoort (Christoph Waltz) zu heiraten. Drei Jahre später hat sie ihm jedoch noch nicht den gewünschten Stammhalter schenken können. Obwohl sein Umfeld ihm rät, Sophia zurück ins Kloster zu schicken, liebt er sie zu sehr, um diesen Schritt zu tun. Entsprechend den Gepflogenheiten seiner Zeit beauftragt Sandvoort den jungen Maler Jan Van Loos (Dane DeHann) mit einem Doppelporträt von sich und Sophia. Im Laufe der langen Sitzungen kommen sich Künstler und Hausherrin immer näher. Sie schmieden einen Plan, um gemeinsam fliehen zu können: Als Sophias Magd Maria (Holliday Grainger) von Fischhändler Willem (Jack OConnell) schwanger wird und Willem für ein Jahr Amsterdam verlassen muss, gibt Sophia vor, selbst ein Kind zu erwarten. Das für ihre Flucht nötige Geld will Jan besorgen, indem er ins äußerst gewinnträchtige, aber riskante Geschäft mit Tulpenzwiebeln einsteigt.

"Tulpenfieber" überzeugt insbesondere in filmästhetischer Hinsicht. Die Kamera von Eigil Bryld lehnt sich an die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts an. Manche von Danny Elfmans Filmmusik kongenial unterstützte Einstellung scheint gar einem der berühmten Gemälde des niederländischen Goldenen Zeitalters entnommen zu sein. So wecken mehrere Aufnahmen von Sophia am Fenster Erinnerungen an die bekannten Bilder des Jan Vermeer van Delft.

Auch wenn etwa die Aufnahmen des Hafens wohl wegen eines beschränkten Budgets eher bescheiden ausfallen, überzeugt Produktionsdesigner Simon Elliott in der Einrichtung der Interieurs vollends. Darüber hinaus gestaltet der für die Kostüme zuständige Michael O´Connor beispielsweise die mit für die Niederlande des 17. Jahrhunderts charakteristischen Spitzen besetzten Kostüme in ihren typischen Farben (etwa ultramarines Blau) bis in die Einzelheiten liebevoll. Große Authentizität besitzen darüber hinaus etwa die allgegenwärtigen Tonpfeifen, aus denen sogar die Äbtissin raucht ? was eben für zusätzliche Glaubwürdigkeit sorgt.

Den Filmemachern gelingt es, eine Spannung zu schaffen, die der eines Thrillers in nichts nachsteht. Eine Viertelstunde vor Filmschluss bleibt alles noch offen: Entwickelt sich der Film in Richtung griechische Tragödie oder bevorzugen die Drehbuchautoren Deborah Moggach und Tom Stoppard sowie der Regisseur Justin Chadwick ein versöhnliches Ende? Eine besondere Stärke der Inszenierung von "Tulpenfieber" besteht gerade darin, dass beide Film-Enden nicht nur möglich sind, sondern auch jeweils ihre Vorzüge haben: Die beiden Möglichkeiten stellen den klassischen "Romeo und Julia"-Topos beziehungsweise den Sieg des Gewissens dar. Auch wenn der Film eine Entscheidung trifft, bleibt es dem Zuschauer überlassen, sich den Gegenentwurf vorzustellen. Nicht viele Spielfilme offerieren dem Zuschauer eine solche Alternative.
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