EDEN | Eden
Filmische Qualität:   
Regie: Dominik Moll
Darsteller: Sylvie Testud, Juliane Köhler, Wolfram Koch, Adnan Jafar, Bruno Alexander, Diamans Bou Abboud, Maxim Khalil, Theo Alexander, Michalis Ikonomou, Sawsan Arsheed, Jalal Altawil, Eleni Vergeti, Elena Mavridou, Yorgos Pirpassopoulos, Joshua Edoze, Trystan Pütt
Land, Jahr: Deutschland, Frankreich 2019
Laufzeit: 270 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 5/2019


José García
Foto: ARD

Eine filmische Aufarbeitung kann die Flüchtlingskrise in all ihren Facetten kaum darstellen, schon gar nicht ein 90-minütiger oder zweistündiger Spielfilm. Ein Mehrteiler bietet zumindest die Chance, unterschiedlichen und teilweise sehr verschiedenen Protagonisten ein Gesicht zu geben, vielleicht sogar den Charakter des einen oder anderen von ihnen etwas mehr zu vertiefen.

Die sechsteilige, deutsch-französische Serie "Eden", die von mehreren Filmgesellschaften und Fernsehanstalten produziert wurde, stellt menschliche Schicksale in verschiedenen europäischen Ländern in den Mittelpunkt. Die Drehbücher stammen aus der Feder mehrerer deutscher und französischer Autoren, wobei als Headautor Constantin Lieb firmiert. Regie führt Dominik Moll, der als Sohn einer französischen Mutter und eines deutschen Vaters zweisprachig aufwuchs. Gedreht wurde in fünf Sprachen: Deutsch, Französisch, Englisch, Griechisch und Arabisch. All diese Angaben verdeutlichen den enormen Aufwand bei der Entwicklung einer Serie, die ersichtlich zu den großen diesjährigen Serienprojekten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gehört.

Die Eingangssequenz hängt eng mit einem Erlebnis des Regisseurs zusammen. Dominik Moll fand ein Internetvideo, in dem "Urlaubsgäste Zeugen der Landung eines Schlauchboots voller afrikanischer Flüchtlinge werden. Die Migranten springen aus dem Boot, rennen den Strand hoch und verschwinden in den Dünen." Laut Moll fasse dieses Video das Thema der Miniserie anschaulich zusammen: "Das Eindringen einer Welt in eine andere." Der Regisseur verlegte die Szene, die eigentlich an einem Badestrand in der Nähe von Cádiz in Südspanien stattfand, nach Griechenland. Die Eingangsszene für die Miniserie "Eden" war geboren.

Als Silke (Juliane Köhler) und Jürgen Hennings (Wolfram Koch) auf einer griechischen Insel die Ankunft eines Flüchtlingsboots hautnah erleben, beschließen sie, den syrischen Flüchtling Bassam El-Khalil (Adnan Jafar) bei sich zu Hause aufzunehmen. Bassam ist bereits seit drei Jahren in Mannheim und geht auf das gleiche Gymnasium, an dem das Ehepaar Hennings unterrichtet und das auch ihr Sohn Florian (Bruno Alexander) besucht. Durch Bassams Anwesenheit fühlt sich Flo herausgefordert und beginnt, ihn und seine Eltern zu provozieren und die Eingewöhnung des Neuen zu erschweren.

In Griechenland werden die Neuankömmlinge in einem Flüchtlingslager in privater Trägerschaft untergebracht. Hélene Durand (Sylvie Testud) hat als Erste die Privatisierung eines griechischen Flüchtlingscamps erreicht, und wartet nun auf zusätzliche Gelder aus Brüssel. Die französische Unternehmerin trifft sich in Frankfurt mit ihrem langjährigen Investor Bernard Millet, um über ihre Expansionspläne zu sprechen. Hélene fliegt aber häufig auch nach Brüssel, weil die Ausschreibung für die Privatisierung weiterer Flüchtlingscamps ansteht. Sie hat gute Karten, erfährt sie von Michael Raksen (Thom Hoffman), ihrem Kontakt innerhalb der EU, wenn auch ihr ein Konkurrent im Wege stehen könnte: Die Schweizer Firma Deltan Security, deren Anwalt Marc Walser (Trystan Pütter) Interesse bekundet hat, bei Hélenes Unternehmen einzusteigen.

Aus dem Flüchtlingscamp in Griechenland brechen zwei Brüder aus: Daniel (Alexandros Asse-Longovitis), dessen Asylbescheid immer wieder vertagt wird, verliert die Geduld. Er will seine Mutter in der Heimat unterstützen, weshalb er beschließt, auf einer Schlepperroute nach England zu gelangen. Sein minderjähriger Bruder Amare (Joshua Edoze) schließt sich ihm an. Auf der Flucht werden sie von den griechischen Security-Guards Yiannis Samaras (Michalis Ikonomou) und Alexandros Dimitriou (Theo Alexander) bis zu einer Bauruine verfolgt, wo sich ein tragischer Unfall ereignet.

Ein weiterer Handlungsstrang ist in Paris angesiedelt, wo das syrische Ehepaar Meryem (Diamand Bou Abboud) und Hamid Farhi (Maxim Kahlil) mit seiner kleinen Tochter als politische Flüchtlinge Asyl zu erhalten hofft. Hamid hat Kontakt zu dem Journalisten Eric Peretti aufgenommen, um diesem Beweismaterial zu übermitteln und ihm zu helfen, die Wahrheit über viele als vermisst geltende Personen zu publizieren. Eine unverhoffte Begegnung weckt allerdings in Meryem Zweifel, ob ihr Mann, ein Arzt, wirklich der ist, für den er sich ausgibt.

Durch die Vielzahl an Handlungssträngen und Figuren verdeutlichen die Filmemacher die unterschiedlichen Aspekte einer sehr komplexen Entwicklung. Die politische Dimension der Flüchtlingskrise wird auf eine auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Art und Weise beleuchtet, durch die Privatisierung der Flüchtlingscamps: Folgt Hélene Durand neben unternehmerischen Zielen auch gewissen Idealen, so erscheint ihre Mitbewerberin um die EU-Mittel als reine Geschäftemacherin, die in den Flüchtlingen lediglich Mittel zum Zweck der eigenen Bereicherung sieht. Eine filmische Aufarbeitung der Flüchtlingskrise ist zwar wohl kaum möglich. "Eden" bietet jedoch wenigstens eine Möglichkeit, verschiedene Seiten des komplexen Vorgangs zu skizzieren.

"Eden". Regie: Dominik Moll. 6 Folgen a 45 Minuten, am 2. und 9. Mai um 20.15 Uhr auf ARTE bzw. am 8. und 15. Mai um 20.15 Uhr in der ARD
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