M - EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER. SECHSTEILIGE SERIE | M - Eine Stadt sucht einen Mörder
Filmische Qualität:   
Regie: David Schalko
Darsteller: Verena Altenberger, Moritz Bleibtreu, Bela B, Christian Dolezal, Lars Eidinger, Sarah Viktoria Frick, Michael Fuith, Udo Kier, Marleen Lohse, Dominik Maringer, Sophie Rois, Julia Stemberger, Jürgen Maurer, Brigitte Hobmeier
Land, Jahr: Österreich - Deutschland 2019
Laufzeit: 292 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
Auf DVD: 3/2019


José García
Foto: universum

Tiefster Winter mit dichtem Schneefall in Wien. Als die kleine Elsie (Amanda Amry) ohne Jacke nach Hause kommt, schickt die sichtlich genervte Mutter (Verena Altenberger) das Mädchen zurück auf den Spielplatz, um die Jacke zu holen. Durch den Schnee ertönt aus der Dunkelheit ein Pfeifen einiger Takte aus Edvard Griegs "Peer Gynt". Plötzlich ist Elsie spurlos verschwunden. Die Polizei nimmt Elsies Vater (Lars Eidinger) ins Visier. Als aber mehr und mehr Kinder verschwinden und der schmelzende Schnee die ersten Kinderleichen zu Tage bringt, wird klar: Ein Kindermörder treibt sein Unwesen. Die Polizei ist ratlos, der ambitionierte Innenminister (Dominik Maringer) beginnt, die Morde für seine Zwecke zu nutzen. Unterstützt wird er von einem skrupellosen populistischen Verleger (Moritz Bleibtreu). "M" ist zum öffentlichen Fall geworden. Die kriminellen Geschäfte der Unterwelt werden empfindlich gestört, so dass Wiens Unterwelt beschließt, den Täter zu finden. Eine ganze Stadt macht sich auf die Suche nach dem Mörder.

Regisseur David Schalko lehnt sich an Fritz Langs Spielfilm "M" (1931) an. Er setzt einige Elemente des im Berlin der ausgehenden Weimarer Republik angesiedelten Klassikers für seine allerdings im Wien der Gegenwart spielende Miniserie "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" ein. Fritz Lang konzentrierte sich auf die "Unterwelt", deren kriminelle Ringvereine durch die ständigen Polizeirazzien in ihren Machenschaften empfindlich gestört wurden. In der sechsteiligen Serie erlauben die knapp 300 Minuten Dauer nicht nur, verschiedene Handlungsstränge und damit auch verschiedene Verdächtige in den Mittelpunkt zu stellen. Schalko geht es auch darum, auf die Folgen eines sein Unwesen treibenden Mörders für einzelne Schichten der Gesellschaft hinzuweisen. Nicht nur - wie im Original - auf die "Geschäfte" der Unterwelt, an deren Spitze bezeichnenderweise (wir schreiben ja das Jahr 2019) eine Frau (Sophie Rois) steht. Die Politik und die Versuchung des Überwachungsstaates, die Presse mit ihren "Fake News", die Flüchtlingspolitik ... liefern die Mosaiksteine, aus denen sich die Serie, aber auch eine Stadt zusammensetzt.


Interview mit Regisseur David Schalko

Sie liefern keine Neuverfilmung des Klassikers von Fritz Lang, sondern eher eine Übertragung des Sujets in unsere Zeit. Welchem Konzept folgten Sie dabei?

Als ich Langs "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" nach längerer Zeit wieder gesehen habe, hat mich fasziniert, dass die Stadt die Protagonistin ist, dass es keinen Hauptdarsteller gibt. Dies findet in der heutigen Form der Serie eine viel größere Entsprechung, wenn man die Breite hat, dies zu erzählen, und trotzdem bei den Figuren mehr in die Tiefe gehen kann. Die politischen Parallelen zwischen der Weimarer Republik und heute waren weitere Elemente, die mich interessiert haben.

Warum ist Wien die Protagonistin?

