SYMPATHISANTEN - UNSER DEUTSCHER HERBST | Sympathisanten - Unser Deutscher Herbst
Filmische Qualität:   
Regie: Felix Moeller
Darsteller: (Mitwirkende): Margarethe von Trotta, Volker Schlöndorff, Peter Schneider, Daniel Cohn-Bendit, Christof Wackernagel, Marius Müller-Westernhagen, Karl-Heinz Dellwo, René Böll
Land, Jahr: Deutschland 2018
Laufzeit: 101 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 5/2018
Auf DVD: 11/2018


José García
Foto: NFP

"Es war schon schick, zu sympathisieren." Diese Aussage von Marius Müller-Westernhagen im Dokumentarfilm "Sympathisanten - Unser Deutscher Herbst" von Felix Moeller spiegelt die Haltung etlicher Intellektueller wider, die zwar den RAF-Terror nicht tatkräftig unterstützten, aber die Aktivisten mit einem gewissen Wohlwollen betrachteten. Der Schauspieler Christof Wackernagel sagt im Film dazu: "Sympathisanten waren die intellektuell Unterstützenden. Unterstützer waren die, die konkrete Sachen gemacht haben."

Der Begriff, der in den 1970er und 1980er Jahren im Zusammenhang mit der RAF von Behörden und Politikern benutzt wurde, gilt dem Historiker und Dokumentarfilmer Felix Moeller als roter Faden, um vierzig Jahre danach die Stimmung unter Intellektuellen während des "Deutschen Herbstes" zu analysieren. An den Anfang seines Filmes stellt Moeller eine Ansprache des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, in dem er von der "moralischen Ernüchterung auch der letzten Sympathisanten" spricht. Die Rede gipfelt in der Äußerung: "Sympathisanten sollen wissen, dass sie Mörder sind."

Wie es zu dieser Umdeutung eines an sich positiv geladenen Begriffs kam, erklärte bereits "Der Spiegel" Anfang November 1977 in seiner Serie über "Sympathisanten und sogenannte Sympathisanten" folgendermaßen: "Wahrscheinlich wäre das Wort nie zu so inkriminierend-schillernder Bedeutungsfülle gekommen, wenn in der Anfangsphase, zu Beginn der siebziger Jahre, die Sympathisanten es bei schierer Sympathie hätten bewenden lassen, dabei, für den gewalttätigen Aufbruch bürgerlicher Weltverbesserer Verständnis zu zeigen; doch die Sympathisanten der ersten Stunde taten mehr. Deshalb stand die Vokabel Sympathisant von Anfang an auch fürs Kriminelle, deutete Strafbares an oder um, meinte zugleich zuviel und zuwenig. Zum Sympathisanten geriet auf diese Weise der politisch Naive, der sich rechtlich nichts zuschulden kommen ließ; als Sympathisant galt andererseits auch noch, wer sich längst strafbar gemacht hatte."

Eine begrifflich-theoretische Diskussion liegt Felix Moeller jedoch fern, auch wenn er am Filmende erneut Helmut Schmidt in einem Fernsehinterview zeigt, in dem sich der damalige Bundeskanzler vom Begriff "Sympathisanten" distanziert, weil er ihm inzwischen zu "unscharf" sei. Moeller geht es vielmehr darum, die Frage zu beantworten, wie es zur polarisierenden, aggressiven Stimmung in der Bundesrepublik der 1970er Jahre kommen, wie eine kleine Gruppe wie die RAF so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Dafür verknüpft Felix Moeller zeitgenössische Dokumente mit Interviews. Als eine Art Rahmenhandlung dienen ihm die Tagebücher seiner Mutter, der Filmregisseurin Margarethe von Trotta. Sie liest im Film selbst einige Passagen daraus. Zu den Gesprächspartnern gehört außer von Trotta insbesondere auch Volker Schlöndorff, Stiefvater des 1965 geborenen Regisseurs, mit dem Moellers Mutter von 1971 bis 1991 verheiratet war. Zur Auswahl der Zeitzeugen sagt Moeller: "Bis auf das ehemalige RAF-Mitglied Karl-Heinz Dellwo gibt es einen persönlichen Bezug zu allen, von mir oder meinen Eltern. Interessant auch der Werdegang von Christof Wackernagel, der war erst Unterstützer und Sympathisant, bevor er in den Untergrund ging."

Im Film kommen nicht nur Zeitzeugen zu Wort, die es "schick" fanden, mit der RAF zu sympathisieren. Viele taten es aus Überzeugung. Margarethe von Trotta führt dazu aus: "Die RAF-Mitglieder, bevor sie in den Untergrund gingen, haben so empfunden wie wir, das heißt der deutschen Vergangenheit gegenüber. In den 1950er Jahren wurden wir darüber im Dunkeln gelassen, in der Schule und im Elternhaus wurde geschwiegen. Nicht zuletzt durch den Vietnamkrieg wurden wir sensibilisiert, und begriffen, was in der Vergangenheit geschehen war." Der gemeinsame Nährboden für Terroristen und Sympathisanten waren die sogenannten "Achtundsechziger". Von Trotta erinnert an die Reaktion auf das Attentat auf Rudi Dutschke und auf die Erschießung Benno Ohnesorgs: "Die erste Generation der RAF, die auch unsere Generation war, hat in ihrem Zorn unser Unwohlsein aufgegriffen."

Sie spricht indes auch die "rote Linie" an, die von den "Sympathisanten" - oder von einer Mehrheit - nicht überschritten werden mochte: "Das war im Grunde Ausdruck von unser aller Missfallen, ein Extremausdruck, der sich bald in Gewaltaktionen manifestierte, die wir nicht mehr gutheißen konnten." Volker Schlöndorff äußert im Film sein Entsetzen über die Ermordung Hanns Martin Schleyers, den er als "Mafia-Mord" bezeichnet. Eine ähnliche Ansicht vertritt auch Karl-Heinz Dellwo, der als Mitglied des "Kommando Holger Meins" 1975 die deutsche Botschaft in Stockholm überfiel, und bis 1995 im Gefängnis war: "Ab dem Moment, wo Sie Tote auf der Straße haben oder einen Sprengstoffanschlag machen, schmelzen die Sympathien dahin. Die RAF ist im Oktober 1977 politisch gescheitert."

In "Sympathisanten - Unser Deutscher Herbst" behandelt Felix Moeller dieses Kapitel der deutschen Geschichte unter dem Blickwinkel (s)einer Familiengeschichte: das Aufkommen einer Gruppe vorwiegend Intellektueller im Kontext der damaligen bundesrepublikanischen Gesellschaft.
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