LIEBE AUF UMWEGEN | Raising Helen
Filmische Qualität:   
Regie: Garry Marshall
Darsteller: Kate Hudson, John Corbett, Joan Cusack, Hayden Panettiere, Spencer Breslin, Abigail Breslin, Helen Mirren, Sakina Jaffrey
Land, Jahr: USA 2004
Laufzeit: 119 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Buena Vista International

Das Kino liebt die Katharsis: Nicht selten handeln Hollywood-Filme vom Umdenkungsprozess, zu dem ein erfolgreicher Karrierist aufgrund eines unvorhergesehenen, dramatischen Ereignisses gezwungen wird, wie zuletzt Roger Michells in „Spurwechsel“ („Changing Lines“, 2002) zeigte. Das Paradebeispiel im Hinblick auf die Entscheidung gegen ein früheres materialistisches Streben nach Karriereerfolg und für die Familie stellt freilich „In Sachen Henry“ („Regarding Henry“, Mike Nichols 1991) dar: Harrison Ford spielt darin den erfolgreichen Anwalt Henry Turner, der nach einer lebensgefährlichen Verletzung und einem langen Weg der Rehabilitation mit seinem alten Leben Schluss macht. Nach all dem, was er in der Zwischenzeit erlebt hat, kommt sich Henry in seiner alten Stellung in der Anwaltskanzlei völlig deplaziert vor.

Eine ähnliche, von den Umständen erzwungene Charakterwandlung durchlebt auch die junge, erfolgsverwöhnte Helen Harris (Kate Hudson) in Garry Marshalls neuem Spielfilm „Liebe auf Umwegen“ („Raising Helen“). Um diese „Katharsis“ sichtbar zu machen, greift Regisseur Marschall zum selben Stilmittel zurück, wodurch bereits „In Sachen Henry“ die innere Wandlung Henrys verdeutlicht hatte: Als Helen nach einigen Monaten ihres neuen Lebens versucht, zu ihrer alten Arbeit in einer Modelagentur zurückzukehren, kommt ihr dieses karrieresüchtige Milieu völlig gekünstelt vor.

Denn in der Zwischenzeit hatte ein tragisches Ereignis ihr Leben völlig umgekrempelt: Als ihre Schwester und deren Ehemann bei einem Autounfall sterben, wird ihr und nicht etwa der dritten Schwester und hauptberuflichen Mutter Jenny (Joan Cusack) die Vormundschaft für die drei Kinder der Verstorbenen – die 15-jährige Audrey, den zehnjährigen Henry und die fünfjährige Sarah – anvertraut.

Es kommt, wie es in einem Hollywood-Film kommen muss: Helen nimmt die Kinder erstmals zu sich, erkennt jedoch bald, dass ihre Single-Wohnung in Manhattan alles andere als kindgerecht ist, weswegen sie mit den Kindern ins volkstümliche Stadtteil Queens umzieht. Ihre Arbeit in der Modelagentur erweist sich ebenfalls als mit einer Familie unvereinbar, weshalb sie diese gegen einen Job in einer Gebrauchtwagenhandlung austauscht. Trotz ihrer Anstrengungen, ihr Leben nach den Kindern zu richten, will es Helen allerdings nicht recht gelingen, die Rolle der verantwortungsvollen Ersatzmutter – insbesondere den Problemen der pubertierenden Audrey gegenüber – zu füllen. Helen sieht also ein, dass die Kinder bei ihrer Schwester Jenny besser aufgehoben sind, und versucht, zu ihrem alten Leben zurückzukehren. Wie eine solche Geschichte ausgehen wird, weiß jeder Zuschauer, der mit den Regeln des „Charakterwandlungs-Films“ vertraut ist.

„Liebe auf Umwegen“ behandelt zeitgemäße Fragen, etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Er scheut darüber hinaus nicht davor, auf die Bedeutung der Familie hinzuweisen, ja sogar in wunderbar „unzeitgemäßer“ Art etwa die Verantwortungslosigkeit von sexuellen Beziehungen unter Jugendlichen zu brandmarken.

Trotz dieser ernst zu nehmende Themen, der gut besetzten Nebenrollen – Helen Mirren als Agenturchefin, Hector Elizondo als Gebrauchtwagenhändler – sowie des gelegentlichen Dialogwitzes driftet leider diese Hollywood-Komödie geradewegs in Gefühlsduselei ab. Die gekonnte Inszenierung, von der Ausstattung über die Kameraführung bis zum Schnitt, kann das allzu vorhersehbare Drehbuch, auch bezüglich der sich entwickelnden Romanze zwischen Helen und dem protestantischen Pastor und Schulleiter Dan Parker (John Corbett), kaum kaschieren. Wie zuletzt etwa „Im Dutzend billiger” (siehe Filmarchiv) lösen sich die im Film aufgezeigten Probleme irgendwie von allein, die Figuren erhalten keine Tiefe. Schade, dass die auf der ganzen Komödie liegende Schicht aus purem Zuckerguß die angesprochenen tiefgründigen Fragen banalisiert.
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