OF FATHERS AND SONS - DIE KINDER DES KALIFATS | Of Fathers and Sons
Filmische Qualität:   
Regie: Talal Derki
Darsteller:
Land, Jahr: Deutschland, Libanon, Syrien, Katar 2017
Laufzeit: 99 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 3/2019


José Garcia
Foto: Port au Prince

Der 13-jährige Osama und sein 12-jähriger Bruder Ayman spielen Fußball mit anderen Kindern - nichts Ungewöhnliches für Jungs in ihrem Alter. Allerdings besteht schon ein großer Unterschied zu den vielen fußballspielenden Kindern auf der ganzen Welt, denn als Kinder des islamistischen Milizionärs Abu Osama sollen Osama und Ayman zu "Gotteskriegern" erzogen werden.

Der in Berlin lebende syrische Filmemacher Talal Derki kehrte in seine syrische Heimat zurück, um mehr als zwei Jahre lang den Alltag des salafistischen Kämpfers Abu Osama und seiner Familie zu teilen. Daraus entstand der erschütternd-beeindruckende Dokumentarfilm "Of Fathers and Sons - Die Kinder des Kalifats", der auf mehr als 100 Festivals weltweit vorgestellt, mit mehr als 20 Preisen - darunter dem renommierten "World Cinema Documentary Grand Jury Prize" des Sundance Film-Festivals 2018 sowie dem Deutschen Dokumentarfilmpreis 2018 - ausgezeichnet und außerdem für den Oscar als "Bester Dokumentarfilm" nominiert wurde. Nun startet der Film im regulären Kinoprogramm.

Der 1974 geborene Abu Osama zeigte sich von den Taliban und dem Wort "Islam" regelrecht fasziniert. Nun möchte er ein "gerechtes Kalifat" errichten, um Syrien zu befreien. Osama erachtet beispielsweise als ein "Gottes Geschenk", dass einer seiner Söhne an einem 11. September, dem Jahrestag des Angriffs auf das New Yorker World Trade Center, geboren wurde. Statt zur Schule zu gehen sollen sie eine militärische Ausbildung erhalten, um beim "Existenzkampf zwischen dem Islam und den ,Römern? (Europäern) im Dritten Weltkrieg" gerüstet zu sein.

Der Einblick ins Privatleben eines fanatischen salafistischen Milizionärs, der beim Minenentschärfen eingesetzt wird, weckt widersprüchliche Gefühle. Einerseits erscheint Abu Osama als liebevoller Vater, der von seinen Kindern nicht nur geachtet, sondern auch geliebt wird ? besonders sichtbar wird dies, als Abu Osama beim Entschärfen einer Mine schwer verletzt wird und nach Hause zurückkehrt. Andererseits fördert der Film auch Grausiges zutage, so etwa als der 13-jährige Osama zu seinem Vater stolz sagt: "Ich habe einem Vogel den Kopf abgetrennt, so wie Du es mit dem Mann getan hast, Papa".

In einem Interview mit dem Online-Magazin "Monopol" wird Filmemacher Talal Derki gefragt, ob diese Szene den Schlüssel zu seinem Film liefere. Die Antwort des Regisseurs: "Ich würde sagen: Sie gibt die Richtung vor. Der Zuschauer erfährt, in welcher Welt dieser Film spielt. Und er lernt, welche Rolle Erziehung darin spielt." Diese Szene verdeutlicht aber auch die beobachtende Haltung des Filmemachers, der den Islamisten zu Wort kommen lässt, ohne seine Worte zu kommentieren. Dadurch wird der Zuschauer unmittelbar mit einer ihm fremden Gedankenwelt konfrontiert. Zu dieser gehört etwa auch, dass Abu Osama offenkundig das Beste für seine Söhne will, wenn er sie als islamistische Kämpfer ausbilden lässt. Da sich Talal Derki hauptsächlich auf die Kinder konzentriert, bietet "Of Fathers and Sons - Die Kinder des Kalifats" einen einzigartigen Einblick in eine von islamistischer Indoktrinierung geprägte Kindheit.

Der Filmemacher begleitet beispielsweise Osama und Ayman bei ihrer militärischen Ausbildung in einem Al-Nusra-Trainingscamp. Im bereits erwähnten Interview führt Talal Derki aus, warum er das Verhältnis eines Dschihadisten zu seinen Söhnen in den Mittelpunkt seines Filmes stellt: "Ich bin selbst Vater eines sechsjährigen Sohnes. Und als ich meinen letzten Film ,Rückkehr nach Homs? gedreht habe, habe ich einen Vater kennengelernt, der seinem Sohn beibrachte, wie man mit Waffen umgeht und Menschen tötet. Ich war so schockiert, dass ich beschloss, einen eigenen Film darüber zu drehen."

Abu Osama konnte übrigens den fertigen Film nicht sehen: Nach den Dreharbeiten wurde er von der "Al-Nusra"-Gruppe bei einem Bombenattentat getötet, nachdem er sich von ihnen distanziert und eine neue Gruppe namens "The Guardian of the religion" gegründet hatte.
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