Zunächst: Wien kenne ich am besten. Da weiß ich, wovon ich erzähle. Das zweite ist, dass wir an Originalschauplätzen drehen wollten. Gleichzeitig ist unsere Serie auch eine Verneigung vor Fritz Lang und dem deutschen Expressionismus, und dieses Kulissenhafte findet man leicht in Wien.

Sie haben Elemente - etwa die berühmte Melodie - übernommen. Wie hatten Sie sich die Umsetzung in die heutige Zeit im Verhältnis zum Original vorgestellt?

Um die Serie zu verstehen, ist es nicht nötig, den Originalfilm von Lang zu kennen. Aber es macht natürlich mehr Spaß, die kleinen Anspielungen oder Zitate zu erkennen. Es ist ein anderer Kontext, und das Drehbuch wurde komplett neu geschrieben. Dennoch haben wir ganz wesentliche Elemente übernommen, etwa die Bettler, das Tribunal zum Schluss, die Luftballons, den Clown, das Pfeifen ... Was man so aus dem Fritz-Lang-Film in Erinnerung hat, kommt auch bei uns vor. Die Unterwelt ist beispielsweise ein klares Zitat. Sie ist aber nicht die Unterwelt von heute, sondern eher eine Metapher, ein Element in einer metaphorischen Erzählung.

Einige Szenen sind ganz eindeutig nicht realistischer Natur ...

Natürlich, es ist keine naturalistische Serie. Einige Dinge sind auch völlig unlogisch (lacht). Es ist ein Märchen, das von einem ironischen Unterton getragen wird. Wir hatten auch ein Büchlein mit Bildern aus Langs Film. Als ständige Referenz. Manches entstand spontan, anderes wiederum ist von langer Hand geplant. Es ist eine Mischung. Denn in vier Monaten Drehzeit entstehen auch ganz unvorhergesehene Situationen.

Das Pfeifen spielte im Fritz-Lang-Film eine wesentliche Rolle ...

Das war sehr raffiniert von Lang, in seinem ersten Tonfilm von einem Blinden über den Ton den Täter erwischen zu lassen. Das muss man jedoch heute anders machen. Bei uns fungiert es beinahe schon wie ein Virus, das von Person zu Person weitergegeben wird.

War das Serienformat von Anfang an geplant?

Ja. Einen Film als Remake eines Klassikers hätte ich mich nicht getraut. Eine Serie ist eine andere Erzählform mit ganz anderen Gesetzmäßigkeiten. Es war auch wichtig, es in die heutige Zeit zu holen, und nicht in der Weimarer Republik anzusiedeln.

Auch wenn wir nicht viel über die Handlung verraten wollen: Bald gibt es mehrere Verdächtige. Es heißt ja auch, dass diese die Gesellschaft destabilisieren wollen. Ist das auch eine politische Aussage?

Klar, es gibt viele Aussagen auf unterschiedlichen Ebenen. Die Flüchtlingsproblematik ist drin. Der Rechtsruck. Als wir schrieben, war es noch nicht so wie heute, aber durch die lange Zeit, die für die Finanzierung der Serie nötig war, sind wir in der Realität dort angekommen. Es hat sich also ausgezahlt zu warten (lacht).

Dem Zuschauer wird bald klar, dass die Serie heute spielt. Aber spielt die Bildersprache nicht darauf an, dass sie in jeder Zeit hätte angesiedelt sein können?

Absolut. Es liegt auch daran, dass die Bilder nicht naturalistisch sind. Sie haben etwas Traumhaftes, Schlafwandlerisches, einen Kontakt mit dem Unbewussten ... Die Bildersprache unterscheidet sich schon sehr von der im Fritz-Lang-Film, die sehr hart ist, in der der Expressionismus, aber vor allem im Schauspiel auch schon der Naturalismus ein bisschen spürbar sind.

"M - Eine Stadt sucht einen Mörder". Sechsteilige Fernsehserie. Regie: David Schalko. 2 DVD, 292 Minuten EAN: 4-06122910-775-4, EUR 19,99


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